Kontroverse um großen Hohlraum im Innern der Großen Pyramide von Gizeh

Die Große Pyramide von Gizeh. Copyright: Andreas Müller für Grenzwissenschaft-Aktuell.de
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Die Große Pyramide von Gizeh.

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Kairo (Ägypten) – Die Entdeckung des bislang größten unbekannten Hohlraums im Innern der Großen Pyramide auf Gizeh sollte eigentlich als DIE Sensation des Jahres, des Jahrzehnts oder gar des Jahrhunderts betrachtet und gefeiert werden – würde man meinen. Nicht aber, wenn es nach einigen alteingesessenen Ägyptologen geht. Diese tun seit der Veröffentlichung der Entdeckung im Fachjournal „Nature“ ihr Möglichstes, um den Fund herunterzuspielen – mit entsprechendem Erfolg in der internationalen Berichterstattung. Zugleich spricht der Antikenminister Ägyptens nun aber erstmals selbst von einer bedeutenden Entdeckung. Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) hat exklusiv mit dem Leiter der „ScanPyramids“-Mission über den Fund gesprochen.

Zuvor hatte sich unmittelbar nach Bekanntwerden des Nature-Fachartikels sowohl der Vorsitzende des ägyptischen Antikenrats Mustafa Waziri (Anm.: …entspricht nicht dem Antikenminister!) als auch der bekannte Archäo- und Ägyptologe Zahi Hawass, seines Zeichens selbst einstiger Minister des ägyptischen Antiken-Ministeriums, die Bedeutung der Entdeckung des knapp 30-50 x 9 Meter Hohlraums (…GreWi berichtete) heruntergespielt.

Zahi Hawass
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Hawass, der selbst weder an der Entdeckung noch am Fachartikel beteiligt war, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, er habe „mit anderen Wissenschaftlern des Projekts gesprochen und ihnen erklärt, dass dies keine wirkliche Entdeckung sei“. Allerdings sind die Entdecker und Autoren des Artikels die Hauptuntersucher und Leiter der ScanPyramids-Mission. Mit welchen „anderen Wissenschaftlern“ des Projekts Hawass also gesprochen haben will, geht aus seinen Aussagen und den diese zitierenden Berichten bislang nicht hervor.

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Weiterhin erklärte Hawass gegenüber der AFP, dass die Pyramide tatsächlich „voller Hohlräume“ sei, dass dies aber nicht bedeutet, „dass es eine geheime Kammer oder eine neue Entdeckung gibt“. Waziri kritisierte die Autoren hinzu für angeblich sensationalistische Interpretationen und der Bekanntgabe der Entdeckung unbekannter Räume oder Kammern. Derartige Interpretationen „sollten nicht vor einer wissenschaftlichen Diskussion veröffentlicht werden“.

Tatsächlich erheben aber die Autoren des Nature-Fachartikels diesen Anspruch selbst überhaupt nicht – und unterstreichen sogar, dass man die Funktion und damit die Bedeutung des Hohlraums noch nicht kenne und deshalb bislang auch nur von einem „Hohlraum“ und nicht von einer Kammer, Galerie, Korridor oder Ähnlichem spreche. Zudem erfüllt die Veröffentlichung des Artikels im angesehenen Fachjournal „Nature“ durchaus wissenschaftliche Standards.

Hawass selbst wird in zahlreichen Medienberichten zum Fund als „Vorsitzender des Wissenschaftskomitees des ScanPyramids-Projekts“ dargestellt, der dieses „überwache“ oder sogar leite. Hierzu stellte das die Arbeiten tatsächlich leitende Heritage Innovation Preservation Institutes (HIP) schon im Juni 2016 angesichts ähnlicher Behauptungen gegenüber GreWi klar:
„Entgegen den zahlreichen Meldungen unterstehen die Myonen-Scans in der Großen Pyramide von Gizeh, sowie in den Pyramiden von Dahschur im Rahmen der ‚ScanPyramids‘ Mission auch weiterhin der Leitung des ‘Heritage Innovation Preservation Institutes’ (HIP) sowie der Fakultät für Ingenieurswissenschaften an der Cairo University und werden von Beginn an (im Oktober 2015, …GreWi berichtete) von Wissenschaftlern aus Ägypten, Japan, Frankreich und Kanada durchgeführt. (…) Die Ergebnisse der aktuell vom ScanPyramids-Team geleiteten Myonen-Scans werden im Sinne weiterer Analysen und Interpretationen mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Komitees verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen geteilt. (…) Das ägyptischen Antiken-Ministerium (Ministry of  Antiquities) hat ein eigenes Ägyptologen-Komitee gegründet, dem der Minister Dr. Khaled El-Anany vorsteht und das von Dr. Zahi Hawass geleitet werden wird. (…) Was aber die eigentliche ScanPyramids-Mission anbetrifft, so kann ich mit Bestimmtheit sagen, dass diese nicht von Dr. Hawass geleitet wird. (…) Die Ergebnisse der Myonen-Scans aus der Großen Pyramide von Gizeh, so der HIP-Sprecher abschließend, werden – ebenso wie die früheren Ergebnisse der Mission – transparent veröffentlicht.“

Im Gegensatz zu Waziri und Hawass hat sich mittlerweile der derzeitige Antikenminister Ägyptens, Khaled Al-Anany, zu der Entdeckung in der Großen Pyramide geäußert und positioniert.

Auf der International Conference on the Science of Ancient Egyptian Materials and Technologies (SAEMT) dankte der Minister dem ScanPyramids-Team um Mehdi Tayoubi vom HIP Institute und Kunihiro Morishima von der japanischen Nagoya University und sprach von einer „neuen Offenbarung, die erneut das Interesse der Welt auf Ägypten lenke.“ Was hier nun entdeckt wurde, sei „neu und größer als alle bekannten Hohlräume der Pyramide“ und werde nun „weiterhin wissenschaftlich untersucht und erforscht“, zitierte der „Egypt Independent“ den Minister. Zugleich deutete aber auch Al-Anany an, dass gerade mit dem Team (…um Hawass?) der Fund derzeit weiter „diskutiert“ werde und führte dazu weiter aus: „Das Forscherteam besteht aus internatonalen Wissenschaftlern, die unter dem Schirm des Antikenministeriums und unter der Aufsicht von Hani Helal, dem ehemaligen Bildungsminister arbeite. Das Komitee des Ministeriums fordere, dass Schlussfolgerungen aus der Entdeckung ebenfalls in einem international angesehnen Journal veröffentlicht werden sollen.“

– Lesen Sie HIER das exklusive GreWi-Interview mit Mehdi Tayoubi vom HIP-Institute zum Fund des „großen Hohlraums“ im Innern des Großen Pyramide von Gizeh. Darin berichtet Tayoubi auch von weiteren in der Pyramide gefundenen Anomalien.

WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
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