Leben auf Saturn- und Jupitermonden Enceladus und Europa wäre wahrscheinlich „zweite Genesis“

Der Saturnmond Enceladus, fotografiert von der NASA-Sonde Cassini, 2012. Copyright: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute
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Der Saturnmond Enceladus, fotografiert von der NASA-Sonde Cassini, 2012. Copyright: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute

Der Saturnmond Enceladus, fotografiert von der NASA-Sonde Cassini, 2012.
Copyright: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute

San Francisco (USA) – Sollte einst in den unter Eispanzern verborgenen Ozeanen der Saturn- und Jupitermonde Enceladus und Europa Leben entdeckt werden, so stünde die Wahrscheinlichkeit nicht schlecht, dass es sich dabei um Leben handelt, das nicht mit dem Leben auf der Erde verwandt ist. Zu diesem Ergebnis kommen Simulationen zur Verteilung von Mars-Meteoriten im Sonnensystem, von denen einige Wissenschaftler annehmen, dass sie einst auch die noch junge Erde mit ursprünglichem Marsleben „infiziert“ und so die irdische Genesis ausgelöst haben könnten.

Wie der Geophysiker Jay Melosh von der Purdue University auf dem Jahrestreffen der American Geophysical Union (AGU) in San Francisco erläuterte, haben er und sein Team die Frage untersucht, mit welcher Wahrscheinlichkeit Felsbrocken, die durch kosmische Einschläge aus einem der inneren Planeten herausgeschlagen werden bzw. wurden, die Eismonde Europa und Enceladus um die Gasplaneten Jupiter und Saturn erreicht und somit die Saat des Lebens mit sich geführt haben könnten.

Tatsächlich spekulieren einige Planetenwissenschaftler und Exobiologen ein als „Lithopanspermie“ bezeichnetes Szenario, in dem der junge Mars noch vor der Erde nicht nur lebensfreundlich sondern auch belebt gewesen sein könnte und Mars-Meteoriten die junge Erde mit diesem frühen und noch einfachen Mars-Leben befruchtet hatten.

Anhand von Computermodellen haben Melosh und Kollegen den Weg von 100.000 Mars-Partikeln durch unser Sonnensystem simuliert, die bei einem Einschlag auf der Marsoberfläche aus dieser heraus und ins All katapultiert werden und dabei drei unterschiedliche Geschwindigkeiten zugrunde gelegt: 1, 3 und 5 Kilometer pro Sekunde.

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Obwohl tatsächlich ein minimaler Teil dieser Projektile nach rund 4.5 Milliarden Jahren den Saturnmond Enceladus erreicht hatten, lag deren Anteil bei gerade einmal 0.0000002% bis 0.0000004% jener Fragmente, die unsere Erde erreichen. 100 mal mehr Teile gelangten auf diese Weise zum Jupitermond Europa, der – genau wie Enceladus – unter einer kilometerdicken Eisschicht einen flüssigen Wasserozean und darin zumindest die Grundlagen des uns bekannten Lebens beherbergt. Allerdings beträgt dieser Anteil immer noch lediglich 0.00004% bis 0.00007% jener Partikel, die auf diese Weise zur Erde gelangen. Ähnliche Werte ergeben sich aus einer Simulation der Wege von durch Einschläge erzeugte Erdmeteoriten.

Tatschich ist bekannt, dass jährlich etwa eine Tonne Marsgestein von Faustgröße und darüber hinaus in Form von Meteoriten auf die Erde fällt. Basierend auf diesem Wert, gelangen – so die neuen Berechnungen – durchschnittlich jedes Jahr gerade einmal 0,4 Gramm Marsgestein auf den Mond Europa und nur 2-4 Milligramm auf Enceladus. Allerdings unterstreichen die Forscher, dass es sich auch bei diesen Werten um Durchschnittswerte handelt, man aber bei weitem nicht von einem stetigen Materialfluss zwischen Mars und den Monden der Gasriesen sprechen könne.

Der Jupitermond Europa. Copyright: NASA/JPL/Processed by Kevin M. Gill

Der Jupitermond Europa.
Copyright: NASA/JPL/Processed by Kevin M. Gill

Und obwohl es theoretisch natürlich nur einen – den mit Leben beladenen – Einschlag eines Mars-Meteoriten gebraucht hätte, um etwa Enceladus zu beleben, gelte es natürlich auch noch weitere Faktoren des potentiell lebensspendenden Einschlagsszenarios zu bedenken, so die Wissenschaftler, und diese seien es, die die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Lithopanspermie vom Mars zu den Eismonden der Gasriesen zusätzlich reduzieren.

So betrage die mittlere Reisedauer eines Mars-Projektils bis zu einem Einschlag auf Enceladus 2 Milliarden Jahre. Selbst extrem wiederstandsfähige Mikroben dürften es bei einer derart langen Reisezeit durch den ungeschützten Raum schwer haben, diesen Transit bis zum Ziel zu überstehen.

Hinzu zeigen die aktuellen Simulationen, dass die Marsfragmente am Zielort mit 5 bis 31 Kilometern pro Sekunde einschlagen, was ein Überleben potentiell blinder Passagiere zusätzlich unwahrscheinlich mache.

Aus den Simulationen und Berechnungen ergibt sich für das Team um Melosh die Vermutung, dass es sich bei Leben in den Ozeanen auf Europa und Enceladus – sollte es existieren – vermutlich um dort entstandenes, indigenes und nicht um durch Projektile von Erde und Mars eingeschlepptes Leben handelt – ganz zu schweigen um Leben aus einem anderen Planetensystem. Letztere Wahrscheinlichkeit – jene also, dass ein von einem Exoplanet stammender Meteorit während der vergangenen 4,5 Milliarden Jahre Leben auf die Eismonde des Sonnensystems gebracht haben könnte – haben Melosh und Kollegen denn auch auf deutlich weniger 0,01 Prozent und damit jenes Wahrscheinlichkeitswertes berechnet, den die Forscher für einen lebensspendenen Einschlag exoplanetarer Herkunft ermittelt haben.

Vor diesem Hintergrund sei die Chance sehr hoch, dass nicht nur Europa und Enceladus, sondern auch andere potentiell lebensfreundliche Monde um und jenseits der Gasriesen, seit Jahrmilliarden nicht mit Leben aus dem inneren Sonnensystem kontaminiert wurden.

Sollten zukünftige Missionen einmal also Leben in den Ozeanen der äußeren Monde im Sonnensystem finden, so entstand und entwickelte sich dieses Leben mit großer Wahrscheinlichkeit also gänzlich unabhängig vom irdischen Leben, und könnte sich so auch in gänzlich anderen Formen ausgeprägt haben. Ein solche „zweite Genesis“ wäre dann auch ein starker Hinweis dafür, dass das Leben vermutlich im gesamten Kosmos eher die Regel als eine von einzigartigen Umständen und sog. Zufällen abhängige Ausnahme ist.

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Quelle: Space.com

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