Legendärer Runenstein von Rök zeugt von Trauer und Klimaangst der Wikinger
Uppsala (Schweden) – Der Runenstein von Rök ist bekannt dafür, die längste historische Runeninschrift zu tragen. Lange Zeit galt das, was der Stein erzählt als Rätsel oder wurde kontrovers diskutiert. Jetzt liefern schwedische Wissenschaftler eine Deutung, laut der die rätselhafte Inschrift Ängste vor dem Klimawandel und Vorahnungen über das Ende der Welt offenbart.
1.000 Jahre nach der Errichtung des Steins in der schwedischen Pfarrei Rök in Östergötland, hat nun eine interdisziplinäre Expertengruppe aus Archäologie, Religionsgeschichte, Runenkunde und zur schwedischen Sprache im Fachjournal „Futhark: International Journal of Runic Studies“ (DOI: 10.33063/diva-401040) eine Interpretation vorgelegt, die von einem dem Tod geweihten Sohn, einem trauernden Vater, vor allem aber von Angst vor dem Klima und einem drohenden Naturkatastrophe handelt.
„Der Text des Steins stellt offenbar die Meditation eines alternden Mannes über seinen toten Sohn dar“, erläutert Henrik Williams, Professor für Skandinavische Sprachen an der Universität Uppsala.
Den Forschern zufolge erzählt der Text von der Suche des Vaters nach Trost in dem Gedanken, dass sein Sohn, ein erfolgreicher militärischer Anführer, zu Odin berufen wurde, um an dessen Seite in Ragnarök zu kämpfen, der endgültigen Schlacht, auf die die Rückkehr von Sonne und Licht folgt.
Damit stimmen die Inhalte mit der altnordischen Mythologie der Errichtungszeit des Steins im frühen neunten Jahrhundert überein. Damals verbreitete sich auch die Aussicht auf ein Ende der Welt nach einer Reihe verheerender Katastrophen und himmlischer Phänomene, für die die Menschen der damaligen Zeit keine Erklärung finden konnten, so die Wissenschaftler.
„Wir können den Ursprung des Rök-Runensteins relativ sicher in der Zeit platzieren, aber aus dieser Zeit sind weniger als 100 Runensteine bekannt. Und im Gegensatz zu späteren Runensteinen, die oft ähnliche Inhalte haben, variiert die Aussage dieser frühen Exemplare, was ihre Interpretation im Allgemeinen erschwert “, erklärt Professor Williams. „Darüber hinaus ist insbesondere der Runenstein von Rök in verschiedenen Arten von Codes eingeschrieben, was ihn sicher auch schon für zeitgenössische Leser sicherlich zu einer Herausforderung gemacht haben muss.“
Insgesamt 760 Zeichen machen den Runenstein von Rök zur längsten historischen Runeninschrift weltweit. Die Tatsache, dass die Inschrift mehrere Könige benennt zeigt, dass die Familie, in der sie errichtet wurde, zu den höchsten Gesellschaftsschichten gehörte, und der Wunsch nach Exklusivität eine wahrscheinliche Erklärung für die komplexe Struktur ist. Vermutlich sollten nur wenige Auserwählten den Inhalt und Aussage der Runen verstehen.
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Nach Interpretation der Forscher besteht der Rahmen jedoch aus neun Rätseln, von denen sich fünf auf die Sonne und die restlichen vier auf Odin und seine Krieger beziehen. Professor Williams weist auch auf bisher unentdeckte Verbindungen zu anderen altnordischen Texten hin:
„Wir wissen relativ wenig über diese Zeit. Was wir wissen, stammt größtenteils aus der isländischen Edda. Meiner Meinung nach identifiziert unsere Arbeit klare Parallelen zur Edda, was Hypothesen über eine gemeinsame Quelle mythologischer Geschichten bestätigt. Ähnliche Funde wurden auf Gotland gemacht, die noch weiter zurückliegen, aber für mich ist das, als würde man eine neue literarische Quelle aus der frühen Wikingerzeit finden.“
Die wissenschaftliche Leistung der Gruppe basiert dabei zunächst auch auf früheren Forschungen. Mehrere wichtige Beiträge kamen von Professor Bo Ralph, einem Mitglied der schwedischen Akademie, der 2007 die bis dahin vorherrschende Interpretation in Frage gestellt hatte, laut der der Rök-Runenstein aussagen solle, dass Theoderich der Große neun Generationen vor seiner Gründung gestorben sei. Laut Professor Williams war es jedoch die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Vertretern verschiedener Universitäten, die schließlich den Schlüssel zum 1.200 Jahre alten Geheimnis hervorbrachte.
„Mit einem ergebnisoffenen Ansatz und der Nutzung unserer unterschiedlichen Fähigkeiten haben wir vorhandene Quellenmaterialien zusammengestellt, analysiert und weiterentwickelt“, erläutert Professor Williams abschließend. „Nachdem wir mehrere Sackgassen erkundet hatten, erreichten wir durch die Bündelung der Kräfte endlich unser Ziel. Dies ist ein beispielloser Ansatz für die Runologie, der uns bereits wichtige Hinweise auf andere Geheimnisse der Wikingerzeit gegeben hat, und ich bin sicher, dass wir zu dem Weg zurückkehren werden, den wir vor langer Zeit begonnen haben.“
– Die vollständige Übersetzung des Runenstein von Rök (in englischer Sprache) finden Sie HIER
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Quelle: Uppsala Universitet
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