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Liefert die MOND-Theorie eine Alternative zu Planet-Nine?

Künstlerische Darstellung eines Objekts im Kuiper-Gürtel am äußeren Rand unseres Sonnensystems (Illu.).Copyright/Quelle: NASA
Künstlerische Darstellung eines Objekts im Kuiper-Gürtel am äußeren Rand unseres Sonnensystems (Illu.).
Copyright/Quelle: NASA

Cleveland (USA) – Der Umstand, dass einige Objekte im äußeren Sonnensystem auf die gleiche Weise von etwas bislang Unbekanntem gravitativ abgelenkt werden, sorgt seit einigen Jahren für die Vermutung, dass es dort draußen noch einen weiteren, bislang unentdeckten großen Planeten geben könnte. Physiker stellen nun jedoch eine zu diesem „neunten Planeten“ alternativen Erklärungsansatz für die gemeinsamen Bahnabweichungen vor.

Harsh Mathur, Professor für Physik an der Case Western Reserve University, und Katherine Brown, außerordentliche Professorin für Physik am Hamilton College erläutern aktuell im „Astronomical Journal“ (DOI: 10.3847/1538-3881/acef1e), dass „die gleichen Beobachtungen, die die Suche nach einem neunten Planeten ausgelöste haben, stattdessen Hinweise innerhalb des Sonnensystems auf ein modifiziertes Gravitationsgesetz sein könnten, das ursprünglich entwickelt wurde, um die Rotation von Galaxien zu verstehen“.

Hintergrund
Jenseits der Umlaufbahn des Neptun liegt der Kuiper-Gürtel, der aus kleinen Körpern aus der Zeit der Entstehung unseres Sonnensystems besteht. Neptun und die Riesenplaneten beeinflussen gravitativ die Objekte im Kuiper-Gürtel und darüber hinaus, die gemeinsam als Trans-Neptunian Objects, also als transneptunische Objekte (TNOs) bekannt sind, und die die Sonne auf nahezu kreisförmigen Bahnen umkreisen.

Bahndiagramme von 9 transneptunischen Objekten, deren Bahn von Planet Nine beeinflusst sein könnte.
Copyright: Tomruen (via WikimediaCommons) CC BY-SA 4.0

Allerdings haben Astronomen einige mysteriöse Ausreißer entdeckt. Seit 2003 wurden rund 30 TNOs auf stark elliptischen Umlaufbahnen entdeckt: Sie heben sich von den anderen TNOs dadurch ab, dass sie im Durchschnitt die gleiche räumliche Orientierung haben. Diese Art von Clustering lässt sich nicht durch die bislang bekannte Architektur des Sonnensystems mit den acht bekannten Planeten erklären und führte zu verschiedenen Hypothesen, laut derer die ungewöhnlichen Bahnen durch die Existenz eines noch unbekannten neunten Planeten beeinflusst werden könnten.

Obwohl erstmals der Astronom Scott C. Sheppard die Idee von einem weiteren großen Planeten im Sonnensystem beschrieb, wurde die Theorie erst durch die Ausführungen dazu von Mike Brown und Konstantin Batygin bekannt. Auf der Grundlage neuster Berechnungen gehen Brown und Batygin davon aus, dass Planet Nine eine Masse von rund fünf Erdenmassen und eine Umlaufbahhalbachse nur von 400 Astronomischen Einheiten (AE = Abstand Erde-Sonne) besitzt. (Zuvor waren  davon ausgegangen, dass P9 etwa 10 Erdenmassen auf die Wage bringen könnte und die Sonne 20 mal weiter als Neptun umkreise, was eine Halbachse von etwa 700 AE entsprechen würde. Damit wäre der Planet nicht nur kleiner und der Sonne deutlich näher, sondern auch gleichzeitig heller als lange Zeit gedacht (…GreWi berichtete).

Zu dieser Erkenntnis kam das Forscher-Duo, nachdem sie die Auswirkungen untersucht hatten, die die Milchstraßengalaxie auf Objekte im äußeren Sonnensystem haben würde – vorausgesetzt, die Gravitationsgesetze der als „Modifizierte Newtonsche Dynamik“ (kurz: MOND) bezeichneten Theorie würden sich auch auf Objekte des Sonnensystems übertragen lassen.

Hintergrund
Die MOND-Theorie schlägt vor, dass Isaak Newtons berühmtes Gravitationsgesetz nur bis zu einem gewissen Punkt gültig ist. Das heißt, wenn die durch Newtons Gesetz vorhergesagte Gravitationsbeschleunigung klein genug wird, ermöglicht MOND ein anderes gravitationales Verhalten. Der beobachtete Erfolg von MOND in galaktischem Maßstab ist der Grund, warum einige Wissenschaftler es auch als Alternative zu „Dunkler Materie“ betrachten, dem Begriff, den Physiker verwenden, um eine hypothetische Form von Materie zu beschreiben, die gravitative Effekte hätte, aber kein Licht emittieren würde.

„MOND erklärt galaktische Beobachtungen wirklich gut“, erläutert Mathur, „aber wir hatten nicht erwartet, dass es merkliche Auswirkungen auch auf das äußere Sonnensystem haben würde.“

Zuvor hatten Mathur und Brown die Auswirkungen von MOND auf die Dynamik von Galaxien studiert. Nachdem dann 2016 eine gemeinsame Abweichung von Objekten im äußeren Sonnensystem festgestellt wurden, die durch einen neunten Planeten (Planet Nine) erklärt werden könnten, untersuchten sie mögliche lokale MOND-Auswirkungen.

Hintergrund
Tatsächlich haben solche orbitale Eigenheiten schon zuvor zu historischen Entdeckungen geführt: Neptun wurde durch seine gravitative Beeinflussung der Umlaufbahnen nahe gelegener Objekte entdeckt; die minimale Präzession des Merkur lieferte frühe Beweise zur Unterstützung von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie und Astronomen haben die Orbitaldynamik genutzt, um auf das Vorhandensein eines supermassiven Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Galaxie zu schließen.

„Wir wollten sehen, ob die Daten, die die Hypothese von Planet Nine stützen, eine Erklärung in Sinne von MOND ausschließen würden“, so Brown. Das Ergebnis einer entsprechenden Prüfung zeigte nun aber stattdessen, dass MOND genau jene Bündelung vorhersagt, wie sie beobachtet wurde. Über Millionen von Jahren hinweg, so argumentieren der Wissenschaftler und die Wissenschaftlerin, würden die Umlaufbahnen einiger Objekte im äußeren Sonnensystem in Übereinstimmung mit dem gravitativen Feld der Galaxie gebracht.“ Als Brown und Mathur die Umlaufbahnen der Objekte aus dem Planeten-Neun-Datensatz gegen das gravitative Feld der Galaxie plotteten, war „die Ausrichtung auffällig“.

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Die Forschenden geben aktuell jedoch noch zu bedenken, dass der derzeitige Datensatz noch klein sei und dass eine beliebige Anzahl anderer Möglichkeiten sich ebenso als richtig erweisen könnte: „Andere Astronomen haben beispielsweise argumentiert, dass die orbitalen Eigenheiten das Ergebnis von Beobachtungsfehlern sind.




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Recherchequelle: CASE.edu

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Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
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