Metallischer Wasserstoff: Einzige Probe des einzigartigen Materials verschwunden!

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Mikroskopaufnahmen der Phasen bei der Erzeugung von festen metallischem Wasserstoff (r.) aus molekularem Wasserstoff (l.).
Copyright: R. Dias and I.F. Silvera

Cambridge (USA) – Kaum einen Monat ist es her, dass zwei Cambridge-Physiker die erfolgreiche erstmalige Herstellung einer seit 80 Jahren gesuchten vermeintlich stabilen metallischen Form von Wasserstoff verkündet hatten. Während das Material „unser aller Leben verändern könnte“ (…GreWi berichtete), erklären die Wissenschaftler nun, dass die einzige bislang existierende Probe in Folge einer Beschädigung der Versuchsinstrumente „verschwunden“ sei.

Wie Professor Isaac Silvera und Ranga Dias von der Harvard University im Fachjournal „Science“ (DOI: 10.1126/science.aal1579) berichtet hatten, könnte der atomar-metallische Wasserstoff grundlegende Fragen über die Natur von Materie im Allgemeinen beantworten und für eine große Bandbreite an Anwendungen, etwa als Supraleiter bei Raumtemperatur oder Supertreibstoff in der Raumfahrt genutzt werden.

„Es ist das erste Mal, dass metallischer Wasserstoff auf der Erde hergestellt werden konnte“, berichtete Silvera von seinem eigenen Forschungserfolg fasziniert: „Wenn man so will, sehen wir hier ein Material, das so noch nie auf der Erde existiert hat.“

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Um eine Kleinstprobe des Materials herzustellen, setzten die Wissenschaftler eine winzige Menge Wasserstoffgas einem Druck von 495 Gigapascal und damit höheren Druckverhältnissen im Erdkern aus: „Unter diesem extremen Druck, löst sich die Molekülbindung des normalerweise gasförmigen molekularen Wasserstoffs auf und nimmt einen festen (kristallinen) Zustand an – wird ein Metall.“ (…GreWi berichtete).

Jetzt allerdings bestätigten die Wissenschaftler nun gegenüber „ScienceAlert“, dass die einzige in den Experimente erfolgreich erzeugte Probe des atomaren metallischen Sauerstoffs bislang in einem Instrument aufbewahrt wurde, dass die Probe weiterhin bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt und unter nahezu unvorstellbar hohem Druck hielt. Während weiterer Untersuchungen seien die in diesem Instrument verwendeten Diamanten jedoch gebrochen und in der Folge dieses Schadens die Probe „verschwunden.

Wie die Forscher erläutern, bedeute dies nicht zwangsläufig, dass die Probe dabei zerstört wurde. Bei einer Dicke von nur 1,5 Mikrometern und 10 Mikrometern Durchmesser (dem Fünftel des Durchmessers eines menschlichen Haares), könnte die Probe also zwar weiterhin stabil, aber eben nicht auffindbar sein.

Ebenfalls möglich sei aber auch, dass sobald die zur Herstellung notwendigen Niedrigsttemperaturen und der enorm hohe Druck nicht mehr vorhanden waren, sich der zuvor noch metallische Wasserstoff wieder in seinen ursprünglich gasförmigen Zustand verflüchtigt hat. In diesem Fall würde dies jedoch bedeuten, dass das Material unter Raumtemperaturen eben nicht stabil wäre und damit auch nicht die revolutionären „Wundereigenschaften“ hätte, die ihm in stabiler Form nachgesagt werden.

Wäre das Material unter Raumtemperaturen stabil, so könnte metallischer Wasserstoff etwa als ein Supraleiter genutzt werden, der dann nicht mehr aufwendig gekühlt werden müsste und schon bei Raumtemperatur eingesetzt werden kann: „Das wäre geradezu revolutionär“, so Silvera und Dias und führten dazu weiter aus: „Schon bei der bisherigen Energieübertragung gehen bis zu 15 Prozent alleine während des Transports verloren. Könnte man dieses Material nun in Stromleitungen und Netzwerken einsetzten, so würde dieser Verlust wegfallen. Ein bei Raumtemperatur funktionierender Supraleiter könnte zudem unsere Transportsysteme völlig verändern, in dem magnetische Levitation (also sozusagen das Schweben) von Hochgeschwindigkeitszügen möglich wird oder Elektroautos – aber auch alle anderen elektrischen Geräte – sehr viel effizienter betrieben werden könnten. Auch für die Energieerzeugung und -speicherung bringt metallischer Wasserstoff viele Vorteile, da Supraleiter keinen Widerstand aufbauen und Energie so gespeichert werden kann, in dem Strom in supraleitenden Spulen aufrechterhalten und jeweils bei Bedarf genutzt werden kann.“

Auf diese Weise habe metallischer Wasserstoff „das Potential, das Leben auf der Erde zu verändern“, so die Forscher. Metallischer Wasserstoff könnte darüber hinaus eine Schlüsselrolle bei der Erforschung des Weltraums spielen, da er deutlich effizientere Raketenantriebe ermögliche: „Um das Material herzustellen, benötigt man zwar große Mengen an Energie. Aber es ist genau diese Energie, die bei der Rückumwandlung in molekularen Wasserstoff auch wieder freigesetzt wird“, erklärt Silvera. „Auf diese Weise entstünde der bislang kraftvollste Treibstoff überhaupt, der die mit Raketen betriebene Erforschung des Weltalls revolutionieren könnte.“

Tatsächlich erbringen bisherige Raketentreibstoffe einen sog. „spezifischen Impuls“ (s), also die Geschwindigkeit der Antriebsgase beim Verlassen der Düse, von rund 450-470 s. Metallischer Wasserstoff, so haben Wissenschaftler errechnet, könnte mehr als 1.700 s entwickeln. „Das würde uns die Erforschung des äußeren Sonnensystems erlauben oder wir könnten Raketen mit deutlichen höheren Nutzlasten nur noch mit einer statt zwei Antriebsstufen in Erdumlaufbahnen bringen.“

Durch das „Verschwinden“ der Probe sehen sich nun die Kritiker von Silvra und Dias bestätigt, die den beiden sogar schon blanken Betrug vorgeworfen hatten und nicht zuletzt auf die – bislang nicht nachgewiesene – erfolgreiche Reproduzierbarkeit der Experimente pochen.

„Leider ist die wirklich extrem kleine Probe schlichtweg verschwunden“, so Silvera gegenüber ScienceAlert abschließend. „Entweder befindet es sich noch irgendwo im raumtemperierten Labor oder der metallische Wasserstoff hat sich wieder in Form des Gases verflüchtigt.“

Allerdings sehen sich die beiden Wissenschaftler grade auch vor dem Hintergrund der Kritik durch den Verlust zum Bau eines sichereren Instruments zur Reproduktion ihrer Experimente beflügelt.

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