Mitten im Kopf: Mediziner finden bislang unbekannte Speicheldrüsen

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Mit einem neuen Scan-Verfahren entdeckten niederländischen Mediziner zwei bislang unbekannte Speicheldrüsen hinter dem Nasenrachen. Copyright/Quelle: Valstar et al., Radiotherapy and Oncology, 2020

Mit einem neuen Scan-Verfahren entdeckten niederländischen Mediziner zwei bislang unbekannte Speicheldrüsen hinter dem Nasenrachen.
Copyright/Quelle: Valstar et al., Radiotherapy and Oncology, 2020

Amsterdam (Niederlande) – Eigentlich, so möchte man meinen, sollte die Medizin alle Körperteile und Organe des Menschen kennen. Dennoch werden immer wieder bislang unbekannte Teile selbst im so gut erforschten menschlichen Körper gefunden. So auch aktuell buchstäblich mitten in unseren Köpfen. Die Entdeckung wird vermutlich zu völlig neuen Behandlungsansätzen für Tumorpatienten führen.

Wie Mediziner um Onkologen Wouter Vogel und Matthijs Valstar vom Netherlands Cancer Institute aktuell im Fachjournal “Radiotherapy & Oncology” (DOI: 10.1016/j.radonc.2020.09.034) berichten, handelt es sich um zwei bislang unbekannte Speicheldrüsen. Entdeckt wurden diese hinter dem Nasenrachen (Nasopharynx) während einer Studie mit einer neuen Scan-Methode zur Erkennung und Untersuchung von Krebs im Nacken- Kopf-, Rachen- und Zungenbereich. Tatsächlich seien die Strukturen erst jetzt und nur mit Hilfe der neuen PSMA-PET/CT-Technologie zu finden und darstellbar.

„Bislang waren drei große Speicheldrüsen bekannt (Ohr-, Unterkiefer- und Unterzungespeicheldrüse) bekannt. Im Nasenrachen sollten nach bisherigem medizinischem Wissen, eigentlich keine weiteren großen Speichedrüsen sein, waren dort bislang doch nur kleine Speicheldrüsen bekannt“, erläutert Vogel und erinnert sich weiter: „Sie können sich vielleicht unser eigenes Erstaunen vorstellen, also wir diese zusätzlichen großen Speicheldrüsen auf den Scans sahen (s. Abb. o.).“

Anatomische Darstellung der beiden „neuen“ Speicheldrüsen hinter dem Nasenrachenraum (Illu.). Quelle: Valstar et al., Radiotherapy and Oncology, 2020 / Netherlands Cancer Institute

Anatomische Darstellung der beiden „neuen“ Speicheldrüsen hinter dem Nasenrachenraum (Illu.).
Quelle: Valstar et al., Radiotherapy and Oncology, 2020 / Netherlands Cancer Institute

Nach ihrer ersten Entdeckung untersuchten die Mediziner gemeinsam mit Kollegen der Universität Utrecht 100 weitere Personen – und fanden bei allen die bislang unbekannten großen Speicheldrüsen im Nasenrachen, die die Wissenschaftler nun aufgrund der anatomischen Position der Drüsen als „tubarial glands“ (Rachenspeicheldrüsen?). Die Existenz der Drüsen konnte dann auch direkt durch Autopsien bestätigt werden.

Neben der Neuerkenntnis für die Anatomie bedeutet die Entdeckung zugleich mögliche neue Methoden zur Behandlung entsprechender Tumore in den betroffenen Bereichen: „Strahlentherapien können die Speicheldrüsen schädigen, was dann zu Komplikationen führen kann“, so Vogel. „Patienten können dadurch Probleme beim Essen, Schlucken oder Sprechen entwickeln, die wirklich zu einer großen Last werden können. (…) Und natürlich können auch diese ‚neuen’ Drüsen unter der Strahlung leiden und zu besagten Komplikationen führen.“

Gemeinsam mit Kollegen des University Medical Center Groningen (UMCG) haben die beiden Mediziner sodann Daten von 723 Patienten ausgewertet, die entsprechende Strahlentherapien durchlaufen hatten und Schlussfolgern nun, dass je mehr Strahlung auf die „neuen“ Drüsenregionen übertragen wird, desto höher die Wahrscheinlichkeit für spätere Komplikationen sei.

„Unsere Entdeckung ist also nicht nur eine anatomische Überraschung. Sie hat auch einen direkten Nutzen für betroffene Krebspatienten: Bei einer Vielzahl von Patienten sollte es zukünftig möglich sein, die Strahlung derart anzuwenden, dass die neuentdeckten Drüsen ausgespart bleiben, so wie man bereits darum bemüht ist, die bekannten Speicheldrüsen auszulassen.

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In nächsten Schritten wollen die Wissenschaftler gezielt nach Wegen suchen, wie die „neuen“ Drüsen bei Strahlentherapien ausgespart werden können, um so widrige Nebenwirkungen der Krebstherapie zu reduzieren und so die Qualität der Behandlung und des Lebens danach zu steigern.




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Quelle: Netherlands Cancer Institute

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