Camebridge (USA) – Nur wenige historische Manuskripte üben bis heute eine derart ungebrochene Faszination sowohl auf Laien wie auch auf Akademiker aus, wie das sogenannte Voynich-Manuskript. Bis heute konnten weder Sprache noch die Zeichnungen eindeutig identifiziert werden. Neue Multispektral-Scans des „unlesbaren Buches“ belegen nun, dass sich offenbar schon Universalgelehrte im 17. Jahrhundert an der Entschlüsselung des Voynich-Codes versucht haben.
Wie Lisa Fagin Davis, Direktorin der Medieval Academy of America aktuell in ihrem Blog „Manuscript Road Trip“ berichtet, wurden die Scans bereits vor etwa 10 Jahren angefertigt, aber erst jetzt erneut untersucht. Die Ergebnisse zeigen nicht nur, dass das Manuskript bereits im 17. Jahrhundert untersucht wurde, sondern damit auch, dass es sich nicht um eine spätere Fälschung, sondern tatsächlich um ein mittelalterliches Manuskript handelt.
Dank der Multispektral-Scans ist es Forscherinnen und Forschern möglich, in historischen Handschriften auch Notizen und Schriftzüge sichtbar zu machen, die für das menschliche Auge und im sichtbaren Licht heute nicht mehr zu erkennen sind – sei dies, weil sie einst absichtlich entfernt wurden oder weil Farbe und Tinte über die Jahre hinweg bis zur Unkenntlichkeit verblassten. So besitzt zum Beispiel mittelalterliche Tinte einen Eisenanteil, der tiefer in das Pergament einzieht, als andere Teile der Tinte und dessen molekulare Verbindungen unter ultraviolettem Licht (UV) zutage treten.
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Schon der namensgebende polnische Buchhändler Wilfrid Voynich hatte, nachdem er 1912 das Manuskript erstanden hatte, mit Hilfe chemischer Reaktionsmittel nur noch schwer lesbare Notizen auf einigen Blättern hervorheben können und auf diese Weise Signaturen entdeckt, die er selbst als „Jacobi à Tepenecz“, einem unter dem lateinischen Namen „Jacobus Sinapius“ bekannten Prager Alchemisten zuschrieb, der das Manuskript vermutlich Ende des 16. oder im frühen 17. Jahrhundert erstanden hatte. Voynichs Entdeckungen konnten nun auch von Fagin Davis bestätigt werden.
Für die Archivarin belegen die mittels der Multispektral-Scans zutage geförderten alten Notizen im Voynich-Manuskript aber auch, dass es sich nicht um eine spätere Fälschung, sondern tatsächlich um ein historisches Werk aus dem Spätmittelalter handelt:
„Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Fälscher aus dem frühen 20. Jahrhundert und versuchen, ein authentisch aussehendes Manuskript zu erstellen, um ahnungslose Käufer zu täuschen (so lautet zumindest das Argument). Sie finden ein unbenutztes mittelalterliches Pergament, mischen etwas Tinte und Pigmente nach mittelalterlichen Rezepten zusammen und legen los. Vielleicht kommen Sie sogar auf die Idee, eine frühneuzeitliche Signatur und Randnotizen hinzuzufügen, um die Authentizität zu unterstreichen. Aber würden Sie dann diese Anmerkungen verblassen lassen (wie würden Sie das überhaupt bewerkstelligen?), Chemikalien darüber gießen und darauf hoffen, dass sich eines Tages Bildgebungstechnologien entwickeln, die es zukünftigen Forschern ermöglichen, sie zu lesen? Natürlich nicht. Diese Argumentation widerspricht sowohl der Logik als auch der Praktikabilität. Es ist viel wahrscheinlicher, dass das Manuskript genau das ist, was die meisten glauben: ein authentisches Buch aus dem frühen 15. Jahrhundert, das Spuren seiner Geschichte von früheren Besitzern und Lesern aufweist.“
Aus der Analyse der Scans ergeben sich auch Notizen, die als Buchstaben des lateinischen Alphabets (a, b, c, d und e) identifiziert werden konnten. Fagin Davis deutet dieses als Belege für einen frühen Versuch einer Enttzifferung des Manuskripts und bemühte sich auch, den möglichen Autoren dieser Notizen zu identifizieren. Anhand der Ausführung dieser Buchstaben und einem Vergleich bekannter historischer Handschriften.
Eine deutliche Übereinstimmung fand die Wissenschaftlerin anhand eines Briefewechseln zwischen dem Prager Medicus Johannes Marcus Marci, der das Manuskript von dem Alchemisten Georg Baresch nach dessen Tod 1662 erhalten hatte, und dem Universalgelehrten Athanasius Kircher vom 12. September 1640. 1665 schickte Marci das Manuskript zu Kircher in der Hoffnung nach Rom, dass dieser das Manuskript entschlüsseln könne. Anhand der Analyse von der Handschrift zeigt sich Davis davon überzeugt, dass die Notizen von Marci stammen.
– Fagin Davis‘ ausführlichen Artikel im englischen Original mit zahlreichen weiteren und vergleichenden Abbildungen finden Sie HIER
– Die vollständingen Multispektral-Scans sind HIER online einsehbar.
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Recherchequelle: ManuscriptRoadTrip.wordpress.com
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