Multispektral-Scans des Voynich-Manuskripts zeigen: Schon Universalgelehrte versuchten sich an der Decodierung des „unlesbaren Buches“

Eine Seite des Voynich-Manuskripts im sichtbaren und im UV-Licht. Copyright/Quelle: Beinecke Llibrary Yale / The Lazarus Project / Manuscript Road Trip
Lesezeit: ca. 3 Minuten
Eine Seite des Voynich-Manuskripts im sichtbaren und im UV-Licht.Copyright/Quelle: Beinecke Llibrary Yale / The Lazarus Project / Manuscript Road Trip

Eine Seite des Voynich-Manuskripts im sichtbaren und im UV-Licht.
Copyright/Quelle: Beinecke Llibrary Yale / The Lazarus Project / Manuscript Road Trip

Camebridge (USA) – Nur wenige historische Manuskripte üben bis heute eine derart ungebrochene Faszination sowohl auf Laien wie auch auf Akademiker aus, wie das sogenannte Voynich-Manuskript. Bis heute konnten weder Sprache noch die Zeichnungen eindeutig identifiziert werden. Neue Multispektral-Scans des „unlesbaren Buches“ belegen nun, dass sich offenbar schon Universalgelehrte im 17. Jahrhundert an der Entschlüsselung des Voynich-Codes versucht haben.

Wie Lisa Fagin Davis, Direktorin der Medieval Academy of America aktuell in ihrem Blog „Manuscript Road Trip berichtet, wurden die Scans bereits vor etwa 10 Jahren angefertigt, aber erst jetzt erneut untersucht. Die Ergebnisse zeigen nicht nur, dass das Manuskript bereits im 17. Jahrhundert untersucht wurde, sondern damit auch, dass es sich nicht um eine spätere Fälschung, sondern tatsächlich um ein mittelalterliches Manuskript handelt.

Dank der Multispektral-Scans ist es Forscherinnen und Forschern möglich, in historischen Handschriften auch Notizen und Schriftzüge sichtbar zu machen, die für das menschliche Auge und im sichtbaren Licht heute nicht mehr zu erkennen sind – sei dies, weil sie einst absichtlich entfernt wurden oder weil Farbe und Tinte über die Jahre hinweg bis zur Unkenntlichkeit verblassten. So besitzt zum Beispiel mittelalterliche Tinte einen Eisenanteil, der tiefer in das Pergament einzieht, als andere Teile der Tinte und dessen molekulare Verbindungen unter ultraviolettem Licht (UV) zutage treten.

www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER können Sie den täglichen kostenlosen GreWi-Newsletter bestellen +

Schon der namensgebende polnische Buchhändler Wilfrid Voynich hatte, nachdem er 1912 das Manuskript erstanden hatte, mit Hilfe chemischer Reaktionsmittel nur noch schwer lesbare Notizen auf einigen Blättern hervorheben können und auf diese Weise Signaturen entdeckt, die er selbst als „Jacobi à Tepenecz“, einem unter dem lateinischen Namen „Jacobus Sinapius“ bekannten Prager Alchemisten zuschrieb, der das Manuskript vermutlich Ende des 16. oder im frühen 17. Jahrhundert erstanden hatte. Voynichs Entdeckungen konnten nun auch von Fagin Davis bestätigt werden.

Für die Archivarin belegen die mittels der Multispektral-Scans zutage geförderten alten Notizen im Voynich-Manuskript aber auch, dass es sich nicht um eine spätere Fälschung, sondern tatsächlich um ein historisches Werk aus dem Spätmittelalter handelt:

„Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Fälscher aus dem frühen 20. Jahrhundert und versuchen, ein authentisch aussehendes Manuskript zu erstellen, um ahnungslose Käufer zu täuschen (so lautet zumindest das Argument). Sie finden ein unbenutztes mittelalterliches Pergament, mischen etwas Tinte und Pigmente nach mittelalterlichen Rezepten zusammen und legen los. Vielleicht kommen Sie sogar auf die Idee, eine frühneuzeitliche Signatur und Randnotizen hinzuzufügen, um die Authentizität zu unterstreichen. Aber würden Sie dann diese Anmerkungen verblassen lassen (wie würden Sie das überhaupt bewerkstelligen?), Chemikalien darüber gießen und darauf hoffen, dass sich eines Tages Bildgebungstechnologien entwickeln, die es zukünftigen Forschern ermöglichen, sie zu lesen? Natürlich nicht. Diese Argumentation widerspricht sowohl der Logik als auch der Praktikabilität. Es ist viel wahrscheinlicher, dass das Manuskript genau das ist, was die meisten glauben: ein authentisches Buch aus dem frühen 15. Jahrhundert, das Spuren seiner Geschichte von früheren Besitzern und Lesern aufweist.“

Aus der Analyse der Scans ergeben sich auch Notizen, die als Buchstaben des lateinischen Alphabets (a, b, c, d und e) identifiziert werden konnten. Fagin Davis deutet dieses als Belege für einen frühen Versuch einer Enttzifferung des Manuskripts und bemühte sich auch, den möglichen Autoren dieser Notizen zu identifizieren. Anhand der Ausführung dieser Buchstaben und einem Vergleich bekannter historischer Handschriften.

Identifizierte Notizen in lateinischer Schrift, u. a. im sichtbaren und UV-LichtCopyright/Quelle: Beinecke Library Yale / The Lazarus Project / Manuscript Road Trip

Identifizierte Notizen in lateinischer Schrift, u. a. im sichtbaren und UV-Licht
Copyright/Quelle: Beinecke Library Yale / The Lazarus Project / Manuscript Road Trip

Eine deutliche Übereinstimmung fand die Wissenschaftlerin anhand eines Briefewechseln zwischen dem Prager Medicus Johannes Marcus Marci, der das Manuskript von dem Alchemisten Georg Baresch nach dessen Tod 1662 erhalten hatte, und dem Universalgelehrten Athanasius Kircher vom 12. September 1640. 1665 schickte Marci das Manuskript zu Kircher in der Hoffnung nach Rom, dass dieser das Manuskript entschlüsseln könne. Anhand der Analyse von der Handschrift zeigt sich Davis davon überzeugt, dass die Notizen von Marci stammen.

– Fagin Davis‘ ausführlichen Artikel im englischen Original mit zahlreichen weiteren und vergleichenden Abbildungen finden Sie HIER

– Die vollständingen Multispektral-Scans sind HIER online einsehbar.

WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Neue Studie sieht in Teilen des Voynich-Manuskripts geheime Darstellungen von „Frauengeheimnissen“ 18. April 2024
Ägyptologe vermeldet „Durchbruch in der Entzifferung des Voynich-Codes“ 17. Juni 2020
Und wieder Voynich: Akademiker will „unlesbares Buch“ endgültig entziffert haben 16. Mai 2019
Künstliche Intelligenz (AI) analysiert Voynich-Code 30. Januar 2018
Voynich-Manuskript: Forscher will das “unlesbare Buch” entziffert haben 11. September 2017
Forscher charakterisiert erstmals den Autor des Voynich-Manuskripts 12. Juli 2017
Haben russische Forscher den Code des Voynich-Manuskripts geknackt? 25. April 2017
Weiterer Erfolg bei der Entzifferung des Voynich-Manuskripts? Astronom identifiziert Darstellung historischer Sonnenfinsternis 2. Februar 2017
Unlesbares Buch: Sprachwissenschaftler präsentiert erstmals sprachanalytische Lösung des Voynich-Codes 21. Februar 2014
Durchbruch in der Voynich-Forschung? Forscher verorten Herkunft des „unlesbaren Buches“ in die Neue Welt 27. Januar 2014
Voynich-Manuskript: Weitere Studie findet Hinweise auf zugrunde liegende natürliche Sprache 25. Juni 2013
Dekodierung des Voynich-Manuskripts: Sprachstatistiker identifizieren erstmals Schlüsselwörter des „unlesbaren Buches“ 7. März 2013
100 Jahre älter als gedacht: Forscher bestimmen mittels C14 das Alter des Voynich-Manuskripts 12. Februar 2011
Forscher lüften einige Rätsel des Voynich-Manuskripts 8. Dezember 2009

Recherchequelle: ManuscriptRoadTrip.wordpress.com

© grenzwissenschaft-aktuell.de