Nachweis von Freon-40 im All dämpft Hoffnungen auf Molekül als Marker für außerirdisches Leben

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Darstellung des Organohalogens Methylchlorid (Freon-40), entdeckt von ALMA um die Säuglingssterne in IRAS 16293-2422. Dieselben organischen Verbindungen wurden in der dünnen Atmosphäre des Kometen 67P/ Churyumov-Gerasimenko durch das ROSINA-Instrument der ESA-Raumsonde Rosetta entdeckt.

Copyright: B. Saxton (NRAO/AUI/NSF); NASA/JPL-Caltech/UCLA

Cambridge (USA) – Bislang galt das Organohalogen Freon-40 als Marker für Leben, da Organohalogene von organischen Prozessen auf der Erde gebildet werden. Nun wurde das Molekül jedoch sowohl im Gas um einen jungen Stern als auch um einen Kometen nachgewiesen. Ein Rückschlag im Hinblick auf Hoffnungen, dass dieses Molekül ein Marker für Leben auf anderen Himmelskörpern sein kann.

Entdeckt wurde Freon-40 erstmals nun erstmals im interstellaren Raum mit der Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA) der Europäischen Südsternwarte (ESO) und auf einem Kometen von der ESA-Kometenmission „Rosetta“. Die Entdeckung legt nahe, dass Organohalogene doch nicht so gute Biomarker, also Hinweise für Lebensprozesse sind wie erhofft, sondern dass sie wichtige Bestandteile des Materials sein könnten, aus dem sich Planeten bilden.

Wie die Forscher aktuell im Fachjournal „Nature Astronomy“ (DOI: 10.1038/s41550-017-0237-7) berichten, unterstreicht der jetzt erbrachte Nachweis einmal mehr die Herausforderung, Moleküle zu finden, die eindeutig auf das Vorhandensein von Leben außerhalb der Erde hinweisen könnten.

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Geortet wurden die schwache Spuren der chemischen Verbindung Freon-40 (CH3Cl), das auch als Methylchlorid oder Chlormethan bezeichnet wird, rund um das junge Sternsystem IRAS 16293-2422, in einer Entfernung von etwa 400 Lichtjahren und durch das ROSINA-Instrument der europäischen Kometensonde „Rosetta“ bei dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko. Die neue ALMA-Beobachtung ist der erste Nachweis eines stabilen Organohalogens im interstellaren Raum überhaupt.

„Organohalogene bestehen aus Halogenen wie Chlor und Fluor, gebunden mit Kohlenstoff und manchmal auch anderen Elementen“, erläutert die ESO-Pressemitteilung und führt dazu weiter aus: „Auf der Erde entstehen diese Verbindungen durch verschiedene biologische Prozesse – in Organismen vom Menschen bis hin zu Pilzen – sowie durch industrielle Prozesse wie die Herstellung von Farbstoffen und Medikamente.“


Ungefähre Position des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko, als das ROSINA-Instrument auf der ESA-Raumsonde Rosetta Spuren von Freon-40 (Methylchlorid) entdeckt hat, dem gleichen Molekül, das ALMA um die Sternentstehungsregion IRAS 16293-2422 herum detektiert hatte.

Copyright: B. Saxton (NRAO/AUI/NSF)

Die Entdeckung einer dieser Verbindungen, Freon-40, an Orten, die die Entstehung von Leben erst noch vor sich haben, könne – so kommentieren die beteiligten Astronomen – gewissermaßen als Enttäuschung gewertet werden, da frühere Studien angedeutet hatten, dass diese Moleküle sich als Indikator für die Anwesenheit von Leben selbst eignen würden.

„Das Organohalogen-Freon-40 in der Nähe dieser jungen, sonnenähnlichen Sterne zu finden, war überraschend“, erläutert Edith Fayolle, Wissenschaftlerin am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge und Erstautorin des neuen Fachartikels. „Wir haben einfach nicht damit gerechnet, dass es sich dort schon gebildet hat und waren insbesondere auch überrascht, dass es in solch hohen Konzentrationen vorkommt. Damit ist jetzt klar, dass sich diese Moleküle leicht in solchen Sternkinderstuben bilden. Damit geben sie umgekehrt aber auch Einblicke in die chemische Evolution von Planetensystemen, einschließlich unseres Sonnensystems.

Biomarker sind besonders wichtig, wenn es um die Bestimmung bzw. die Entdeckung von Leben auf einem anderen Himmelskörper als unsere Erde geht, kann doch im besten Fall der Nachweis entsprechender Moleküle in der Atmosphäre eines anderen Planeten oder Mondes auch aus der Ferne erbracht werden und ein Indikator für dortiges Leben sein. Allerdings erwies sich die Etablierung zuverlässiger Marker bislang als ein schwieriger Prozess.

„ALMAs Entdeckung von Organohalogenen im interstellaren Medium sagt uns auch etwas über die Ausgangsbedingungen der organischen Chemie auf Planeten aus. Diese Chemie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu den Ursprüngen des Lebens“, ergänzt Karin Öberg, Mitautorin der Studie. „Organohalogene sind wahrscheinlich Bestandteil der sogenannten Ursuppe, sowohl auf der jungen Erde als auch auf im Entstehen begriffenen, fernen Gesteinsplaneten.“

Vermutlich müssen Astronomen also einen anderen Weg gehen als zunächst gedacht: „Anstatt auf das Vorhandensein von schon existierendem Leben hinzuweisen, könnten Organohalogene ein wichtiges Element in der wenig verstandenen Chemie sein, die am Ursprung des Lebens beteiligt ist“, erklärt die ESO.

Jes Jorgensen vom Niels-Bohr-Institut der Universität Kopenhagen fügt hinzu: „Dieses Ergebnis zeigt die Stärke von ALMA, bei jungen Sternen Moleküle von astrobiologischem Interesse auf einer Skala zu detektieren, auf der sich Planeten bilden können. Mit ALMA haben wir bisher Vorläufer von Zuckern und Aminosäuren in der Umgebung verschiedener Sterne gefunden. Die zusätzliche Entdeckung von Freon-40 um den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko stärkt die Verbindung zwischen der präbiologischen Chemie entfernter Protosterne und unserem eigenen Sonnensystem.“

Die Wissenschaftler verglichen auch die relativen Mengen von Freon-40, die verschiedene Chlorisotope in dem jungen Sternsystem und im Kometen enthalten – und fanden ähnliche Häufigkeiten. Demnach könnte es also sein, dass ein junges Planetensystem die chemische Zusammensetzung seiner sternbildenden Mutterwolke sozusagen „erben“ kann. Das wiederum eröffnet die Möglichkeit, dass Organohalogene während der Planetenbildung oder durch Kometeneinschläge auf Planeten in jungen Planetensystemen eintreffen könnten.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir noch viel über die Organohalogenbildung zu lernen haben“, so Fayolle abschließend. „Weitere Untersuchungen über Organohalogene in der Nähe anderer Protosterne und Kometen müssen unternommen werden, um die Antwort darauf zu finden.“

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