Neue Methode soll Atmosphären von Felsplaneten um Rote Zwerge offenbaren

Copyright: L. Hustak and J. Olmsted (STScI)
Chicago (USA) – Wenn 2021 das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) startet, wird einer der am meisten erwarteten Beiträge zur Astronomie die Erforschung von Exoplaneten sein – Planeten also, die ferne Sterne umkreisen. Zu den drängendsten Fragen in der Exoplanetenforschung gehört: Kann ein kleiner, felsiger Exoplanet, der in der Nähe eines roten Zwergsterns kreist, eine – bestenfalls lebensfreundliche – Atmosphäre halten? Gleich vier Studien zeigen nun einen neuen Weg auf, diese Frage schnell zu beantworten.
In einer Reihe von gleich vier Artikeln im via ArXiv.org und im “Astrophysical Journal“ schlägt ein Team von Astronomen eine neue Methode vor, mit der das JWST ermitteln könnte, ob ein felsiger Exoplanet eine Atmosphäre besitzt oder nicht. Die Technik, bei der die Temperatur des Planeten gemessen wird, wenn er hinter seinem Stern vorbeizieht und dann wieder sichtbar wird, ist demnach deutlich schneller als herkömmliche Methoden der atmosphärischen Detektion wie etwa die Transmissionsspektroskopie.
Identifying Candidate Atmospheres on Rocky M Dwarf Planets via Eclipse Photometry, Daniel D. B. Koll et al., 2019, Astrophysical Journal., arxiv.org/abs/1907.13138
Identifying Atmospheres on Rocky Exoplanets Through Inferred High Albedo, Megan Mansfield et al., 2019, Astrophysical Journal, arxiv.org/abs/1907.13150
Analyzing Atmospheric Temperature Profiles and Spectra of M Dwarf Rocky Planets, Matej Malik et al., 2019, Astrophysical Journal, arxiv.org/abs/1907.13135
A Scaling Theory for Atmospheric Heat Redistribution on Rocky Exoplanets, Daniel D. B. Koll, 2019, Astrophysical Journal, arxiv.org/abs/1907.13145
„Wir haben festgestellt, dass das JWST sehr leicht auf das Vorhandensein oder Fehlen einer Atmosphäre um ein Dutzend bereits bekannter felsiger Exoplaneten selbst dann schließen kann, wenn die Beobachtungszeit pro Planet weniger als 10 Stunden beträgt“, erläutert Jacob Bean von der University of Chicago, einer der Co-Autoren von drei der veröffentlichten Studien.
Astronomen interessieren sich aus mehreren Gründen besonders für Exoplaneten, die rote Zwergsterne – sogenannte Rote Zwerge – umkreisen: Bei Roten Zwergen, die kleiner und kühler als unsere Sonne sind, handelt es sich um die häufigste Art von Sternen in unserer Galaxie. Da ein Roter Zwerg klein ist, scheint ein Planet, der vor ihm vorbeizieht, einen größeren Teil des Lichts des Sterns zu blockieren, als wenn der Stern größer wäre als unsere Sonne. Dies macht es einfacher, den Planeten, der einen Roten Zwerg umkreist, mit der sogenannten „Transit“-Methode zu entdecken. Diese sucht nach kleinsten, regelmäßig sich wiederholenden Abschwächungen im Licht des Sterns, die immer dann auftreten, wenn ein Planet aus Perspektive eines irdischen Betrachters, vor der „Sonnenscheibe“ seinen Stern in einem sog. Transit vorbeizieht und dabei dessen Licht leicht abdunkelt.
Zudem produzieren Rote Zwerge auch viel weniger Wärme als unsere Sonne. Um lebensfreundliche Temperaturen aufzuweisen, muss ein dortiger Planet ganz seinen roten Zwergstern also deutlich näher umkreisen, um sich innerhalb dessen habitabler (also lebensfreundlicher) Zone zu befinden. Diese „habitable Zone“ beschreibt also jene Abstandsregion, innerhalb derer ein Planet seinen Stern umkreisen muss, damit aufgrund milder Oberflächentemperaturen flüssiges Wasser – und damit zumindest die Grundlage erdähnlichen Lebens – existieren könnte. Die lebensfreundliche Zone Roter Zwerge deutlich dichter an seinem Stern liegt (in unser Sonnensystem übertragen, läge Merkur inmitten einer solchen habitablen Zone), sind die Transits dortiger Planeten entsprechend häufiger und können somit auch öfter beobachtet werden.
Zugleich sind jedoch Planeten, die ihren Stern derart nahe umkreisen auch harten Bedingungen ausgesetzt: Junge Rote Zwerge sind sehr aktiv und jagen starke Sonnenwinde und Plasmaausbrüche (Flares) ins All. All diese Effekte können möglicherweise die Atmosphäre eines nahen Planeten schädigen oder gar gänzlich zerstören, fortreißen und nur noch einen ungeschützten nackten Felsbrocken hinterlassen. „Ein solcher Atmosphärenverlust ist die größte existenzielle Bedrohung für die Lebensfreundlichkeit von Planeten“, kommentiert Bean.
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Für die nun vorgestellte neue Methode zur Suche nach Atmosphären von Felsplaneten um Rote Zwerge besonders wichtiges Merkmal ist der Umstand, dass wohl die meisten von ihrem Stern derart nahen Planeten an ihr Zentralgestirn rotationsgebunden sind. Ähnlich wie der Erdenmond der Erde, zeigen sie also auch ihrem Stern immer die gleiche Seite und besitzen also permanente Tag- und Nachtseite. Infolgedessen sehen Astronomen bei der Transitbeobachtung verschiedene Phasen des Planeten an verschiedenen Punkten in seiner Umlaufbahn. Passiert ein derart rotationsgebundener Planet etwa die „Sonnenscheibe“ seines Sterns, sehen wir (von der Erde aus) nur seine permanente Nachtseite. Wenn der Planet aber kurz vor dem Ein- und Austritt steht oder sich gerade hinter dem Stern abzeichnet (ein Ereignis, das als „sekundäre Finsternis“ bezeichnet wird), können wir auch Teile der Tagesseite beobachten.
Hat ein felsiger Exoplanet nun keine Atmosphäre, so ist seine Tageszeit sehr heiß, so wie es bei Mond oder Merkur der Fall ist. Besitzt er jedoch eine Atmosphäre, wird erwartet, dass das Vorhandensein dieser Atmosphäre die Tagestemperatur senkt, die das JWST messen könnte. Diese Messung könnte nun auf zwei Arten geschehen: Eine dichte Atmosphäre könnte durch Winde Wärme von der Tag- zur Nachtseite transportieren. Eine dünnere Atmosphäre könnte immer noch Wolken beherbergen, die einen Teil des einfallenden Sternenlichts reflektieren und dadurch die Temperatur auf der Tageskante des Planeten senken.
„Fügen wir (in Simulationen) einem Planeten eine Atmosphäre hinzu, so senkt sich die Temperatur an der Tageskante. Wenn wir also etwas sehen, das kühler als nackter Fels ist, können wir daraus schließen, dass dies wahrscheinlich ein Zeichen für eine Atmosphäre ist“, erklärt Daniel Koll vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), der Hauptautor von zwei der veröffentlichten Studien.
Das JWST sei für diese Art der Messungen bestens geeignet, da es einen viel größeren Spiegel als andere Weltraumteleskope – wie etwa Hubble oder Spitzer – haben wird. Auf diese Weise wird mehr Licht gesammelt und so die entsprechenden Infrarotwellenlängen erfasst werden können.
Die Berechnungen der Studien zeigen, dass das JWST in der Lage sein sollte, die Wärmesignatur einer Planetenatmosphäre innerhalb von ein bis zwei sekundären Finsternissen zu erfassen. Benötigt werden also nur wenige Stunden Beobachtungszeit. Im Gegensatz dazu würde das Erfassen einer Atmosphäre durch bisherige spektroskopische Beobachtungen typischerweise acht oder mehr Transitdurchgänge pro Planet erfordern.

Copyright: NASA
Diese „Transmissionsspektroskopie“, die durch die Atmosphäre des Planeten gefiltertes Sternenlicht untersucht, leidet auch unter Interferenzen aufgrund von Wolken oder Trübungen, die die molekularen Signaturen der Atmosphäre überdecken, damit trüben und zu flachen Spektrallinien führen können. „In der Transmissionsspektroskopie sagt Ihnen eine flache Linie gar nichts“, erläutert Eliza Kempton von der University of Maryland, eine Mitautorin von drei der aktuellen Studien und führt dazu weiter aus: „Die flache Linie könnte bedeuten, dass das Universum voller toter Planeten ist, die keine Atmosphäre haben, oder dass das Universum voller Planeten mit einer ganze Reihe verschiedener, interessanter Atmosphären ist, die wir aber als solche nicht erkennen.“
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betonen zugleich, dass eine kühlere als die erwartete Tagestemperatur ein wichtiger Hinweis sei, aber nicht die Existenz einer Atmosphäre nicht eindeutig beweisen könne. „Verbleibende Zweifel am Vorhandensein einer Atmosphäre können dann mittels Folgestudien mit anderen Methoden wie der Transmissionsspektroskopie ausgeschlossen oder bestätigt werden.“
Die wahre Stärke der neuen Technik bestehe darin, festzustellen, welcher Teil der felsigen Exoplaneten wahrscheinlich eine Atmosphäre hat: Ungefähr ein Dutzend Exoplaneten, die für diese Methode in Frage kommen, wurden im vergangenen Jahr entdeckt. Wenn Webb betriebsbereit ist, werden wahrscheinlich noch mehr gefunden (sein). Schon heute findet der NASA-Planetensucher TESS (Transiting Exoplanet Survey Satellite) nahezu täglich neue derartiger Planeten.
Die von den Autoren denn auch als „sekundäre Finsternis-Methode“ bezeichneten neue Technik habe zugleich aber eine wesentliche Einschränkung: Sie funktioniert am besten auf Planeten, die zu heiß sind, um in der bewohnbaren Zone lokalisiert zu werden. Die Feststellung, ob diese heißen Planeten eine Atmosphäre haben oder nicht, habe jedoch wichtige Auswirkungen auch auf Planeten in bewohnbaren Zonen, erklärt Daniel Koll: „Wenn heiße Planeten eine Atmosphäre halten können, sollten kühlere dies mindestens ebenso können.“
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Quelle: NASA
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