Neue Physik: Neue Experimente stützen Theorie von neuer, fünfter Grundkraft
Illinois (USA) – Bereits 2021 berichtete Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Myon g-2 Experiments am Fermilab in den USA von ihren Messergebnissen einer mutmaßlichen noch unbekannten Kraft, die das Verhalten sogenannter Myonen beeinflusst. Nach erster Kritik liegen nun die Messergebnisse des zweiten Durchgangs der Untersuchungen vor. Sollten sich die Ergebnisse zusehends bestätigen, käme diese Entdeckung einer weiteren physikalischen Grundkraft der Natur und damit einer bislang verborgenen Physik gleich.
Wie das internationale Team, an dem unter anderem auch Forschende der TU Dresden beteiligt sind, aktuell in einem zur Fachpublikation eingereichten Artikel berichten, konnte die Messgenauigkeit der bisherigen Experimente nun auf das Doppelte gesteigert werden.
Hintergrund
Myonen sind Elementarteilchen, die sich wie ein Kreisel drehen, wenn sie ein Magnetfeld passieren. Die Schnelligkeit der Kreiselbewegung hängt von der Stärke ihres inneren magnetischen Moments, von g-2, ab. Im Teilchenbeschleuniger des Fermilab in Illinois werden Myonen seit 2017 in großer Zahl hergestellt und untersucht. Mit beinahe Lichtgeschwindigkeit jagen sie im Vakuum durch den Beschleunigungsring bei -230°C, also kälter als der Neptun. Im April 2021 kam der Durchbruch: Das Myon verhielt sich in hochpräzisen Messungen anders als vom physikalischen Standardmodell erwartet (…GreWi berichtete).Prof. Dominik Stöckinger und seine Frau Dr. Stöckinger-Kim von der TU Dresden sind seit Stunde Null an den Rechnungen des Myon g-2 Experiments beteiligt. „Das Verhalten des Myons lässt sich über den g-Faktor vorhersagen. Er ist im Standardmodell der Teilchenphysik festgehalten – dem weltweit anerkannten Modell zur Erklärung von Wechselwirkungen zwischen Teilchen“, erklärt Dr. Stöckinger-Kim. Prof Stöckinger führt dazu weiter aus: „Die Kreiselbewegung des Myons ist unterschiedlich, je nachdem, welche Teilchen in seiner Umgebung sind. Gewissermaßen tanzt das Myon mit den anderen Teilchen Tänze, die wir erkennen. Seit 20 Jahren werden die Berechnungen und Messungen immer genauer. Folgt man den Hypothesen von neuer Physik, könnten zum Beispiel Teilchen der dunklen Materie oder zusätzliche Higgs-Teilchen den Wert von g-2 beeinflussen. An der TU Dresden durchgeführte Berechnungen erlauben Rückschlüsse auf die Eigenschaften solcher möglichen Teilchen.“
Nachdem zuvor andere Wissenschaftler Kritik an den Messungen geäußert und publiziert hatten (…GreWi berichtete), konnte nun das mit „g-2“ bezeichnete anomale magnetische Moment des Myons deutlich genauer gemessen als jemals zuvor. Zugleich belegt die aktuelle Veröffentlichung auch, dass der Experimentaufbau fehlerfrei ist. „Dank der Datenauswertung aus den letzten Jahren konnten Unsicherheiten auf den ungeheuer kleinen Wert von 1:5 Millionen gesenkt werden.“
Nun müsse die theoretische Berechnung im Rahmen des Standardmodells eine entsprechende Genauigkeit erreichen, um die verlässliche Schlussfolgerung auf eine mögliche neue Physik zu erlauben, erläutern die Forschenden. Hierzu seien derzeit allerdings bereits internationale Anstrengungen im Gange. Noch sei offen, ob sich die Eigenschaften der Myonen vollständig durch Wechselwirkungen mit Photon, Elektron, Quarks, Neutrinos, Gluon, W-, Z- oder Higgs-Bosonen verstehen lassen, oder ob etwas Verborgenes auf das Myon wirkt.
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Bis 2025 will das Fermilab alle sechs Messjahre auswerten, um statistische Unsicherheiten weiter zu senken. Zugleich werden theoretische Physiker und Physikerinnen die Berechnungen im Rahmen das Standardmodells verbessern. „Aus vielen Gründen sind wir sicher, dass unser derzeitiges Verständnis der Physik unvollständig ist. Es könnten zusätzliche Teilchen oder verborgene subatomare Kräfte existieren“, meint Prof. Stöckinger. Die Komplexität, diese Daten zu interpretieren, ist angewachsen. Ebenso die rechnerischen Schwierigkeiten im Rahmen der Theorie. Dr. Stöckinger-Kim ist sich allerdings sicher: „Diese Auswertung könnte die Tür zu aufregenden neuen Bereichen der Wissenschaft öffnen.“
WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Bringen neue Experimente am Fermilab das Standardmodell der Teilchenphysik zusehends ins Wanken? 8. April 2021
Recherchequelle: Fermilab, TU Dresden
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