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Neue Radarscans deuten nun doch auf verborgene Kammern hinter dem Grab des Tutanchamun
Andreas Müller
5 min
Die Totenmaske des Tutanchamun. Copyright/Quelle: Aikon (via WikimediaCommons) / CC BY-SA 3.0
Kairo (Ägypten) – Nachdem bisherige Radarscans die Theorien des Archäologen Christopher Reeves zu hinter den Wänden der Grabkammer des Tutanchamun verborgenen, weiteren Kammern – vielleicht sogar des Grabes der Nofretete – bislang nicht bestätigen konnten (…GreWi berichtete), deuten neuste Radarscans nun noch auf eine bislang unbekannte Kammer hin.
Wie das Wissenschaftsjournal „Nature“ (DOI: 10.1038 / d41586-020-00465-y) unter Berufung auf einen bislang noch unveröffentlichten Bericht (den das Journal einsehen konnte) berichtet, deuten jüngste Radarscans auf eine oder mehrere versteckte Kammern hinter den Mauern des Tutanchamun-Grabes mit der Kennzeichnung „KV62“ im Tal der Könige hin und lassen damit jene kontroverse Theorie wieder aufleben, wonach die Grabstätte des einstigen Kindkönigs die Existenz eines größeren Grabes verbirgt, das vielleicht sogar die nicht weniger sagenumwobener ägyptische Königin Nofretete enthalten könnte.
Hintergrund Die bisherige Suche nach weiteren Kammern hinter den Wänden der Grabkammeranlage des Tutanchamun (KV62) im Tal der Könige ist eine Geschichte zahlreicher kontroverser Theorien und Untersuchungsergebnisse. Als einziges deutschsprachiges Nachrichtenportal berichtet Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) seither fortwährend aktuell über die neusten Entwicklungen:
Schematische Skizze der bislang bekannten Grabkammern des Tutanchamun (blau) vor dem Hintergrund der reich verzierten Nordwand, hinter der einige Archäologen unentdeckte und immer noch unentdeckte weitere Kammern vermuten (rosa). Copyright: Komp.: grenzwissenschaft-aktuell.de / verw. Materialien: gemeinfrei (Wand); GregorDS (via WikimendiaCommons), CC BY-SA 3.0
Reeves selbst verfolgt schon seit Jahren seine Theorie davon, dass es sich bei dem Grab des Tutanchamun in Wirklichkeit nur um einen Teil einer größeren Anlage handelt, die ursprünglich Tutanchamuns Stiefmutter, der nicht minder sagenumwobenen Nofretete gehören soll.
– Zunächst hieß es dann im November 2015, dass erste Infrarot- und Radar-Scans auf eine verborgene Kammer deuten würden (…GreWi berichtete 1, 2).
– Im Februar 2016 ließ sich der damalige ägyptische Tourismus-Minister Hisham Zaazou zu der Aussage hinreißen, dass die bisherigen Untersuchungsergebnisse auf einen „Raum voller Schätze“ hindeuten würden (…GreWi berichtete).
– In den folgenden Wochen bestätigten dann neue Scans japanischer Wissenschaftler verborgenen Kammern hinter den Wänden des Tut-Grabes (…GreWi berichtete 1, 2)
– Forderungen nach einer Anbohrung der reich verzierten Wände in der Grabkammer, um so Sonden einen Zugang zu den angeblich entdeckten verborgenen Kammern zu ermöglichen, widersprachen Wissenschaftler vor Ort jedoch zunächst und forderten weitere Untersuchungen (…GreWi berichtete).
Die Büste der Nofretete im Ägyptischen Museum zu Berlin. Foto: grenzwissenschaft-aktuell.de
– Während der japanische Professor Watanabe noch am vergangenen Wochenende seine Scans auf der internationalen Tutanchamun-Konferenz verteidigte, berichtete “National Geographic News” selbst bereits am Folgetag über die übereinstimmende Kritik verschiedener Archäologen und Bodenradarexperten an der Interpretation der Daten im Sinne dahinter verborgener Kammern und deren Inhalt. Die Kontroverse um die Interpretation der Ergebnisse und Daten war eröffnet.
Laut „Nature“ wurden die Bodenradarscans (Ground Penetrating Radar, GPR) unter der Leitung des Archäologen Mamdouh Eldamaty, eines ehemaligen ägyptischen Ministers für Altertümer, rund um Tutanchamuns Grab durchgeführt und hätten „wenige Meter von der Grabkammer entfernt einen bisher unbekannten korridorartigen Raum identifiziert“. Die Ergebnisse dieser Arbeiten seien Anfang dieses Monats dem Obersten Rat für Altertümer (SCA) in Ägypten vorgelegt worden.
Vermutlich handelt es sich um die Ergebnisse von Arbeiten, über die Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) als einziges deutschsprachiges Nachrichtenportal unter Berufung auf ägyptische Medienmeldungen im Juli 2019 berichtet hatte.
Die Möglichkeit zusätzlicher Kammern außerhalb des bekannten Tutanchamun-Grabes wurde zuvor von mehreren Teams untersucht, die häufig mit privaten Unternehmen zusammenarbeiten. Allerdings haben diese Untersuchungen zu stets widersprüchlichen Ergebnissen geführt (…GreWi berichtete, siehe „Hintergrund“ o.), weshalb viele Forscher die Idee bereits schon wieder verworfen haben.
Schaubild zur Lage der 2019 detektierten Anomalie (farblich) im vergleich zu den zuvor von Reeves vermuteten Kammern (rosa). Copyright/Quelle: Nature
Eldamatys Team habe nun jene Theorie untersucht, wonach das 1922 entdeckte Grab des Tutanchamun für ein königliches Begräbnis ungewöhnlich klein sei und wohlmöglich weitere Kammern – und vielleicht sogar das bis heute unbekannte Grab der Nofretete (Tutanchamuns Schwiegermutter) verberge. Tatsächlich glauben einige Ägyptologen, dass Nofretete unmittelbar vor Tutanchamuns Regierungszeit im 14. Jahrhundert v. Chr. Kurzzeitig als Pharao regierte.
Wie „Nature“ weiterhin berichtet, habe das Team um Eldamaty „einen langen Raum im Grundgestein einige Meter östlich in der gleichen Tiefe wie Tutanchamuns Grabkammer und parallel zum Eingangskorridor des Grabes verlaufend entdeckt. Der Raum scheint etwa zwei Meter hoch und mindestens 10 Meter lang zu sein.“ Bislang sei jedoch noch nicht sicher, ob der Raum direkt mit Tutanchamuns Grab verbunden ist oder ob es Teil eines anderen nahe gelegenen Grabes ist. „Die Forscher argumentieren, dass seine Ausrichtung senkrecht zur Hauptachse von KV62 darauf hindeutet, dass eine Verbindung besteht, da nicht verbundene Gräber dazu neigen, in verschiedenen Winkeln ausgerichtet zu sein.“
Allerdings berichtet das Journal auch, dass nicht jeder Ägyptologe ist überzeugt sei: „Zahi Hawass, ein weiterer ehemaliger Minister für Altertümer, sagt, dass die Verwendung geophysikalischer Techniken zur Suche nach Gräbern in Ägypten schon zuvor falsche Hoffnungen geweckt hat, und er argumentiert, dass solche Arbeiten nicht fortgesetzt werden sollten.“ Tatsächlich sei mit Hilfe von Bodenradar in Ägypten noch keine bedeutende Entdeckung gemacht worden, behaupte Hawass weiter. Hawass sucht schon lange nach neuen Gräbern, und schon seit Jahren selbst auch nach dem Grab der Nofretete, verwendet dazu jedoch konventionellere Techniken (…GreWi berichtete). Gegenüber „Nature“ berichtete der Hawass weiter, er habe 2019 das Gebiet nördlich von KV62 ausgegraben, um hier nach Grabeingängen zu suchen, hier aber nichts gefunden habe.
Nicholas Reeves selbst bezeichnet die neuen Daten, gegenüber „Nature“ als faszinierend, gesteht zugleich aber ein, dass sie nicht das bestätigen, was er erwartet hatte, als er mögliche versteckte Kammern nördlich von Tutanchamuns Grab vortetet habe. Reeves, der als erster vorschlug, dass es eine Erweiterung für KV62 gibt, glaubt jedoch immer noch, dass Nofretete irgendwo im Inneren verborgener Kammern jenseits des Tutanchamun-Grabes zu finden sein wird. Alternativ dazu schlagen andere Archäologen vor, dass es sich auch um das Grab von Tutanchamuns Frau Ankhesenamun handeln könnte, das ebenfalls noch nicht gefunden wurde. Ganz gleich welches Grab sich eventuell hinter dem des Tutanchamun verbirgt, die Chance ist hoch, dass es bislang unversehrt und noch intakt ist.
„Sollte Nofretete als Pharao begraben worden sein, so könnte dies die größte archäologische Entdeckung aller Zeiten sein“, hofft Reeves und fordert angesichts zunehmender Hinweise und Belege für verbogener Kammern die Einberufung einer internationalen Expertenkonferenz, um die nächsten Schritte sorgfältig abzuwägen und zu prüfen.
Abschließend verweist „Nature“, dass die ägyptische Altertumsbehörde bislang auf Anfragen und die Bitte um einen Kommentar in der Sache nicht reagiert habe.
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