Neue Studie: Erst der Einschlag von Meteoriten ermögliche Leben auf der Erde
Tübingen (Deutschland) – Eine aktuelle Studie Tübinger Wissenschaftler belegt einmal mehr, dass ein Großteil des Wassers und Kohlenstoffs im Erdmantel ursprünglich aus dem äußeren Sonnensystem stammt. Die Grundlagen für das irdische Leben kamen also einst von außen auf unseren Planeten.
Wie das Forscherteam um Dr. María Varas-Reus, Dr. Stephan König, Aierken Yierpan und Professor Ronny Schönberg aus der Isotopengeochemie der Eberhard Karls Universität Tübingen gemeinsam mit Dr. Jean-Pierre Lorand von der Université de Nantes aktuell im Fachjournal „Nature Geoscience“ (DOI: 10.1038/s41561-019-0414-7) berichtet, brachten also Meteoriten aus dem äußeren Sonnensystem in der späten Entwicklungsphase unserer Erde Wasser, Kohlenstoff und andere flüchtige Stoffe in großer Menge in den Erdmantel ein. Erst dadurch wurde die Erde lebensfreundlich.
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Den Nachweis führen sie über Isotopenmessungen des chemischen Elements Selen mit einem Verfahren, das kürzlich an der Universität Tübingen erst entwickelt wurde. Gleiche Isotopensignaturen im Gestein des Erdmantels und bei bestimmten Typen von Meteoriten verrieten den Forschern die Herkunft des Selens sowie von großen Mengen Wasser und anderer für das irdische Leben notwendiger Stoffe.
Tatsächlich dürfte Selen im Erdmantel eigentlich gar nicht zu finden sein, erläutern die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und führe dazu weiter aus: „Es wird von Eisen angezogen. Daher ging es in der Frühgeschichte unseres Planeten in den eisenreichen Kern der Erde ein und wurde so dem Erdmantel entzogen. Die vorherigen Selensignaturen wurden dort vollständig gelöscht.“ Das Selen, das heute im Erdmantel zu finden ist, müsse daher nach der Entstehung des Erdkerns hinzugekommen sein. „Sozusagen im letzten Moment der Erdentstehung, nachdem sich auch unser Mond gebildet hatte.“ Eine genaue Zeitangabe ist hingegen schwierig. Die Forscher vermuten, dies könne zwischen 4,5 und 3,9 Milliarden Jahren vor heute gewesen sein.
Für ihre Studie entnahmen die Wissenschaftler an verschiedenen Stellen Proben von Erdmantelgestein, das durch plattentektonische Prozesse an die Oberfläche gelangte und dort hinsichtlich seiner Selenisotopie seit der Erdentwicklung unverändert geblieben war. In einem nächsten Schritt bestimmten sie dann darin die Isotopensignaturen des Selens. Als Isotope werden Atome des gleichen chemischen Elements mit unterschiedlichem Gewicht bezeichnet. „Selenisotopenmessungen bei hohen Konzentrationen sind schon länger möglich, etwa bei Proben aus Flüssen“, erläutert Varas-Reus. „Im Gestein ist jedoch die Selenkonzentration sehr gering. Es muss bei hohen Temperaturen herausgelöst werden, und Selen ist flüchtig. Das macht die Messungen schwierig.“ Mit dem unter Stephan König neu entwickelten Verfahren ist erst seit kurzem die Messung der Selenisotope aus Gestein überhaupt erst möglich.
Tatsächlich ist due Grundvermutung, wonach Meteoriten dem Erdmantel Stoffe hinzugefügt haben, nicht neu. Bislang wurden in den Überlegungen und Untersuchungen jedoch eher auf Meteoriten aus dem inneren Sonnensystem berücksichtigt. Die aktuellen Ergebnisse zeigen nun aber, dass die Selenisotopensignaturen aus dem Erdmantelgestein sehr präzise mit einem bestimmten Steinmeteoritentyp aus dem äußeren Sonnensystem – sogenannten kohligen Chondriten – übereinstimmten. Diese finden sich im Sonnensystem jenseits des Asteroidengürtels, stammen also aus dem Bereich der Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun.
Auch die neben Selen sonstigen, von kohligen Chondriten beim Einschlag auf der frühen Erde eingebrachten Elemente, konnte das Forschungsteam quantifizieren: „Nach unseren Berechnungen stammen rund 60 Prozent des heute auf der Erde vorhandenen Wassers aus dieser Quelle. Nur so konnten sich Ozeane bilden“, sagt Varas-Reus und fügt abschließend hinzu: „Weitere flüchtige Stoffe aus den Meteoriten trugen zur Entstehung der schützenden Erdatmosphäre bei. So wurden die Voraussetzungen geschaffen, dass sich auf der Erde das Leben in seiner heutigen Form entwickeln konnte.“
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