Wien (Österreich) – Auf ihrer Generalversammlung hat sich die Internationale Astronomische Union (IAU) auf einen neuen und noch präziseren Referenzrahmen für Richtungsangaben im Weltraum geeinigt. Dieser bestimmt zukünftig, wo im All oben und unten ist, leitet Raumschiffe und Sonden zielgerichteter durchs All und hilft dabei, die Präzession der Erdrotationsachse oder das Wandern der Pole zu untersuchen.
Wie die an der Erstellung maßgeblich beteiligte Technische Universität Wien (TU Wien) berichtet, basiert der himmelfeste Referenzrahmen „ICRF3“ (International Celestial Reference Frame 3) auf der präzisen Vermessung von über 4.000 extragalaktischen Radioquellen:
„So wie man bei der Vermessung von Berggipfeln ein Referenzsystem benötigt (etwa die Längen- und Breitengrade der Erde und die Höhe vom Meeresniveau aus gemessen), muss man sich auch für Richtungsangaben im Weltraum auf ein verlässliches Referenzsystem einigen.“
Tatsächlich sei die Verwendung der bekannten Fixsterne, die viele vom Blick an den Nachthimmel kennen, dafür aber keine gute Idee, erklärt Prof. Johannes Böhm vom Department für Geodäsie und Geoinformation der TU Wien: „Sie verschieben sich im Lauf der Zeit ein kleines bisschen gegeneinander, sodass man alle paar Jahre ein neues Referenzsystem definieren müsste, um die nötige Genauigkeit zu erhalten.“
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Anders extragalaktische Radioquellen: „Wir kennen heute hunderttausende Objekte im Weltraum, die extrem intensive, langwellige Strahlung aussenden“, erläutert Böhm weiter. „Dabei handelt es sich um supermassereiche Schwarze Löcher im Zentrum fremder Galaxien, auch Quasare genannt, die teilweise Milliarden Lichtjahre von uns entfernt sind.“
Diese Strahlungsquellen sehen von der Erde betrachtet praktisch punktförmig aus, und eignen sich aufgrund ihrer gewaltigen Entfernungen optimal zum Festlegen eines weltweit gültigen Referenzsystems, da vergleichsweise kleine Verschiebungen zwischen den Quasaren kaum ins Gewicht fallen.
Allerdings ist, um die größtmögliche Präzision zu erreichen, jedoch einiges an Aufwand nötig: „Es genügt nicht, mit einem Radioteleskop ein Bild aufzunehmen, und daraus die Richtung der Radioquelle abzulesen. Stattdessen werden die Daten unterschiedlicher Radioteleskope miteinander verglichen“, erläutert die Pressemitteilung der TU Wien weiter: „Jede Radioquelle liefert ein Signal mit einem gewissen Rauschen. Wenn man dieses Rauschen gleichzeitig mit zwei verschiedenen Radioteleskopen misst, die idealerweise tausende Kilometer voneinander entfernt sind, dann kann man die Zeitdifferenz zwischen dem Eintreffen des Signals am ersten und am zweiten Radioteleskop sehr genau bestimmen. Und daraus wiederum lässt sich dann die Richtung, aus der das Signal kommt, mit extremer Präzision berechnen.“
Mittlerweile können Astronomen jedoch die Position der Radioquellen am Sternenhimmel mit einer Genauigkeit von etwa 30 Mikro-Bogensekunden angeben, was in etwa dem Durchmesser eines Tennisballs auf dem Mond entspricht – von der Erde aus gesehen.
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