Neuentdeckter europäischer Höhlenfisch offenbart Evolution im Eiltempo
Erwachsene männliche Höhlenschmerle mit 8,5 Zentimeter Körperlänge.
Copyright: Joachim Kreiselmaier, Freunde der Aachhöhle e.V.
Konstanz (Deutschland) – Evolution, also die Anpassung einer Lebensform an ihre Lebensraum, gilt allgemein als ein überaus langwieriger Vorgang. Doch immer wieder zeigen Ausnahmen, dass es offenbar auch anders – schneller geht. So auch der aktuell als Sensationsfund beschriebene erste und einzig bekannte Höhlenfisch Europas: Innerhalb von nur 20.000 Jahren haben sich gewöhnliche Schmerlen zu perfekt an den unterirdischen Lebensraum angepassten Höhlenfischen entwickelt.
Wie das Team aus Wissenschaftlern und Höhlentauchern der Universitäten Konstanz und Oldenburg, dem Max-Planck Institut für Evolutionsbiologie sowie des Leibnitz-Instituts für Gewässerschutz und Binnenfischerei aktuell im Fachjournal „Current Biology“ (DOI: 10.1016/j.cub.2017.02.048) berichten, waren Höhlenfische bisher zwar von anderen Kontinenten bekannt, fehlten in Europa jedoch gänzlich.
Der Fisch wurde jedoch nicht auf dem Balkan gefunden, wo die meisten europäischen Höhlentiere leben, sondern in einem Gebiet, wo es niemand auch nur vermutet hätte – in Deutschland. „Wir nehmen an, dass in dem 250 Quadratkilometer großen Versickerungsbereich der Donau, der in der Aachquelle nördlich des Bodensees mündet, eine große Population Höhlenfische lebt“, erläutert die Privatdozentin Dr. Jasminca Behrmann-Godel von der Universität Konstanz.
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Dass derart nördlich überhaupt Höhlenfische zu finden sind, sei mehr als unerwartet, habe man bislang doch angenommen, „dass Höhlenfische nur dort vorkommen, wo die Gletscher der Eiszeit nicht alles Leben unter sich begraben haben“, so die Forscher.
Die Untersuchungen der neuentdeckten Höhlenfischart, eine Schmerle, lassen vermuten, dass sich diese tatsächlich erst nach der Eiszeit ins Dunkel gewagt hat und dort zu einem sog. Troglodyten, also einem „Höhlenbewohner“, wurde. „Mit dem Rückzug des Gletschers ist das System für Fische erst besiedelbar geworden. Irgendwann nach dem Ende der Würmeiszeit, vor maximal 20.000 Jahren, müssen sie dort eingewandert sein, und zwar aus der Donau, das können wir aus unseren genetischen Analysen klar sehen“, erklärt Prof. Dr. Arne Nolte von der Universität Oldenburg und vom Max-Planck Institut für Evolutionsbiologie Plön.
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In einer evolutionär erstaunlich kurzen Zeit haben sich die Fische danach zu echten Höhlenfischen entwickelt: „Die Augen sind stark reduziert, fast als wären sie nach innen gestülpt. Auch die Färbung ist fast verschwunden. Die Fische haben verlängerte Tastfortsätze am Kopf, sogenannte Barteln, und die Nasenöffnungen sind größer als bei ihren oberirdischen Verwandten“, beschreibt Dr. Jörg Freyhof vom Leibnitz-Institut für Gewässerschutz und Binnenfischerei (IGB) die „neuen“ Merkmale der Höhlenschmerlen.
Das Forscherteam sieht in seiner Entdeckung „einen echten Schatz (…), wenn es darum geht, die Evolution schneller Anpassungen besser zu verstehen.“ Die spektakuläre Entdeckung zeige schließlich, „dass sich sogar in Deutschland, einem der besterforschten Länder der Welt, immer noch etwas Neues finden lässt“.
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