Nicht (nur) menschlich: Auch Schimpansen besitzen soziale Kulturen

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Symbolbild: Schimpansen
Copyright: suju (via Pixabay.com), CC 0

Leipzig (Deutschland) – Soziale Kulturen galten bislang als eine dem Menschen einzigartige Fähigkeit. Eine aktuelle Studie über das Sozialverhalten von getrenntlebenden Gruppen von Schimpansen zeigt nun jedoch Unterschiede in eben diesem Sozialverhalten, wie sie über die Zeit hinweg stabil sind. Diese Unterschiede könnten das Ergebnis von kulturellem Lernen sein.

Wie eine internationale Forschungsgruppe um Prof. Dr. Daniel Haun vom Leipziger Forschungszentrum für frühkindliche Entwicklung (LFE) an der Universität Leipzig aktuell im Fachjournal „„Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ (PNAS; DOI: 10.1073/pnas.1722614115)“ berichtet, haben sie über drei Jahre hinweg vier Gruppen von Schimpansen in der Chimfunshi Wildlife Orphanage in Sambia erforscht und während dieser Zeit verschiedene Aspekte ihres Sozialverhaltens untersucht – zum Beispiel, wie viele Individuen in temporären Kleingruppen zusammenleben, wie räumlich nah Individuen sich gegenseitig durchschnittlich sind und wie häufig sie gegenseitige Fellpflege betreiben.

„Die Gruppen zeigten die größten Unterschiede in der Anzahl an Individuen, mit denen sie Zeit verbringen, auch bekannt als die Subgruppengröße“, erläutert die Pressemitteilung der Leipziger Universität und führt dazu weiter aus: „Zwei der Gruppen formten signifikant größere Subgruppen als die anderen beiden Gruppen. Die geselligste Gruppe zeigte sich auch in den anderen Aspekten sozialer. Die Schimpansen in diesen Gruppen waren durchschnittlich räumlich näher beieinander und betrieben viel häufiger gegenseitige Fellpflege als die anderen Gruppen.“

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Die Bedingungen in diesem Schimpansenschutzgebiet boten den Forschern die einzigartige Möglichkeit, kulturelle Unterschiede bei Schimpansen zu untersuchen. Während in früheren Studien meist Gruppen wilder Schimpansen miteinander verglichen wurden, die in unterschiedlichen Umgebungen leben und große genetische Unterschiede aufweisen, konnten die Forscher in Chimfunshi den Einfluss dieser Faktoren auf die beobachteten Verhaltensunterschiede zwischen Gruppen nicht ausschließen. Da die Schimpansen in Chimfunshi alle in derselben Umgebung leben und es keine systematischen genetischen Unterschiede zwischen ihnen gibt, haben Forscher so die Möglichkeit zu untersuchen, inwiefern andere Prozesse, wie soziales Lernen, Unterschiede zwischen Schimpansengruppen erklären können.

„Obwohl wir die Ursprünge dieser Unterschiede in dieser Studie nicht direkt untersucht haben, wissen wir, dass Schimpansen sozial voneinander lernen können und, dass Primaten ihr Sozialverhalten an ihren Kontext anpassen können“, erläutert Haun und führt weiter aus: „Die Individuen in den jeweiligen Gruppen haben möglicherweise Interaktionsmuster anderer Schimpansen beobachtet, wie die allgemeine Nähe und die Häufigkeit von Fellpflege und sie sozial gelernt.“

Hintergrund
In dem Schimpansen-Schutzgebiet Chimfunshi leben über einhundert gerettete Schimpansen und ihre Nachkommen. Das Forschungsteam arbeitet seit über zehn Jahren mit den Schimpansen und erforscht unterschiedliche Aspekte ihres Verhaltens und ihrer Kognition, wie zum Beispiel ihre Neigung zu Konformität, die Entstehung und Weitergabe von kulturellen „Trends“ und ihr Trauerverhalten.

„Wir konnten über die Jahre eine große Variabilität im Verhalten der Schimpansen in Chimfunshi beobachten. Diese aktuelle Studie zeigt einen Teil des Ausmaßes und der Stabilität der Unterschiede in der allgemeinen Geselligkeit und bietet uns eine Grundlage, um zu verstehen, wie diese Unterschiede andere Verhaltensweisen wie Kooperation und Prosozialität beeinflussen könnten“, so Haun abschließend.

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