Niederfrequenter Gravitationswellen-Hintergrund eröffnet einen neuen Zugang zum Universum

Copyright/Quelle: Daniëlle Futselaar (artsource.nl) / MPIfR
Bonn (Deutschland) – Nach 25 jähriger Beobachtungszeit mit sechs der empfindlichsten Radioteleskope der Welt hat ein Team europäischer und japanischer Astronomen und Astronominnen einhergehend mit unabhängigen Beobachtungsergebnissen indischer Pulsar-Astronomen Beweise für Gravitationswellen bei extrem niedrigen Frequenzen im Nanohertz-Bereich gefunden. Dieser Gravitationswellen-Hintergrund könnte von Paaren extrem massereicher Schwarzer Löcher in den Zentren verschmelzender Galaxien stammen. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sprechen von einem „entscheidenden Meilenstein zur Erschließung eines neuen, astrophysikalisch bedeutenden Bereichs des Gravitationswellen-Spektrums“.
Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des europäischen Pulsar-Timing-Array (EPTA) in Zusammenarbeit mit indischen und japanischen Kolleginnen und Kollegen der indischen Pulsar-Timing-Array (InPTA) aktuell in einer Reihe von Artikeln im Fachjournal „Astronomy and Astrophysics“ berichten, basieren die Ergebnisse auf Beobachtungen über einen Zeitraum von 25 Jahren. Laut der Pressemitteilung des an den europäisch-japanischen Beobachtungen beteiligten Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) lassen die Daten auf neue Erkenntnisse in Bezug auf die Entstehung und Entwicklung unseres Universums und seiner Galaxien hoffen.
Die EPTA (European Pulsar-Timing-Array) ist ein Zusammenschluss von Forschenden aus mehr als zehn Institutionen in ganz Europa und bringt Astronomen und theoretische Physiker zusammen, welche die Beobachtungen der extrem regelmäßigen Pulse von einer besonderen Art erloschener Sternen, sogenannten Pulsaren, nutzen, um einen Gravitationswellen-Detektor von der Größe einer Galaxie zu aufzuspannen.

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„Pulsare sind hervorragende natürliche Uhren. Wir nutzen die unglaubliche Regelmäßigkeit ihrer Signale, um nach winzigen Veränderungen in ihrem Ticken zu suchen und so die minimalen Dehnungen und Stauchungen der Raum-Zeit durch Gravitationswellen aus dem fernen Universum nachzuweisen“, erklärt Dr. David Champion, leitender Wissenschaftler am MPIfR in Bonn.
Hintergrund: Pulsare
Pulsare sind die Überreste massereicher Sternexplosionen, bei denen der Kern als Neutronenstern überlebt hat. Es sind sehr kompakte Objekte von 1,5 Sonnenmassen innerhalb eines Radius von 13 km. Die schnellsten Pulsare rotieren mit einer Geschwindigkeit von 700 Umdrehungen pro Sekunde und senden von ihren Magnetpolen einen Strahl aus. Aus der Sicht eines Beobachters verhalten sie sich damit wie kosmische Leuchttürme. Radioteleskope nehmen sie als eine Reihe von Impulsen oder „Ticks“ wahr, die in sehr regelmäßigen Abständen eintreffen und ein natürliches und präzises uhrähnliches Signal darstellen. Es wird erwartet, dass ein solches Uhrensignal durch niederfrequente Gravitationswellen gestört wird. (Quelle: MPIfR)
Auf diese Weise dienen insgesamt 25 ausgewählte, in der gesamten Milchstraße verteilten Pulsare also als Messeinheiten eines gewaltigen Gravitationswellen-Detektors, der so Untersuchungen von Gravitationswellen-Frequenzen ermöglicht, die weit unter denen in anderen Experimenten gemessenen liegen. „Die Beobachtungen werfen Licht auf das Gravitationswellen-Universum im Nanohertz-Bereich und enthüllen einzigartige Quellen und neue Phänomene“, so die Forschenden.

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„Im Zentrum von Galaxien lauern supermassereiche Schwarze Löcher, die mehrere Millionen Mal schwerer sind als die Sonne. Wenn die Pulse der Pulsare zur Erde gelangen, werden sie von den schwachen, weit entfernten Echos der Gravitationswellen geprägt, die von diesen monströsen Schwarzen Löchern ausgesendet werden“, sagt Dr. Aditya Parthasarathy, Forscher am MPIfR. Diese Echos enthalten Informationen über die kosmische Population supermassereicher binärer Schwarzer Löcher, die sich bei der Verschmelzung von Galaxien bilden und ein neues Fenster ins Universum eröffnen.
Diese Ergebnisse basieren auf jahrzehntelangen koordinierten Beobachtungskampagnen mit den fünf größten Radioteleskopen in Europa: dem 100-m-Radioteleskop Effelsberg in Deutschland, dem Lovell-Teleskop in Großbritannien, dem Nançay-Radioteleskop in Frankreich, dem Sardinia-Radioteleskop in Italien und dem Westerbork-Radiosyntheseteleskop in den Niederlanden.
Hierzu nehmen die beteiligten Teleskope einmal im Monat gemeinsam Daten auf. Diese Beobachtungen wurden auch durch Daten der Indian Pulsar-Timing-Array (InPTA) ergänzt, was zur Entwicklung eines einzigartigen empfindlichen Datensatzes geführt hat.
Dr. Yajun Gou, Forscherin am MPIfR, erklärt die Bedeutung: „Unsere Teleskope haben die Pulsare sehr oft und über einen sehr langen Zeitraum hinweg beobachtet. Wir können Frequenzen der Gravitationswellen aufspüren, die so langsam sind wie eine Schwingung alle 30 Jahre, was die Empfindlichkeit gegenüber Doppelsternsystemen mit Schwarzen Löchern mit Umlaufzeiten von bis zu 50 Jahren verbessert.“ Im Gegensatz dazu ermöglicht die hohe zeitliche Dichte der Daten die Untersuchung von Frequenzen, die bis zu 100 Schwingungen pro Monat betragen. Doktorand Jiwoon Jang übersetzt: „Wir können Doppelsysteme von Schwarzen Löchern mit Umlaufzeiten von wenigen Jahren bis zu Monaten herunter untersuchen.“
Desweiteren wurden die Daten und die Bekanntgabe der EPTA-Ergebnisse mit ähnlichen Veröffentlichungen anderer Kollaborationen weltweit, etwa der australischen, der chinesischen und der nordamerikanischen Pulsar-Timing-Array (PTA)-Kollaborationen, abgekürzt PPTA, CPTA bzw. NANOGrav, abgestimmt. Entsprechend sicher sind sich die Astronomen und Astronominnen denn auch, dass es sich bei dem, was sie sehen, um Signaturen von Gravitationswellen handelt.
Allerdings erfüllt die nun publizierte Datenlage immer noch nicht den wissenschaftlichen Goldstandard, um als eindeutiger Beweis anerkannt zu werden. Forschende der meisten führenden PTAs führen jedoch ihre Datensätze unter der Schirmherrschaft des International Pulsar-Timing-Array zusammen. Ziel ist es, die aktuellen Datensätze zu erweitern, indem ein Netzwerk von über 100 Pulsaren genutzt wird, die mit dreizehn Radioteleskopen beobachtet wurden, und mehr als 1000 Beobachtungen für jeden Pulsar bündeln. Diese Daten sollten es den Forschenden ermöglichen, einen unwiderlegbaren Beweis für das Vorhandensein eines Gravitationswellen-Hintergrunds bei Nanohertz-Frequenzen zu erbringen.
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Recherchequelle: MPFiR
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