NO2: NASA will nach außerirdischer Luftverschmutzung suchen

Copyright: NASA / Jay Freidlander
Greenbelt (USA) – Bei der Suche nach uns nahen außerirdischen Zivilisationen will die US-Raumfahrtbehörde NASA neue Wege gehen: Vorausgesetzt, solche Zivilisationen haben sich ähnlich entwickelt wie wir, so ist damit zu rechnen, dass auch in den Atmosphären dieser Welten industrielle Umweltgifte vorherrschen. Ob und wie diese Umwelt- und Luftverschmutzung mit der nächsten Generation von Groß- und Weltraumteleskopen gefunden werden kann, hat nun eine Studie eruiert.
Wie die NASA berichtet, untersuchte die Studie von Forschenden um Ravi Kopparapu vom Goddard Space Flight Center der NASA das Vorhandensein von Stickstoffdioxidgas (NO2), das auf der Erde neben nicht-industriellen Quellen wie Biologie, Blitz und Vulkanen hauptsächlich durch Verbrennung fossiler Brennstoffe erzeugt wird.
„Auf der Erde wird der größte Teil des Stickstoffdioxids durch menschliche Aktivitäten freigesetzt – etwa durch Verbrennungsprozesse wie Fahrzeugemissionen und von Kraftwerken mit fossilen Brennstoffen“, so Kopparapu und führt dazu weiter aus: „In der unteren irdischen Atmosphäre (etwa 10 bis 15 Kilometer) dominiert NO2 aus menschlichen Aktivitäten im Vergleich zu nichtmenschlichen Quellen. Daher könnte die Beobachtung von NO2 auf einem potenziell lebensfreundlichen Planeten auf das Vorhandensein einer industrialisierten Zivilisation hinweisen.“
Kopparapu ist Hauptautor eines Fachartikels zur Studie, der in einer kommenden Ausgabe des“Astrophysical Journal“ erschienenn wird, vorab aber schon via ArXiv.org veröffentlicht wurde.
Hintergrund
Bis heute haben Astronomen über 4.000 Planeten gefunden, die andere Sterne umkreisen, sogenannte Exoplaneten. Einige haben möglicherweise Bedingungen, die für Leben geeignet sind, wie wir es kennen, und auf einigen dieser lebensfreundlichen Welten hat sich das Leben möglicherweise so weit entwickelt, dass es eine technologische Zivilisation hervorbringt. Da Planeten um andere Sterne so weit entfernt sind, können Wissenschaftler bislang dort nicht direkt nach Lebenszeichen oder Zivilisation suchen, etwa indem sie Raumschiffe zu diesen fernen Welten schicken. Stattdessen müssen sie leistungsstarke Teleskope verwenden, um zu sehen, was sich in der Atmosphäre von Exoplaneten befindet.
(Quelle: NASA)
Ein möglicher Hinweis auf Leben könnte eine Kombination von bestimmten biologischen Gasen wie Sauerstoff und Methan in der Atmosphäre sein. In ähnlicher Weise könnte das Vorhandensein von Gasen, die als Nebenprodukte industrieller Prozesse wie NO2 dann nicht als als erstere Bio- sondern als Techno(logie)signaturen betrachtet werden – als ein Zeichen also für industriell-technologische Prozesse auf einem Planeten.
In ihrer Studie zeigen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen um Kopparapu erstmals, dass auch NO2 als mögliche Technosignatur dienen kann. „Andere Studien haben Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) als mögliche Technosignaturen untersucht. Hierbei handelt es sich um Industrieprodukte, die häufig als Kältemittel verwendet wurden, bis sie aufgrund ihrer Rolle beim Ozonabbau ausliefen“, sagte Jacob Haqq-Misra vom Blue Marble Institute of Science in Seattle und Mitautor des Artikels. „FCKWs sind auch starke Treibhausgase, mit denen ein Planet wie etwa der Mars durch zusätzliche Erwärmung der Atmosphäre terraformiert werden könnte. Soweit wir wissen, entstehen FCKWs überhaupt nicht biologisch. Von daher wären sie tatsächlich eine offensichtlichere Technosignatur als NO2. FCKWs sind jedoch sehr spezifisch hergestellte Chemikalien, die anderswo möglicherweise nicht verbreitet sind oder zum Einsatz kamen. Im Vergleich dazu ist NO2 ein allgemeines Nebenprodukt eines jeden Verbrennungsprozesses.“
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Für ihre Untersuchungen verwendete das Team Computermodelle, um vorherzusagen, ob die NO2-Verschmutzung ein Signal erzeugen würde, das mit aktuellen und geplanten Teleskopen zu erkennen ist. Atmosphärisches NO2 absorbiert stark einige Farben (Wellenlängen) des sichtbaren Lichts, die durch Beobachtung des von einem Exoplaneten reflektierten Lichts auf seiner Umlaufbahn um seinen Stern erfasst werden können.
Das Ergebnis zeigt, dass schon die in Arbeit und Planung befindlichen Großteleskope der nächsten Generation einen erdähnlichen Planeten um einen sonnenähnlichen Stern innerhalb von 30 Lichtjahren Entfernung 400 Stunden im sichtbaren Lichtspekrum beobachten müssten, um aufgrund der NO2-Signatur eine Zivilisation, die dieselbe Menge an NO2 wie wir produziert, erkennen zu können. Zwar sei dies eine beträchtliche, aber nicht unmögliche Zeitspanne. Schon das Hubble-Weltraumteleskop nahm für die berühmten Deep Field-Beobachtungen ähnlich viel Zeit in Anspruch. Hinzu dürfte sich die Anzahl an in Frage kommenden Planeten auch in einem Rahmen halten, dass sich der Aufwand für die konkrete Beobachtung eines interessanten Kandidaten lohnen würde.
Da NO2 auch auf natürliche Weise entstehen kann, müssen Wissenschaftler einen Exoplaneten zuvor sorgfältig analysieren, um festzustellen, ob es einen Überschuss gibt, der einer technologischen Gesellschaft zugeschrieben werden könnte, erläutern die Autoren und führen dazu weiter aus: „Auf der Erde sind etwa 76 Prozent der NO2-Emissionen auf industrielle Aktivitäten zurückzuführen. Wenn wir NO2 auf einem anderen Planeten beobachten, müssen wir Modelle erstellen, um die maximal möglichen NO2-Emissionen abzuschätzen, die nur aus nicht-industriellen Quellen stammen können.
Wenn wir mehr NO2 beobachten, als unsere Modelle aus nicht-industriellen Quellen für plausibel halten, könnte der Rest des NO2 auf industrielle Aktivitäten zurückgeführt werden. Bei der Suche nach Leben jenseits der Erde besteht jedoch immer die Möglichkeit eines falschen positiven Ergebnisses, und künftige Arbeiten werden erforderlich sein, um das Vertrauen in die Unterscheidung zwischen echtem und falschem Positiv zu gewährleisten.“
Weitere potenzielle Komplikationen sind u.a. das Vorhandensein von Wolken oder Aerosolen in der Atmosphäre: „Diese absorbieren Licht in ähnlichen Wellenlängen wie Stickstoffdioxid, sodass sie die NO2-Signatur nachahmen können. Unser Team plant deshalb, ein fortgeschritteneres Modell zu verwenden, um festzustellen, ob die natürliche Variabilität der Wolkendecke zur Unterscheidung zwischen beiden verwendet werden kann.“
Für die nun vorgestellte erste Studie verwendeten die Forscher ein Modell, das davon ausgeht, dass die Atmosphäre eines Planeten einer einzelnen Säule vom Boden zum Weltraum mit vielen Schichten entspricht. Zwar sei dies für die meisten Zwecke und für schnelle Berechnungen eine gute Modellannahme, doch handele es sich bei Planeten natürlich nicht um solche idealisierten Säulen, sondern um dreidimensionale Objekte. Deshalb wollen die Wissenschaftler nun in einer Folgestudie 3D-Modelle verwenden, um zu vergleichen, wie genau die ersten Ergebnisse waren.
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Quelle: NASA
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