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Pest: Ursprung des Schwarzen Todes identifiziert

Blick auf das Tian Shan-Gebirge. Anhand von Analysen alter Pest-Genome konnten Forschende den Ursprung des Schwarzen Todes in Zentralasien, in einem Gebiet in der Nähe des Yssykköl-Sees im heutigen Kirgisistan, verorten. Copyright/Quelle: Lyazzat Musralina / Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie
Blick auf das Tian Shan-Gebirge. Anhand von Analysen alter Pest-Genome konnten Forschende den Ursprung des Schwarzen Todes in Zentralasien, in einem Gebiet in der Nähe des Yssykköl-Sees im heutigen Kirgisistan, verorten.
Copyright/Quelle: Lyazzat Musralina / Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie

Leipzig (Deutschland) – Die auch als der Schwarze Tod bezeichnete Pest gilt als die größte Pandemie in der Menschheitsgeschichte. Die Ursprünge des Pesterregers, des Bakterium  Yersinia pestis galten lange Zeit als rätselhaft. Nun ist es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gelungen, den Ursprung der verheerenden Pestepedemie, die in Europa von 1346 bis 1353 wütete und immense demografische und gesellschaftliche Folgen hatte, in Zentralasien zu verorten.

Wie das Team aus Forschenden des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, der Universität Tübingen und der englischen University of Stirling aktuell im Fachjournal „Nature“ (DOI: 10.1038/s41586-022-04800-3) berichten, ist es ihnen anhand des Genoms des Erregers gelungen, eine bislang nur als Theorie kursierende Vorstellung vom konkreten Ursprung  der Pest in der Nähe des Yssykköl-Sees im heutigen Kirgisistan zu bestätigen.

Hintergrund
Im Jahre 1347 gelangte die Pest erstmals über Handelsschiffe aus dem Schwarzen Meer aus den Siedlungsgebieten der „Goldenen Horde“, einem Teil des Mongolenreichs, in den Mittelmeerraum. Die Krankheit breitete sich rasch über Europa, den Nahen Osten und Nordafrika aus und raffte in einem einzigen großen Ausbruch, der als Schwarzer Tod bekannt wurde, bis zu 60 Prozent der Bevölkerung dahin. Diese erste Infektionswelle weitete sich zu einer 500 Jahre andauernden Pandemie aus, der sogenannten Zweiten Pestpandemie, die bis ins frühe 19. Jahrhundert andauerte.
(Quelle: Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie)

Tatsächlich werden die Ursprünge der Zweiten Pestpandemie in Fachkreisen schon lange kontrovers diskutiert. „Eine der populärsten Theorien besagt, dass sie möglicherweise in Ostasien, speziell in China, ihren Ursprung hatte“, erläutert die Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie und führt dazu weiter aus: „Dieser Theorie stehen jedoch archäologische Funde aus Zentralasien entgegen, die aus einem Gebiet nahe des Yssykköl-Sees im heutigen Kirgisistan stammen, in den Ausläufern des Tian Shan-Gebirges. Sie belegen einen Pestausbruch innerhalb einer lokalen Handelsgemeinschaft in den Jahren 1338 und 1339. Bei Ausgrabungen vor fast 140 Jahren wurden Grabsteine gefunden, deren Inschriften darauf hindeuten, dass diese Menschen einer unbekannten Epidemie zum Opfer gefallen sind. Seit ihrer Entdeckung sorgten die in Syrisch-Aramäischer Sprache beschrifteten Grabsteine hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Schwarzen Tod in Europa in Fachkreisen für Kontroverse.“

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Wie das Team um die Erstautorin Maria Spyrou von der Universität Tübingen weiter berichtet, untersuchten sie in der vorliegenden Studie alte DNA aus menschlichen Überresten sowie historische und archäologische Daten zweier Fundstätten, an denen besagte Pest-Inschriften gefunden wurden. Hierbei gelang es den Forschenden, bei Personen, die laut Grabsteininschrift im Jahre 1338 verstorben sind, DNA des Pestbakteriums Yersinia pestis nachzuweisen. „Wir konnten endlich nachweisen, dass die auf den Grabsteinen erwähnte Epidemie tatsächlich durch die Pest verursacht wurde“, sagt Phil Slavin, einer der Hauptautoren der Studie und Historiker an der University of Sterling.

"Pest-Inschrift“ aus der Tschu-Tal Region in Kirgisistan. Übersetzt lautet diese: "Im Jahre 1649 [= 1338 n.u.Z.], im Jahr des Tigers. Dies ist die Grabstätte des Gläubigen Sanmaq. [Er] starb an der Pest". Copyright: A.S. Leybin, August 1886
„Pest-Inschrift“ aus der Tschu-Tal Region in Kirgisistan. Übersetzt lautet diese: „Im Jahre 1649 [= 1338 n.u.Z.], im Jahr des Tigers. Dies ist die Grabstätte des Gläubigen Sanmaq. [Er] starb an der Pest“.
Copyright: A.S. Leybin, August 1886
Bisher wurde der Ausbruch des Schwarzen Todes mit einer massiven Diversifizierung der Peststämme in Verbindung gebracht, dem so genannten „Urknall der Pestdiversität“, dessen Zeitpunkt bislang jedoch nicht genau bestimmt werden konnte und der bisher grob zwischen dem 10. und 14. Jahrhundert eingeordnet wurde.

Die Forschenden haben nun alte Pestgenome aus den Fundorten in Kirgisistan zusammengesetzt und untersucht, wie sie mit diesem Urknall-Ereignis zusammenhängen könnten. „Wir fanden heraus, dass sich die alten Stämme aus Kirgisistan genau am Knotenpunkt dieses massiven Diversifizierungsereignisses befinden. Es ist uns also tatsächlich gelungen, den Ursprungsstamm des Schwarzen Todes und seinen genauen Ausbruchszeitpunkt – das Jahr 1338 – zu bestimmen“, erläutert Spyrou.

Allerdings blieben auch damit weitere Fragen zunächst offen. Woher kam dieser Stamm? Entwickelte er sich lokal oder wurde er in die Region eingeschleppt und breitete sich dann aus? Wichtig für die Beantwortung dieser Fragen waren und sind die Eigenarten der Pest. Diese ist keine Krankheit, die im Menschen ihren Ursprung hat; das Bakterium Y. pestis überlebt in wilden Nagetierpopulationen auf der ganzen Welt – in so genannten Pestreservoirs. „Der alte zentralasiatische Stamm, der die Epidemie von 1338 bis 1339 am Yssykköl-See verursachte, muss also aus einem solchen Reservoir stammen“, so die Folgerung der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. „Moderne, mit dem alten Stamm am engsten verwandte Stämme finden wir heute in Pestreservoirs rund um das Tian Shan-Gebirge, also ganz in der Nähe des Fundortes dieses alten Stammes. Der Vorfahre des Schwarzen Todes scheint also in Zentralasien entstanden zu sein“, erklärt Johannes Krause, Hauptautor der Studie und Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie abschließend.




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Recherchequelle: Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie

© grenzwissenschaft-aktuell.de

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Andreas Müller
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