Stanford (USA) – Wie jetzt erst bekannt wurde, ist bereits im August mit Dr. Peter Andrew Sturrock einer der zwar großen, aber eher stillen Pioniere der Anomalistik und Gründer der „Society for Scientific Exploration“ verstorben.
Wie die Stanford University berichtet, entschlief Sturrock bereits am 12. August 2024 friedlich im Kreise seiner Familie und Freunde im Alter von 100 Jahren. Schon in der etablierten Wissenschaft war Sturrock als bedeutende Größe auf den Gebieten der Astrophysik, Plasmaphysik und Sonnenforschung bekannt.
Nach seinem Studium und der folgenden Forschungstätigkeit an der University of Cambridge setzte Peter Andrew Sturrock seine wissenschaftlichen Arbeiten ab 1961 an der Physikfakultät der Stanford University fort und verfasste zahlreiche Fachartikel und Bücher, nicht zuletzt zu zahlreichen Rätseln des Kosmos, so etwa das Standardwerk „An Introduction to the Theory of Astrophysical, Geophysical and Laboratory Plasmas“.
„Sein interdisziplinärer Ansatz und seine von Neugier getriebene Forschung brachten ihm Anerkennung und Respekt von Wissenschaftlern weltweit ein”, schreibt die Universität und führt weiter aus:
„Sturrock war auch bekannt für seine mutige und aufgeschlossene Erforschung unkonventioneller wissenschaftlicher Themen, die von den Mainstream-Wissenschaftlern oft übersehen wurden, darunter auch unidentifizierte Flugobjekte“ (UFOs).
Sturrocks Interesse am UFO-Thema geht auf die frühen 1970er-Jahre zurück, als er auf der Suche nach jemandem war, der sowohl mit Computern als auch mit Astrophysik Erfahrung hatte, Jacques Vallée für ein Forschungsprojekt einstellte – ohne damals noch zu wissen, dass dieser schon damals mehrere Bücher über UFOs geschrieben hatte. Sturrock, der damals noch kein Interesse an UFOs hatte, fühlte sich beruflich verpflichtet, zumindest einen Blick in Vallées Bücher zu werfen, wodurch sein – weiterhin zwar skeptisches – Interesse geweckt wurde. Den 1969 veröffentlichten „Condon-Reports“, der die Arbeit des US-Air-Force-Projekts „Blue Book“ kritisch untersucht hatte und zu dem Schluss kann, dass UFOs wissenschaftlich irrelevant seien, kommentierte Sturrock später so: „Das Ergebnis war, dass ich, anstatt Condons Schlussfolgerungen zu unterstützen [laut dem es nichts Außergewöhnliches an UFOs gäbe], dachte, dass die im Bericht vorgelegten Beweise darauf hindeuteten, dass da etwas vor sich ging, das untersucht werden musste.
Etwa zur gleichen Zeit, als das Condon-Komitee seine Untersuchung durchführte, hatte auch das „American Institute of Aeronautics and Astronautics“ (AIAA) 1967 ein Unterkomitee eingerichtet, um das UFO-Phänomen wissenschaftlich zu untersuchen. 1970 veröffentlichte dieses Unterkomitee ein Positionspapier, das sich ebenfalls sehr kritisch gegenüber der Art und Weise positionierte, wie das Condon-Komitee seine Untersuchung durchgeführt hatte und aufzeigte, wie Condons Schlussfolgerungen oft nicht mit den im Abschlussbericht beschriebenen Fällen übereinstimmten. Insgesamt stufte die AIAA damals etwa ein Drittel der Fälle als ungelöst ein. Anders als Condon glaubte man, dass diese ungelösten Fälle den wesentlichen Kern des UFO-Problems darstellten, der weitere wissenschaftliche Untersuchungen verdiene.
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Sturrock war neugierig, welche allgemeinen Einstellungen die Mitglieder der AIAA hatten, und führte 1973 eine Umfrage unter der Vertretung der AIAA in San Francisco durch, auf die immerhin 423 von 1175 Mitgliedern antworteten. Die Meinungen darüber, ob UFOs ein wissenschaftlich bedeutsames Problem darstellten, ginge dabei weit auseinander. In seiner Umfrage interessierte sich Sturrock auch dafür, ob die AIAA-Mitglieder selbst schon UFOs gesehen hatten, also anomale Phänomene im Luftraum, die sie selbst zur Sichtungszeit nicht identifizieren konnten. Die Umfrage ergab, dass etwa 5 % solche Erfahrungen gemacht hatten.
1975 führte Sturrock dann eine weitere umfassendere Umfrage durch, nun unter den Mitgliedern der „American Astronomical Society“ (AAS, …GreWi berichtete). Von etwa 2.600 Fragebögen wurden ihm nun über 1.300 zurückgesandt. Nur zwei Mitglieder boten an, auf ihre Anonymität zu verzichten, und Sturrock stellte fest, dass das UFO-Thema für die meisten seiner Kollegen offensichtlich ein sehr sensibles war. Nichtsdestotrotz stellte Sturrock fest, dass eine große Mehrheit weitere wissenschaftliche Studien befürwortete, und über 80 % boten an zu helfen, wenn sie könnten. Wie schon als Ergebnis der AIAA-Umfrage, so berichteten auch etwa 5 Prozent der AAS-Mitglieder von eigenen unerklärlichen Sichtungen.
„Die definitive Lösung des UFO-Rätsels wird es erst dann geben, wenn das Problem einer offenen und umfassenden wissenschaftlichen Untersuchung durch die normalen Verfahren der etablierten Wissenschaft und Verwaltung an Universitäten unterzogen wird.“
Peter Andrew Sturrock
Zugleich zeigten die Antworten aber auch, dass bei den AAS-lern die Skepsis gegenüber der extraterrestrischen Hypothese (ETH) noch sehr war hoch. Die meisten glaubten, dass UFO-Berichte letztlich auf konventionelle Weise erklärt werden könnten. Eine weitere Beobachtung anhand von Sturrocks AAS-Umfrage war die, dass Skepsis und Widerstand gegen weitere Untersuchungen meist mit mangelndem Wissen und Studium der Thematik korrelierten: Nur 29 % derjenigen, die weniger als eine Stunde mit dem Thema verbracht hatten, befürworteten weitere Studien, verglichen mit 68 %, die über 300 Stunden damit verbracht hatten.
Wie sich weiter zeigt, befürworteten zwar zahlreiche Wissenschaftler, dass UFOs in wissenschaftlichen Zeitschriften diskutiert würden. Da es damals jedoch so gut wie keine solchen Artikel in wissenschaftlichen Journalen gab, gründete Sturrock 1982 mit der „Society for Scientific Exploration“, eine Plattform für Themen jenseits des wissenschaftlichen Mainstreams, also für Anomalistik und Grenzwissenschaften. 1987 folgte dann die erste Ausgabe des „Journal of Scientific Exploration“ (JSE).
1997/98 organisierte Sturrock ein wissenschaftliches Gremium, um verschiedene Arten physischer Beweise im Zusammenhang mit UFOs zu überprüfen. Das Gremium kam zu dem Schluss, dass die vorhandenen physischen Beweise, die die ETH unterstützen könnten, zwar nicht schlüssig waren, dass weiterhin unerklärte Fälle weiterer wissenschaftlicher Untersuchungen würdig seien. Die Arbeit und Ergebnisse des Gremiums fasste Sturrock später selbst in seinem Buch mit dem Titel „The UFO Enigma: A New Review of the Physical Evidence“, zusammen. Das Buch zählt zweifelsohne zu den Standardwerken der wissenschaftlichen UFO-Forschungsliteratur.
Über Sturrock als Kollegen schreibt der wissenschaftliche Direktor des „Center for UFO Studies“ (CUFOS), Mark Rodeghier: „Einen Unterstützer der ernsthaften UFO-Forschung von seinem Ansehen zu haben, war etwas, das ich immer sehr geschätzt habe.“
“Dr. Sturrocks Vermächtnis lebt durch seine umfangreichen Beiträge zur Wissenschaft und seinen persönlichen Einfluss auf Generationen von Studenten und Kollegen weiter. Er wird als Pionier in Erinnerung bleiben, der die Horizonte des menschlichen Wissens erweiterte, und als eine Persönlichkeit, deren intellektuelle Neugier keine Grenzen kannte“, so die Stanford University in ihrem Nachruf abschießend.
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