Pflanzen „schreien“ unter Stress

Symbolbild: Tomatenpflanze. Copyright: Goldlocki (via WikimediaCommon) / CC BY-SA 3.0
Lesezeit: ca. 3 Minuten
Symbolbild: Tomatenpflanze.Copyright: Goldlocki (via WikimediaCommon) / CC BY-SA 3.0

Symbolbild: Tomatenpflanze.
Copyright: Goldlocki (via WikimediaCommon) / CC BY-SA 3.0

Tel Aviv (Israel) – Allgemein gelten Pflanzen von sich aus als stumm und nicht zur eigenen direkten Lautabgabe fähig. In einer aktuellen Studie haben israelische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aufgezeigt, dass auch Pflanzen aus sich heraus Geräusche von sich geben können, die so laut sein können wie die menschliche Sprache.

Hinweis vorab: Nach Fertigstellung der folgenden Meldung, wurde redaktionell festgestellt, dass Grenzwissenschaft-Aktuell.de über die Vorabpublikation zur identischen Studie bereits 2019 berichtet hatte. Jetzt erst liegt dazu die ordentliche Publikation vor, weswegen sich GreWi entschieden hat, auch die bereits erstellte neue Fassung hiermit zu veröffentlichen. Letztendlich zeigt es Ihnen, werte Leserinnen und Leser aber auch, wie mega-aktuell Sie auf GreWi stets informiert sind, wenn Sie auf GreWi schon Jahre zuvor über wissenschaftliche Durchbrüche wie diesen informiert werden.

Wie das Team um Prof. Lilach Hadany und Prof. Yossi Yovel, Head von der Tel-Aviv University aktuell im Fachjournal Cell“ (DOI: 10.1016/j.cell.2023.03.009) berichten, geben Pflanzen diese Geräusche hauptsächlich von sich, wenn sie unter Stress stehen. Zudem geben offenbar unterschiedliche Pflanzenarten auch derart spezifische Laute von sich, dass sie anhand dieser Geräusche sogar voneinander unterschieden werden können.

„Wir haben uns die Frage gestellt, warum sich Pflanzen in Umgebungen entwickelt haben, die fortwährend voller Klänge und Geräusche sind, Geräusche, die auch wichtig für die Organismen sind – wichtig zur Kommunikation und Information. Bislang gingen wir aber davon aus, dass Pflanzen komplett stumm sind. Wir haben uns also die Frage gestellt, ob das tatsächlich so ist.“

Während die Geräusche für das menschliche Ohr nicht hörbar sind, könnte es durchaus sein, dass Insekten und andere Tiere, wie etwa Mäuse oder Fledermäuse, sie wahrnehmen könnten, vermuten die Forschenden.

www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER können Sie den täglichen kostenlosen GreWi-Newsletter bestellen +

„Von früheren Studien wissen wir, dass Vibrometer, die an Pflanzen angebracht worden waren, spezifische Schwingungen aufzeigten, was bislang nicht bekannt war, war der Umstand, dass diese Schwingungen sich auch in Form von Schallwellen ausbreiten und dann sogar auch aus der Distanz aufgezeichnet werden können“, erläutert Hadany. „Unsere Studie hat sich dieser Frage, über die die Wissenschaft schon seit Jahren streitet, angenommen.“

Wie die Forschenden nun berichten, wurden die Versuchspflanzen (Tomaten und Tabak) in einer isolierten Akustik-Box ohne jegliche Hintergrundgeräusche platziert und das Ganze mit Ultraschallmikrofonen (20-250 KHz) in 10 Zentimeter Abstand zur Pflanze überwacht. Zum Vergleich: Die für Erwachsene maximal hörbare Frequenz liegt bei 16 Kilohertz.

Bevor die Pflanzen in die Schallkammern gestellt wurden, wurden die unterschiedlichen Exemplare unterschiedlicher Behandlung ausgesetzt oder unterzogen: Einige Pflanzen wurden unterschiedlich oder gar nicht bewässert, andere wurden gezielt geschnitten, verletzt, während wiederum andere (sozusagen als Kontrollgruppen) unversehrt blieben.

Die Messungen zeigten, dass Pflanzen in den Experimenten Töne im Frequenzbereich von 40–80 Kilohertz abgehen. Pflanzen, die weniger unter Wasser- oder Verletzungsstress litten, gaben derartige Töne durchschnittlich nur einmal pro Stunde oder weniger von sich. Pflanzen unter diesem Stress hingegen Dutzende Male pro Stunde. Mit Hilfe von KI-Algorithmen konnten in einem nächsten Schritt die unterschiedlichen Töne sogar den einzelnen Pflanzen und Bedürfnissen zugeordnet werden. Vor diesem Hintergrund konnten dann diese Geräusche auch im Umfeld eines gewöhnlichen Gewächshauses mit normalen Hintergrundgeräuschen aufgezeichneten, identifiziert und individuell zugeordnet werden.

„Unsere Untersuchungsergebnisse legen nahe, dass die Welt um uns herum voll mit Pflanzen ist, die Informationen auch in Form von Klängen – Informationen etwa über Wasserknappheit oder Verletzungen – weitergeben.“ Derartige Sensoren könnten etwa Landwirten anzeigen, wann Pflanzen ganz konkret bewässert werden müssen.

“Mit unserer Studie klären wir eine sehr alte wissenschaftliche Kontroverse: Wir zeigen, dass Pflanzen Töne von sich geben“, so Prof Hadany abschließend. „Wir vermuten sogar, dass Pflanzen diese Töne auch von sich geben, wenn sie Tiere in ihrer Nähe wahrnehmen, die – wie etwa Fledermäuse, Nagetiere und unterschiedliche Insekten, vielleicht aber auch andere Pflanzen – die ebenfalls diese hohen Frequenzen hören können und auf diese Weise relevante Informationen beziehen oder abgeben. Wir glauben auch, dass auch wir Menschen diese Informationen nutzen könnten, wenn wir dafür die richtigen Werkzeuge entwickeln. Wie es aussieht, kann also selbst ein idyllisches Feld voller Blumen in ziemlich lauter Ort sein, nur dass wir diesen Lärm nicht hören können.“

In zukünftigen Untersuchungen wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach dem Mechanismus fahnden, mit dem Pflanzen die Töne von sich geben; ob und wie Motten diese Töne wahrnehmen können und darauf reagieren und ob andere Pflanzen die Töne auch „hören“ können.




WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Studie offenbart: Pflanzen “schreien” unter Stress 8. Dezember 2019

Recherchequelle: Tel-Aviv University

© grenzwissenschaft-aktuell.de