Polarisierte Strahlung des frühen Universums gibt Hinweis auf neue Physik

Ausschnitt des kosmischen Mikrowellenhintergrundes (CMB), der vor 13,8 Milliarden Jahren emittiert wurde (links) und schließlich heuet auf der Erde beobachtet wird (rechts). Auf dem Weg zu uns ändert sich dabei die Richtung, in der die elektromagnetische Welle oszilliert, um den Winkel β (orangefarbige Linie). Diese Rotation könnte durch die Interaktion des CMB-Lichts mit Dunkler Materie oder Dunkler Energie entstehen und so das charakteristische Muster der Polarisation (schwarze Linien in den Ausschnitten) ändern. Die roten bzw. blauen Areale in den Ausschnitten zeigen heiße bzw. kalte Regionen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds. Copyright: Y. Minami / KEK
Lesezeit: ca. 3 Minuten
Ausschnitt des kosmischen Mikrowellenhintergrundes (CMB), der vor 13,8 Milliarden Jahren emittiert wurde (links) und schließlich heuet auf der Erde beobachtet wird (rechts). Auf dem Weg zu uns ändert sich dabei die Richtung, in der die elektromagnetische Welle oszilliert, um den Winkel β (orangefarbige Linie). Diese Rotation könnte durch die Interaktion des CMB-Lichts mit Dunkler Materie oder Dunkler Energie entstehen und so das charakteristische Muster der Polarisation (schwarze Linien in den Ausschnitten) ändern. Die roten bzw. blauen Areale in den Ausschnitten zeigen heiße bzw. kalte Regionen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds. Copyright: Y. Minami / KEK

Ausschnitt des kosmischen Mikrowellenhintergrundes (CMB), der vor 13,8 Milliarden Jahren emittiert wurde (links) und schließlich heuet auf der Erde beobachtet wird (rechts). Auf dem Weg zu uns ändert sich dabei die Richtung, in der die elektromagnetische Welle oszilliert, um den Winkel β (orangefarbige Linie). Diese Rotation könnte durch die Interaktion des CMB-Lichts mit Dunkler Materie oder Dunkler Energie entstehen und so das charakteristische Muster der Polarisation (schwarze Linien in den Ausschnitten) ändern. Die roten bzw. blauen Areale in den Ausschnitten zeigen heiße bzw. kalte Regionen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds.
Copyright: Y. Minami / KEK

Garching (Deutschland) – Mithilfe des vom Planck-Satelliten aufgenommenen sog. Mikrowellenhintergrundes (CMB) hat ein internationales Physiker-Team einen Hinweis auf sogenannte neue Physik entdeckt, die nahelegt, dass Dunkle Materie oder Dunkle Energie das Prinzip der sogenannten Paritätssymmetrie verletzen.

Wie das Team um Prof. Dr. Eiichiro Komatsu vom Max-Planck-Institut für Astrophysik gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen des japanischen “Institute of Particle and Nuclear Studies” (IPNS), des “Kavli Institute for the Physics and Mathematics of the Universe” (Kavli IPMU) und der Universität Tokio aktuell im Fachjournal „Physical Review Letters“ (DOI: 10.1103/PhysRevLett.125.221301) berichtet, haben sie eine neue Methode entwickelt, um den Polarisationswinkel des uralten Lichts zu messen. Diese nutzt die die Mikrowellenstrahlung von interstellarem Staub aus unserer eigenen Milchstraße zur Kalibrierung.

Zwar reiche die Genauigkeit der Messung noch nicht aus, um eine endgültige Aussage treffen zu können, „jedoch könnte sie darauf hindeuten, dass Dunkle Materie oder Dunkle Energie die sogenannte Paritätssymmetrie verletzen“, berichtet die Pressemitteilung des Instituts.

Hintergrund
In der Kosmologie geht man davon aus, dass sich die physikalischen Gesetze, die im Universum herrschen, bei einer Spiegelung nicht ändern: Die Gesetze des Elektromagnetismus beispielsweise bleiben unverändert, egal ob im ursprünglichen System betrachtet oder in einem System, in dem alle räumlichen Koordinaten gespiegelt wurden. Ist diese, auch als „Parität“ bezeichnete, Symmetrie verletzt, könnte dies uns viel über die Beschaffenheit der Dunklen Materie und Dunklen Energie verraten, die 25 bzw. 70 Prozent des Energiegehalts des heutigen Universums ausmachen. Obwohl beide Bestandteile “dunkel” sind, d.h. sie sind nicht direkt sichtbar, haben sie eine Wechselwirkung auf die Entwicklung des Universums: Dunkle Materie wirkt anziehend, wohingegen Dunkle Energie zu einer immer schnelleren Ausdehnung des Universums führt.
(Quelle: MPA Garching)

In ihrer neuen Studie beschreiben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit einem mit einem Konfidenzniveau von 99,2 Prozent den entdeckten Hinweis auf „neue Physik“, die die Parität verletzt.

Entdeckt haben die Forscherinnen und Forscher diesen Hinweis auf eine Verletzung der Paritätssymmetrie in den Messdaten des europäischen Planck-Satelliten zum kosmischen Mikrowellenhintergrund. Hierbei handelt es sich um jenes Licht, das kurz nach dem Urknall ausgesandt wurde.

„Der Schlüssel zum Verständnis liegt dabei in der sogenannten Polarisation“, erläutern die Physiker und Physikerinnen. „Licht besteht aus elektromagnetischen Wellen, die in verschiedene Richtungen oszillieren. Haben alle Wellen dieselbe Schwingrichtung, spricht man von polarisiertem Licht. Solche Polarisation entsteht, wenn Licht gestreut wird. Sonnenlicht beispielsweise besteht aus Wellen mit allen möglichen Polarisationsrichtungen und ist somit unpolarisiert, wohingegen das Licht eines Regenbogens polarisiert ist, da hierbei Sonnenlicht an Wassertropfen in der Atmosphäre gestreut wird. Ganz ähnlich wurde das Licht des kosmischen Mikrowellenhintergrunds polarisiert als es 400.000 Jahre nach dem Urknall an Elektronen streute. Wenn dieses Licht, das seit 13,8 Milliarden Jahren durch das Universum unterwegs ist, nun mit Dunkler Materie oder Dunkler Energie interagiert, könnte das zu einer Drehung der Polarisationsebene um einen Winkel β führen (s. Abbildung).“

“Wenn Dunkle Materie oder Dunkle Energie mit dem Licht des kosmischen Mikrowellenhintergrunds auf eine Art interagiert, die die Paritätssymmetrie verletzt, dann können wir diese Signatur in den Polarisationsdaten finden”, betont Yuto Manami vom IPNS.

www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER können Sie den täglichen kostenlosen GreWi-Newsletter bestellen +

Mit der neuen Methode konnten die Forscher eine bislang nicht erreichte Messgenauigkeit erzielen, die doppelt so gut ist wie bei früheren Arbeiten, und waren endlich in der Lage, den Rotationswinkel „β“ zu messen.

„Die Strecke, die das vom Staub emittierte Licht in der Milchstraße zurücklegt, ist viel kürzer als die des kosmischen Mikrowellenhintergrunds. Die Strahlung des Staubs wird deshalb nicht von Dunkler Materie oder Dunkler Energie beeinflusst, sondern nur das Licht des kosmischen Mikrowellenhintergrunds wird um den Winkel β gedreht, wohingegen beide der künstlichen Rotation ausgesetzt sind. Aus der Differenz zwischen den gemessenen Polarisationswinkeln von beiden Quellen kann β bestimmt werden.“

Obwohl die Verletzung der Paritätssymmetrie bereits jetzt schon mit einem Konfidenzniveau von 99,2 Prozent gelang, sprechen Physiker von einem Nachweis für „neue Physik“ erst ab einem Konfidenzniveau von 99,99995 Prozent.

Somit handele es sich zwar noch nicht um einen endgültigen Nachweis für neue Phys, „aber es ist toll, dass wir mit unserer neuen Methode diese ‚unmögliche‘ Messung durchführen konnten, die tatsächlich auf neue Physik hinweist“, so Komatsu.

Um die Messung zu bestätigen, soll die neue Methode zukünftig auf Daten von weiteren existierenden — und zukünftigen — Experimenten angewendet werden, die die Polarisation des kosmischen Mikrowellenhintergrunds messen.




WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
CERN-Experimente geben erste Hinweise auf einen seltenen Higgs-Boson-Prozess 5. August 2020
Neue Physik? Experimente am CERN zeigen erste Beweise für extrem seltenen Zerfall 31. Juli 2020
FCC: CERN plant neuen, noch größeren Teilchenbeschleuniger 16. Januar 2019
CERN analysiert erstmals Lichtspektrum von Antimaterie 20. Dezember 2016

Quelle: MPA Garching

© grenzwissenschaft-aktuell.de