Präzisionsmessungen zeigen: Erdentage werden länger

Symbolbild: Sonnenaufgang über der Erde. Copyright/Quelle: Pixabay.com / Pixabay License
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Symbolbild: Sonnenaufgang über der Erde. Copyright/Quelle: Pixabay.com / Pixabay License

Symbolbild: Sonnenaufgang über der Erde.
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Atomuhren, kombiniert mit präzisen astronomischen Messungen, zeigen, dass die Länge eines Erdentages seit einigen Jahrzehnten größer wird – ein Phänomen, für das die Wissenschaft bislang keine plausible Erklärung gefunden hat. Länger werdende Tage haben aber nicht nur entscheidende Auswirkungen auf unsere Zeitmessung, sondern auch auf für unsere moderne Gesellschaft, da auch GPS und andere Technologien, die unser modernes Leben bestimmen, davon beeinflusst werden.

– Bei diesem Text handelt es sich um einen Artikel Essay von Matt King, dem Direktor des „ARC Australian Centre for Excellence in Antarctic Science“ und Christopher Watson von der School of Geography, Planning, and Spatial Sciences an der University of Tasmania der unter dem Titel „The length of Earth’s days has been mysteriously increasing, and scientists don’t know why” der Creative Commons-Lizenz (CC BY ND 4.0) erstmals im englischsprachigen Original auf „TheConversation.com“ veröffentlicht wurde. Bei dem folgenden Text handelt es sich um eine Übersetzung dieses Textes durch Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) mit Verweis auf die Creative Commons-Lizenz, die von Autor nicht ausdrücklich autorisiert wurde.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Rotation der Erde um ihre Achse – die bestimmt, wie lang ein Tag ist – beschleunigt. Dieser Trend hat unsere Tage kürzer gemacht; tatsächlich wurde im Juni 2022 ein Rekord für den kürzesten Tag seit etwa einem halben Jahrhundert erreicht.

Aber trotz dieses Rekords hat sich diese stetige Beschleunigung seit 2020 merkwürdigerweise in eine Verlangsamung verwandelt – die Tage werden wieder länger, und der Grund ist bisher ein Rätsel.

Während die Uhren und unsere Telefone anzeigen, dass ein Tag genau 24 Stunden hat, variiert die tatsächliche Zeit, die die Erde benötigt, um eine einzelne Umdrehung zu vollenden, leicht. Diese Veränderungen treten über Zeiträume von Millionen von Jahren bis fast augenblicklich auf – sogar Erdbeben und Sturmereignisse können eine Rolle spielen.

Es stellt sich heraus, dass ein Tag sehr selten genau die magische Zahl von 86.400 Sekunden hat.

Der sich ständig verändernde Planet
Über Millionen von Jahren hat sich die Erdrotation aufgrund von Reibungseffekten verlangsamt, die mit den vom Mond angetriebenen Gezeiten verbunden sind. Dieser Prozess verlängert die Länge eines jeden Tages in jedem Jahrhundert um etwa 2,3 Millisekunden. Vor einigen Milliarden Jahren dauerte ein Tag auf der Erde nur etwa 19 Stunden.

In den letzten 20.000 Jahren wirkte nun aber ein anderer Prozess in die entgegengesetzte Richtung und beschleunigte die Erdrotation: Als die letzte Eiszeit endete, reduzierten schmelzende polare Eisschilde den Oberflächendruck und der Erdmantel begann sich stetig in Richtung der Pole zu bewegen.

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So wie sich ein Ballet- oder Eistänzer schneller dreht, wenn er seine Arme dicht an seinen Körper heranführt – als an die Achse, um die er sich dreht –, so erhöht sich die Rotationsrate unseres Planeten, wenn sich diese Mantelmasse näher an die Erdachse bewegt. Und dieser Prozess verkürzt sich jeden Tag um etwa 0,6 Millisekunden pro Jahrhundert.

Über Jahrzehnte und länger hinweg kommt auch die Verbindung zwischen Erdinnerem und Erdoberfläche zum Tragen. Schwere Erdbeben können die Tageslänge verändern, wenn auch normalerweise nur um kleine Werte. So wird zum Beispiel angenommen, dass das große Tōhoku-Erdbeben von 2011 in Japan mit einer Stärke von 8,9 die Rotation der Erde um relativ geringfügige 1,8 Mikrosekunden beschleunigt hat.

Abgesehen von diesen großräumigen Veränderungen haben Wetter und Klima über kürzere Zeiträume auch wichtige Auswirkungen auf die Erdrotation und verursachen Variationen in beide Richtungen.

Die vierzehntägigen und monatlichen Gezeitenzyklen bewegen Masse um den Planeten herum und verursachen Änderungen der Tageslänge um bis zu einer Millisekunde in beide Richtungen. Wir können Gezeitenschwankungen in Tageslängenaufzeichnungen über Zeiträume von bis zu 18,6 Jahren sehen. Besonders stark wirkt sich die Bewegung unserer Atmosphäre aus, auch Meeresströmungen spielen eine Rolle. Saisonale Schneebedeckung und Niederschläge oder Grundwasserentnahmen verändern die Dinge weiter.

Warum wird die Erde plötzlich langsamer?
Seit den 1960-er Jahren, als Betreiber von Radioteleskopen rund um den Planeten begannen, Techniken zu entwickeln, um gleichzeitig kosmische Objekte wie Quasare zu beobachten, liegen sehr genaue Schätzungen der Rotationsgeschwindigkeit der Erde vor.

Ein Vergleich zwischen diesen Schätzungen und einer Atomuhr hat in den letzten Jahren eine scheinbar immer kürzere Tageslänge ergeben.

Sobald wir die Schwankungen der Rotationsgeschwindigkeit wegnehmen, von denen wir wissen, dass sie aufgrund von Gezeiten und saisonalen Effekten auftreten, begegnen wir einer überraschenden Beobachtung: Obwohl die Erde am 29. Juni 2022 ihren kürzesten Tag erreichte, scheint sich die langfristige Rotationsbewegung seit 2020 von einer Verkürzung zu einer Verlängerung verschoben zu haben. Diese Veränderung ist in den letzten 50 Jahren beispiellos.

Der Grund für diese Veränderung ist hingegen nicht klar. Es könnte auf Änderungen in den Wettersystemen mit aufeinanderfolgenden La-Niña-Ereignissen zurückzuführen sein, obwohl diese auch schon zuvor aufgetreten sind. Es könnte ein verstärktes Abschmelzen der Eisschilde sein, obwohl diese in den letzten Jahren nicht massiv von ihrer konstanten Schmelzrate abwichen. Könnte es mit der gewaltigen Vulkanexplosion in Tonga zusammenhängen, die riesige Mengen Wasser in die Atmosphäre spritzt? Wahrscheinlich nicht, da dies erst im Januar 2022 geschah.

Wissenschaftler haben spekuliert, dass diese jüngste mysteriöse Änderung der Rotationsgeschwindigkeit des Planeten mit einem Phänomen namens „Chandler Wobble“ zusammenhängt – einer kleinen Abweichung der Rotationsachse der Erde mit einem Zeitraum von etwa 430 Tagen. Beobachtungen von Radioteleskopen zeigen auch, dass das Wackeln in den letzten Jahren abgenommen hat; die beiden Phänomene könnten miteinander verbunden sein.

Eine letzte Möglichkeit, die wir für plausibel halten, ist, dass sich innerhalb oder um die Erde herum nichts Besonderes geändert hat. Es könnten einfach langfristige Gezeiteneffekte sein, die parallel zu anderen periodischen Prozessen wirken, um eine vorübergehende Änderung der Erdrotationsrate zu erzeugen.




Brauchen wir eine „negative Schaltsekunde“?
Die genaue Kenntnis der Rotationsgeschwindigkeit der Erde ist für eine Vielzahl von Anwendungen entscheidend – Navigationssysteme wie GPS würden ohne sie nicht funktionieren. Außerdem fügen Zeitnehmer alle paar Jahre Schaltsekunden in unsere offiziellen Zeitskalen ein, um sicherzustellen, dass sie nicht aus dem Takt mit unserem Planeten geraten.

Wenn die Erde nun aber zu noch längeren Tagen wechseln würde, müssten wir möglicherweise eine „negative Schaltsekunde“ einbauen – dies wäre beispiellos und könnte dann nicht zuletzt das Internet zerstören, (weshalb sich große Tech-Konzerne wie der Facebook-Mutterkonzern „Meta“ tatsächlich gegen die Einführung einer solchen Schaltsekunde aussprechen).

Die Notwendigkeit negativer Schaltsekunden gilt derzeit als unwahrscheinlich. Das bedeutet, dass wir uns derzeit lediglich jeden Tag ein paar zusätzliche Millisekunden länger Zeit haben.

© TheConversation.com / King & Watson / grenwzissenschaft-aktuell.de (dt. Übers.)