Prof. Avi Loeb: Satelliten die nach UFOs suchen
Wenn wir nach unidentifizierten Phänomenen im Luftraum (UAP) Ausschau halten wollen – die wir früher als UFOs bezeichnet haben – sind wir es gewohnt, nach oben, zum Himmel zu schauen. Aber ist es auch möglich UAP bzw. UFOs zu finden, indem man sie mit Satelliten sucht, die die Erde abbilden? Ein Gastbeitrag von Harvard-Professor Dr. Avi Loeb.
– Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Gastbeitrag von Prof. Dr. Avi Loeb, der am 24. Januar 2022 im englischsprachigen Original auf www.TheHill.com erstveröffentlicht wurde. Der Text wurde – mit freundlicher Genehmigung des Autors (A. Loeb) durch www.GrenzWissenschaft-Aktuell.de (GreWi) ins Deutsche übersetzt. Die vom Autor geäußerten Ansichten sind seine eigenen.
Sechs Monate nach einem UAP-Bericht des Direktors der US-Geheimdienste (…GreWi berichtete), unterzeichnete US-Präsident Joe Biden – mit parteiübergreifender Unterstützung im Kongress – ein Gesetz zur Einrichtung einer neuen UAP-Behörde. Das Büro, das bis Juni 2022 tätig sein soll, wird mit koordinierten Bemühungen zur Meldung und Reaktion auf UAP beginnen und den Datenaustausch zwischen Regierungsbehörden über UAP-Sichtungen erheblich verbessern (…GreWi berichtete).
Tatsächlich existieren bereits heute Technologien und Projekte, die eine Antwort auf die Frage, ob wir UFOs/UAP auch mit Satelliten suchen und finden könnten schon heute: So verwendet etwa „Planet Labs“ beispielsweise seine Flotte von Miniatursatelliten (s. Abb. l.), um einmal täglich die gesamte Erde mit einer räumlichen Auflösung von einem Dutzend Fuß pro Pixel abzubilden. Das Galileo-Projekt, das ich leite, zielt darauf ab, die Natur von UAP zu enträtseln.
Neben dem Bau seines ersten Teleskopsystems auf dem Dach des Harvard College Observatory (…GreWi berichtete) plant das Projekt in den kommenden Monaten, die Daten von „Planet Labs“ für die Suche nach UAP sozusagen auch von oben zu verwenden. (Anm. GreWi: Ein ganz ähnliches, vom Galileo-Projekt jedoch unabhängiges UAP-Ortungssystem hat im Dezember 2021 auch auf dem Dach der Universität Würzburg seinen Dienst aufgenommen …GreWi berichtete)
Algorithmen der künstlichen Intelligenz (KI) können potenziell außerirdische Gerätschaften und Objekte von bekannten Objekten wie einem Meteor, einem Flugzeug oder einem atmosphärischen Phänomen unterscheiden. Da es über der Erdatmosphäre keine Vögel, Flugzeuge oder Blitze gibt, würde jedes Objekt mit einer Flughöhe von mehr als 50 Kilometern ungewöhnlich erscheinen und einer weiteren Analyse bedürfen.
Die einfachste Methode zur Bewältigung dieser Aufgabe wurde von Arthur Conan Doyle in dem Buch „The Case-Book of Sherlock Holmes“ definiert, in dem er feststellte: „Wenn Sie alles Unmögliche eliminiert haben, muss das, was auch immer unwahrscheinlich ist, die Wahrheit sein.“ Deduktion durch Eliminierung ist der beste Weg für einen Höhlenbewohner, zu dem Schluss zu kommen, dass ein Handy kein glänzender Stein ist, weil es – im Gegensatz zu einem solchen Stein – Stimmen und Bilder aufzuzeichnen kann.
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In ähnlicher Weise könnten KI-Algorithmen bei der Analyse neuer Daten von Teleskopen unbekannte Objekte von natürlichen Objekten wie Vögeln und Meteoren oder von Menschenhand geschaffenen Objekten wie Drohnen und Flugzeugen unterscheiden. Das Ergebnis könnte dann Teil einer Lernerfahrung sein, denn wir erinnern uns: „Was bleibt, so unwahrscheinlich es auch sein mag, muss die Wahrheit sein.“
Außerirdische Artefakte und Geräte können von irdischen Objekten unterschieden werden, nicht nur durch eine möglichst hohe Auflösung von Oberflächenmerkmalen wie Bolzen oder Aufschriften im Falle irdischer technologischer Hardware, sondern auch aufgrund eines möglichen ungewöhnlichen Verhaltens.
Zu solchen Verhaltensanomalien gehören Bewegungen mit beispiellosen Geschwindigkeiten oder Beschleunigungen, die für von Menschen verursachte oder natürliche Phänomene nicht möglich oder typisch sind, sowie intelligente Aktivitäten – das Ermitteln von Informationen oder das Reagieren auf bestimmte Bedingungen auf eine Art und Weise, die von und bekannten Objekten nicht erreicht oder nachgeahmt werden kann. Die Kombination aus ungewöhnlichen physikalischen und Verhaltensmerkmalen könnte zweifelsfrei für außerirdische technologische Ausrüstung sprechen.
Sobald ein außerirdisches Objekt identifiziert ist, verlagert sich die Herausforderung auf die Bestimmung seines Zwecks. Es wäre von größter Bedeutung, die Absichten der Besucher unserer Heimat zu kennen, um auch einen Weg zu finden, wie wir mit diesen Besuchern dann auch in Kontakt treten könnten.
Eine Begegnung mit einem außerirdischen Besucher könnte schließlich auch leicht falsch interpretiert werden, wie dies uns die Geschichte vom Trojanischen Pferd aus der griechischen Mythologie zeigt. Insbesondere wenn vielleicht ein KI-System eines solchen Besuchers weit fortgeschrittener ist als unsere natürliche Intelligenz.
Die außerirdische Hardware könnte sich physikalische Realitäten zunutze machen, die über unser derzeitiges wissenschaftliches Verständnis hinausgehen. In einem solchen Fall wäre natürlich auch die Wissensbasis etwa über Quantenmechanik und Gravitation sehr viel fortgeschrittener ist als unser Eigenes.
Tatsächlich ist davon auszugehen, dass unser menschliches Verständnis des Universums noch unvollständig ist – alleine schon, weil wir zwei seiner am häufigsten vorkommenden Bestandteile als „Dunkle Materie“ und „Dunkle Energie“ bezeichnen, da wir ihre Natur nicht besser kennen.
Wir wissen nur, dass Dunkle Materie eine anziehende Gravitation induziert, wie die gewöhnliche Materie, die wir auf der Erde finden, während dunkle Energie eine abstoßende Gravitation induziert – was die beschleunigte Expansion des Universums auslöst.
Zum Thema
Wenn eine außerirdische technologische Zivilisation nun in der Lage wäre, diese unbekannten, aber am häufigsten vorkommenden kosmischen Bestandteile zu nutzen, um den Antrieb ihrer technischen Fahrzeuge zu befeuern, würden unsere Teleskope deren Antriebssignaturen als solche nicht erkennen, da sie sich von jenen unterscheiden, die normalerweise von Fahr- und Flugzeuge, die von Menschenhand geschaffen wurden, auszeichnen.
Die bekannten Gesetze der Physik und Mathematik müssen für alle technologischen Zivilisationen gelten, die in den 13,8 Milliarden Jahren seit dem Urknall jemals existiert haben. Dennoch könnte es immer noch Antriebs- und Kommunikationsfähigkeiten geben, die unsere Vorstellungskraft übersteigen und nicht mit unserem derzeitigen Wissen übereinstimmen. In diesem Fall wird uns eine Begegnung mit außerirdischer Technologie und Hardware Informationen über die Natur selbst und nicht nur über die Existenz anderer Zivilisationen liefern.
Eine solche neue Lektion könnte in sich viel wichtiger sein, weil sie unser Verständnis des Universums insgesamt erweitern wird. Die Heureka-Erlebnis wäre ähnlich wie bei Höhlenbewohnern, die etwas über ferne Landschaften lernen, die sich grundlegend von den bislang bekannten unterscheidet.
Selbst anhand der Beobachtung der Menschheitsgeschichte könnte ein hypothetisches „interstellares Komitee“ entscheiden, dass es noch keine Beweise für Intelligenz im Sonnensystem gibt. Zugleich könnten aber unsere KI-Systeme bereits heute hierbei eine höhere Punktzahl erhalten als wir selbst, weil sie vielleicht der fremden Technologie KI-Systemen ähnlicher sein könnte, als die menschliche Intelligenz.
Prof. Dr. Avi Loeb ist Leiter des „Galileo-Projekts“ in Harvard, einer systematischen wissenschaftlichen Suche nach Beweisen für außerirdische technologische Artefakte. Loeb ist Gründungsdirektor von Harvards Black Hole Initiative, Direktor des Institute for Theory and Computation am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics und Vorsitzender des Beirats des Breakthrough Starshot-Projekts. Er ist Autor des Buches „Außerirdisch: Intelligentes Leben jenseits unseres Planeten“
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