Quelle des irdischen Wassers: Bislang unbekannte Klasse wasserreicher Asteroiden identifiziert

Der Zwergplanet Ceres mit dem Krater Occator in der Bildmitte. Copyright: NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA
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Der Zwergplanet Ceres mit dem Krater Occator in der Bildmitte.Copyright: NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA

Der Zwergplanet Ceres mit dem Krater Occator in der Bildmitte.
Copyright: NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA

Berlin (Deutschland) – Immer noch rätselt die Wissenschaft über die Herkunft des Wassers in unseren irdischen Ozeanen. Neue Beobachtungen offenbaren nun eine bislang unbekannte Klasse von Asteroiden im Asteroiden-Hauptgürtel zwischen Mars und Jupiter, die jedoch ursprünglich aus dem Rand des Sonnensystems stammen und vermutlich einen beträchtlichen Anteil am irdischen lieferten.

Wie eine internationale Wissenschaftlergruppe mit Beteiligung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) aktuell im Fachjournal „Nature Astronomy“ (DOI: 10.1038/s41550-023-01898-x) berichtet, konnten sie diese Kleinplaneten mittels Infrarotspektroskopie mit Hilfe des am Mauna-Kea-Observatorium auf Hawaii identifizieren.

Hintergrund
Als die Erde vor 4,5 Milliarden Jahren entstand, hat sie aus dem solaren „Urnebel“ auch einen Anteil an flüchtigen Stoffen erhalten, die bei der Verfestigung eines frühen Magmaozeans und durch Vulkanismus aus dem Inneren des jungen Planeten ausgegast wurden. Es entstand eine erste Atmosphäre, daraus regnete es und die ersten Ozeane entstanden. Doch auch von außen kam Wasser auf die Erde, von eisigen Kometen, aber wohl auch zu einem beträchtlichen Anteil von Asteroiden mit hohem Eis-Anteil. (Quelle: DLR)

Diese neu identifizierten Asteroiden sind wasserreich und gleichen Objekten dem Zwergplaneten Ceres, der sie Sonne ebenfalls in dieser Region des Sonnensystems umkreist. „Unsere Rechenmodelle zeigen, dass diese Asteroiden kurz nach ihrer Entstehung aus den äußeren Zonen unseres Sonnensystems durch komplexe dynamische Prozesse in den heutigen Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter gelangt sein müssen“, erklärt Dr. Wladimir Neumann, der als Geowissenschaftler an der Technischen Universität Berlin und am DLR-Institut für Planetenforschung an der Studie beteiligt ist.

Mit einem Äquatordurchmesser von rund 900 Kilometern ist Ceres das größte Objekt im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Doch in dieser Region ist der Zwergplanet nicht allein und umkreist die Sonne hier gemeinsam mit zahlreichen weitere Kleinplaneten, den Resten des Baumaterials, aus dem vor 4,5 Milliarden Jahren die Planeten in unserem Sonnensystem entstanden sind. „In diesen kleinen Körpern und ihren Bruchstücken, den Meteoriten, finden sich viele Relikte, die direkte Hinweise auf den Prozess der Planetenbildung geben“, berichtet die DLR-Pressemitteilung.

In der aktuellen Studie zeigen die Forschenden, dass die hiesigen astronomischen Kleinkörper aus allen Regionen des frühen Sonnensystems stammen. „Insbesondere Kleinkörper, die ehemals aus dem äußeren Sonnensystem stammen, haben offenbar schlussendlich das Wasser auf die Erde gebracht, nachdem sie durch Bahnstörungen nach innen wanderten, denn die Bausteine der Planeten im inneren Sonnensystem waren eher wasserarm“, erläutert Prof. Mario Trieloff, der die Forschungsgruppe Geo- und Kosmochemie an der Universität Heidelberg leitet, die ebenfalls an der Untersuchung beteiligt ist.

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Die neuen Messungen erlauben es nun, Ceres-ähnliche Asteroiden bereits ab einem Durchmesser von 100 Kilometern zu identifizieren. „Die Infrarotspektren lassen zugleich Rückschlüsse auf die chemisch-mineralogische Zusammensetzung zu“, berichten die Forschenden. „So befinden sich auf der Oberfläche der entdeckten Asteroiden ebenso wie bei Ceres selbst Minerale, die durch Wechselwirkung mit flüssigem Wasser entstanden sind. Diese Messungen zeigen, dass die Spektren und wahrscheinlich auch die Oberflächenzusammensetzung und Mineralogie einiger Asteroiden mit einem Durchmesser von mehr als 100 Kilometern denen von Ceres stark ähneln. Die identifizierten Asteroiden kreisen alle um die Sonne in einer relativ engen Zone zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter nahe an der Umlaufbahn von Ceres.“

Die astronomischen Kleinkörper seien dabei sehr porös – eine weitere Gemeinsamkeit mit dem Oberflächenmaterial des Zwergplaneten Ceres und ein Hinweis darauf, dass das Gesteinsmaterial noch sehr ursprünglich ist: „Es wurde kurz nach Bildung der Asteroiden nicht ausreichend aufgeheizt, um sich angesichts hoher Temperaturen in ein kompaktes Gesteinsgefüge umzuwandeln, sondern behielt seinen porösen und primitiven Charakter, wie er typisch ist für die äußeren Eisplaneten in großer Sonnenentfernung“, erläutert Dr. Wladimir Neumann, der die thermische Entwicklung der Kleinkörper für die Studie rechnerisch modellierte.

Die Eigenschaften der Ceres-ähnlichen Objekte und ihr Vorkommen in einer relativ engen Zone im äußeren Asteroidengürtel lassen vermuten, dass diese Körper zunächst in einer kalten Region am Rand unseres Sonnensystems jenseits der Umlaufbahn von Pluto entstanden. Gravitationsbedingte Störungen der Bahnen großer Planeten wie Jupiter und Saturn veränderten die Flugbahn anderer wasserreicher Asteroiden mit einem etwas kleineren Wasseranteil als die neue Klasse so, dass sie aus ihrem ursprünglichen Bereich zwischen Jupiter und Pluto in Richtung der Sonne in den heutigen Asteroidengürtel „geschoben“ wurden.

Die neue Klasse der Ceres-ähnlichen Asteroiden wurde hingegen wenige Millionen Jahre später durch die Instabilität der Eisriesen (Uranus und Neptun) aus ihren transplutonischen Umlaufbahnen in den äußeren Teil des Asteroidengürtels implantiert. Dies zeigen numerische Berechnungen von Dr. Sean Raymond (Université de Bordeaux) zu den Bahnentwicklungen im frühen Sonnensystem. „Diese Studie zeigt, dass viele der größten Objekte des Asteroidengürtels gemeinsamen Ursprung mit dem Zwergplaneten Ceres haben könnten. Die Verallgemeinerung unseres Wissens über Ceres auf eine größere Population trägt wesentlich zu unserem Verständnis über die globale Entwicklung des Asteroidengürtels und des Sonnensystems bei“, erläutert abschließend Prof. Jürgen Oberst, der Leiter der Abteilung Planetengeodäsie an der Technischen Universität Berlin.




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Recherchequelle: DLR

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