Rätsel um NASA-Erfolg bei Kalter Fusion

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Eine mögliche Anwendung der Kalten Fusion für Weltraumantriebe in einer grafischen Darstellung (Illu.). Copyright: NASA

Eine mögliche Anwendung der Kalten Fusion für Weltraumantriebe in einer grafischen Darstellung (Illu.).
Copyright: NASA

Cleveland (USA) – Auf der Suche nach einer neuen Energiequelle für Weltraumerkundungsmissionen hat ein Team von NASA-Wissenschaftlern offenbar eine Methode zur Auslösung der Kernfusion im Raum zwischen den Atomen eines Metallfeststoffs gefunden und die Forschungsergebnisse sogar bereits im vergangenen April in gleich zwei Fachartikeln publiziert. Doch warum hat die Öffentlichkeit davon bislang noch nichts gehört?

Wie die NASA auf der Webseite ihres Glenn Research Center (GRC) selbst online berichtet, hat das Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern u.a. um Dr. Bruce Steinetz und Dr. Theresa Benyo vom GRC und Dr. Vladimir Pines die Ergebnisse bereits in der Aprillausgabe des wissenschaftlichen Fachjournals „Physical Review C“ (DOI: 10.1103/PhysRevC.101.044609 und 10.1103/PhysRevC.101.044610) publiziert.

Bei der Kernfusion handelt es sich um einen Prozess, bei dem Energie erzeugt wird, wenn sich zwei Kerne zu einem schwereren Kern verbinden. Wissenschaftler sind an Fusion interessiert, weil sie enorme Mengen an Energie erzeugen könnte, ohne langlebige radioaktive Nebenprodukte zu hinterlassen“, erläutert Benyo und führt dazu weiter aus: „Herkömmliche Fusionsreaktionen sind jedoch nur schwer zu erreichen und aufrechtzuerhalten, da sie auf so extremen Temperaturen beruhen, um die starke elektrostatische Abstoßung zwischen positiv geladenen Kernen zu überwinden, sodass der Prozess bislang unpraktisch war.“

Die von der NASA als „Lattice Confinement Fusion“ bezeichnete Methode führe nun Fusionsreaktionen mit Deuterium, einen weit verbreiteten nicht radioaktiven Wasserstoffisotop, das aus einem Proton, einem Neutron und einem Elektron besteht und mit „D“ bezeichnet wird, als „Brennstoff“ durch, das im Raum zwischen den Atomen eines Metallfeststoffes eingeschlossen ist.

Hintergrund
– In früheren Fusionsforschungen wie der „Inertial Confinement Fusion“ (Trägheitsfusion) wurde Kraftstoff (wie Deuterium / Tritium) auf extrem hohe Werte komprimiert, jedoch nur für einen kurzen Zeitraum von Nanosekunden, in dem eine Fusion stattfinden kann.
– Bei der ersehnten Fusion mit magnetischen Kernfusionsreaktoren wird der Brennstoff in einem Plasma auf Temperaturen erhitzt, die viel höher sind als die im Zentrum der Sonne.

Bei dem jetzt beschriebenen Verfahren kann von sogenannter Kalter Fusion gesprochen werden, da die zur Fusion ausreichende Bedingungen in den Grenzen des Metallgitters geschaffen werden, das bei Umgebungstemperaturen gehalten wird. Während das mit Deuteriumbrennstoff beladene Metall-Atomgitter zunächst Raumtemperatur zu haben scheint, schafft die neue Methode eine energetische Umgebung innerhalb des Atomgitters, in der einzelne Atome äquivalente kinetische Energien auf Fusionsniveau erreichen. Ein Metall wie Erbium ist „deuteriert“ oder mit Deuteriumatomen (Deuteronen) beladen, die den Brennstoff milliardenfach dichter verpacken als in Fusionsreaktoren wie etwa dem „Tokamak“-Reaktor.

Zur neuen Methode erläutert die Webseite des Glenn Research Center der NASA:

„Diese ‚erwärmt‘ oder beschleunigt eine Neutronenquelle Deuteronen ausreichend, so dass bei einer Kollision mit einem benachbarten Deuteron D-D-Fusionsreaktionen auftreten. In den aktuellen Experimenten wurden die Neutronen durch Photodissoziation von Deuteronen durch Belichtung mit einem 2,9 + MeV-Gammastrahl (energetisches Röntgen) erzeugt. Bei der Bestrahlung dissoziieren einige der Brennstoffdeuteronen, was sowohl zu den benötigten energetischen Neutronen als auch zu den Protonen führt. Neben der Messung von Fusionsreaktionsneutronen beobachtete das Glenn-Team auch die Produktion noch energetischerer Neutronen, was auf verstärkte Fusionsreaktionen oder gescreente Oppenheimer-Phillips (O-P) -Kern-Stripping-Reaktionen mit den Metallgitteratomen hinweist. Jede Reaktion eröffnet einen Weg zur Prozessskalierung.“

Zu dieser Abbildung erläutert die NASA-Weseite: „Darstellung der Hauptelemente des beobachteten Gittereinschlussfusionsprozesses. In Teil (A) ist ein Erbiumgitter mit Deuteriumatomen (d. H. Erbiumdeuterid) beladen, die hier als Deuteronen existieren. Bei Bestrahlung mit einem Photonenstrahl dissoziiert ein Deuteron und das Neutron und das Proton werden ausgestoßen. Das ausgestoßene Neutron kollidiert mit einem anderen Deuteron und beschleunigt dieses als energetisches ‚d *‘, wie in (B) und (D) gezeigt. Das ‚d *‘ induziert entweder gescreente Fusion (C) oder gescreente Oppenheimer-Phillips (O-P) -Entfernungsreaktionen (E). In (C) kollidiert das energetische ‚d *‘ mit einem statischen Deuteron ‚d‘ im Gitter und sie verschmelzen miteinander. Diese Fusionsreaktion setzt entweder ein Neutron und Helium-3 (gezeigt) oder ein Proton und Tritium frei. Diese Fusionsprodukte können auch in nachfolgenden Kernreaktionen reagieren und mehr Energie freisetzen. In (E) wird ein Proton von einem energetischen ‚d *‘ befreit und von einem Erbium (Er) -Atom eingefangen, das dann in ein anderes Element, Thulium (Tm), umgewandelt wird. Wenn das Neutron stattdessen von Er eingefangen wird, wird ein neues Isotop von Er gebildet (hier nicht abgebildet).“ Copyright/Quelle: Steinetz et al. / GRC-NASA

Zu dieser Abbildung erläutert die NASA-Weseite: „Darstellung der Hauptelemente des beobachteten Gittereinschlussfusionsprozesses. In Teil (A) ist ein Erbiumgitter mit Deuteriumatomen (d. H. Erbiumdeuterid) beladen, die hier als Deuteronen existieren. Bei Bestrahlung mit einem Photonenstrahl dissoziiert ein Deuteron und das Neutron und das Proton werden ausgestoßen. Das ausgestoßene Neutron kollidiert mit einem anderen Deuteron und beschleunigt dieses als energetisches ‚d *‘, wie in (B) und (D) gezeigt. Das ‚d *‘ induziert entweder gescreente Fusion (C) oder gescreente Oppenheimer-Phillips (O-P) -Entfernungsreaktionen (E). In (C) kollidiert das energetische ‚d *‘ mit einem statischen Deuteron ‚d‘ im Gitter und sie verschmelzen miteinander. Diese Fusionsreaktion setzt entweder ein Neutron und Helium-3 (gezeigt) oder ein Proton und Tritium frei. Diese Fusionsprodukte können auch in nachfolgenden Kernreaktionen reagieren und mehr Energie freisetzen. In (E) wird ein Proton von einem energetischen ‚d *‘ befreit und von einem Erbium (Er) -Atom eingefangen, das dann in ein anderes Element, Thulium (Tm), umgewandelt wird. Wenn das Neutron stattdessen von Er eingefangen wird, wird ein neues Isotop von Er gebildet (hier nicht abgebildet).“
Copyright/Quelle: Steinetz et al. / GRC-NASA

Ein neues Merkmal des neuen Verfahrens, so die NASA-Forschungseinrichtung weiter, sei die entscheidende Rolle von Metallgitterelektronen, deren negative Ladungen dazu beitragen, die positiv geladenen Deuteronen zu „screenen“. Dieses Screening ermögliche es benachbarten Brennstoffkernen, sich näher zu nähern, wodurch die Wahrscheinlichkeit verringert werde, dass sie sich einfach gegenseitig streuen, und die Wahrscheinlichkeit erhöht werde, dass sie durch die elektrostatische Barriere tunneln, um so die Fusion zu fördern. Das entspräche dann auch genau jener Theorie, die der theoretische Physiker des Projekts, Vladimir Pines, Ph.D., von PineSci, entwickelt habe.

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„Die aktuellen Ergebnisse eröffnen einen neuen Weg, um Fusionsreaktionen für weitere Studien innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft auszulösen“, so der der Hauptforscher des NASA-Projekts, Dr. Bruce Steinetz. „Die Reaktionsgeschwindigkeiten müssen jedoch erheblich erhöht werden, um nennenswerte Leistungsniveaus zu erreichen, die unter Verwendung verschiedener in Betracht gezogener Reaktionsmultiplikationsmethoden möglich sein können.“

In weiteren Schritten sind die NASA-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun darum bemüht, noch existierende Hürden zu überwinden und so praktische Anwendungen für die Methode zu entwerfen.

Angedacht sind schon jetzt Energiesysteme für Langzeit-Weltraummissionen und Antriebe im Weltraum. Zudem könnte die Methode auch zur Erzeugung elektrischer Energie und medizinischer Isotope für die Nuklearmedizin verwendet werden, so das NASA-Labor abschließend.

Anm. GreWi: Bleibt sich die Frage, warum ein derart revolutionärer Durchbruch in der Fusionsforschung bislang zwar sauber in einem Wissenschaftsjournal publiziert, aber noch kaum öffentliches Interesse hervorgerufen hat und auch nur auf einer Unterseite der NASA selbst veröffentlicht wurde? Hierzu hat Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) Dr. Theresa Benyo vom Glenn Research Center der NASA bereits vor vier Tagen um eine Erläuterung gebeten. Eine Antwort lag bis zum Redaktionsschluss dieser Meldung jedoch noch nicht vor. Ähnliche Fragen stellen sich auch andere Journalisten, u.a. auf NASAwatch.com. Doch auch hier bislang ohne Antwort. Sobald diese vorliegt, wird GreWi erneut berichten…




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Quelle; Glenn Research Center (NASA)

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