Rätsel um römischen Beton gelöst
Cambridge (USA) – Die alten Römer gelten als Meister der Baukunst, deren Werke die Jahrtausende überstanden und wohl auch noch viele weitere Jahrhunderte überdauern werden, werden viele modernen Bauten schon nach Jahrzehnten brüchig werden. Ein Geheimnis vieler römischer Bauwerke, etwa des Pantheons in Rom mit seiner selbst heute noch weltweit größten freitragenden Kuppel, ist die Verwendung von Beton. Von jeher galt die Zusammensetzung des römischen Betons, dem teilwesie fast schon mystische Eigenschaften zugesprochen wurden, als Geheimnis und Rätsel der Antike, das nun jedoch von Forschende gelöst wurde.
Wie das Team aus Forschenden um Prof. Admir Masic, Linda M. Seymour und Janille Maragh vom Masschussetts Institute of Technology (MIT), James C. Weaver von der Harvard University, Michel Di Tommaso vom Schweizer Istituto Meccanica dei Materiali SA Italien und der Schweiz aktuell im Fachjournal „Science Advances“ (DOI: 10.1126/sciadv.add1602) berichten, galt lange Zeit vulkanische Asche aus der Region Pozzuoli in der Bucht von Neapel als Schlüsselzutat für die Beständigkeit des römischen Betons.
Eine neue Analyse antiker Proben zeigt nun, dass diese auch millimeterkleine Strukturen eines weißen Materials beinhalten, die bislang kaum Beachtung fanden. „Diese weißen Bröckchen, sogenannte Kalkklasten, stammen aus Kalk – einem weiteren Schlüsselbestandteil der antiken Betonmischung“, erläutert Masic. „Diese sind nicht Bestandteil von modernem Betonmischungen. Wir haben uns also gefragt, welche Funktion sie im Beton der Römer hatten.“
Zuvor seien diese Partikel als Hinweise auf nachlässige Mischvorgänge oder niedriger Materialqualität. In ihrer neuen Analyse zeigen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, dass es genau diese Kalkklasten sind, die dem römischen Beton einen bislang unbekannten, sich sozusagen selbst regenerierenden Effekt auf den Baustoff ausübt.
„Die Vorstellung, dass das Vorhandensein dieser Partikel lediglich aufgrund von Nachlässigkeit Teil des römischen Betons sein sollte, hat mich immer schon verwundert, –hon verwundert – gerade weil die Römer offenbar eigentlich über Jahrhunderte hinweg so viel Überlegung in die Rezepturen und Optimierung ihres Baumaterials einfließen ließen“, erläutert Masic.
www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER können Sie den täglichen kostenlosen GreWi-Newsletter bestellen +
Mittels hochauflösender Bildgebung und chemischer Analysen kommen die Forschenden nun zu der Schlussfolgerung, dass es gerade diese Kalkklasten sind, die zur Haltbarkeit des römischen Betons beitragen. Während zuvor angenommen wurde, dass Kalk lediglich allgemein beigefügt wurde, zeigen die spektroskopischen Analysen, dass im römischen Beton unterschiedliche Formen von Kalziumkarbonaten, von denen einige unter extremen Temperaturen entstanden sein müssen, wie sie eigentlich nur durch exothermische Reaktionen mittels Branntkalk, – also beabsichtigt – erzeugt werden können. Derartiges „heißes Mischen“, so schlussfolgert das Team, sei tatsächlich der Grund für die supra-haltbare Natur des römischen Betons.
Dabei seien die Vorteile dieses heißen Mischens zweierlei: „Zum einen erlaubt die extreme Erhitzung der Betonmixtur chemische Prozesse, wie sie alleine durch gelöschten Kalk nicht möglich sind, da diese Bestandteile nur durch Hochtemperaturen entstehen. Zum anderen reduzieren die beteiligten hohen Temperaturen die Setzungs- und Trockenzeiten des Materials, da alle Reaktionen beschleunigt und dadurch schnellere Konstruktionsprozesse erlaubt.“
Wie die Forschenden in ihrer Studie erläutern, entwickeln die Kalkklasten „charakteristische spröde Nanopartikelarchitektur, durch die eine leicht gebrochene und reaktive Kalziumquelle erzeugt wird“, von der das Team annimmt, dass sie zu wichtigen Selbstheilungseffekten des Materials beiträgt. „Sobald sich im Beton kleinste Risse bilden, können diese vorzugsweise durch die Oberschicht der Kalkklasten wandern. Dieses Material kann dann mit Wasser reagieren und eine mit Kalzium gesättigte Lösung erzeugen, die selbst wieder zu Kalziumkarbonat kristallisiert und so schnell die Risse füllt oder mit puzzalonischen Materialien reagieren und so den Beton zusätzlich stärken. Diese Reaktionen ereignen sich demnach unmittelbar und reparieren dadurch geradezu automatisch genau jene Risse, die sie zuvor erzeugt haben.
Um diese These zu überprüfen, reproduzierten die Forschenden den Effekt und wendeten das Material auf gezielt herbeigeführte Risse und Schäden an. Das Ergebnis war eindeutig: Die Schäden reparierten sich sozusagen von selbst und Wasser konnte nicht weiter eindringen und fließen. Ein Vergleichsblock, der ohne das antike Material und Verfahren hergestellt wurde, blieb beschädigt und wasserführend, was zu weiteren internen Schäden führte.
Jetzt wollen die Forscher und Forscherinnen, die gewonnen Erkenntnisse nutzen, um sie in ein kommerzielles Zement-Produkt zu überführen, das besonders für den 3-D-Druck von Bauwerken und deren Beständigkeit interessant sein dürfte. Zudem, so hoffen sich die Forschenden um Masic, könnte das Produkt die Umweltbelastung durch die Zementproduktion reduzieren, die derzeit rund 8 Prozent der weltweiten Klimaemissionen darstellt. Zu weiteren Projekten des Teams um Masic gehört denn auch die Entwicklung von Beton, der Kohlendioxid aus der Luft absorbieren und binden kann.
Recherchequelle: MIT
© grenzwissenschaft-aktuell.de