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Rätsel um sitzend bestattete Kelten in Frankreich

Zwei der Sitzgräber von Dijon.Copyright: Hervé Laganier, Inrap
Zwei der Sitzgräber von Dijon.
Copyright: Hervé Laganier, Inrap

Dijon (Frankreich) – Bei Bauarbeiten an einer Schulanlage in Dijon stießen Arbeiter auf ungewöhnliche Sitz-Gräber aus der gallischen Eisenzeit sowie eine Nekropole aus gallo-römischer Zeit.

Wie das Team aus Archäologen und Archäologinnen um Hervé Laganier und Annamaria Latron vom französischen „Institut national de recherches archéologiques préventives“ (INRAP) aktuell berichtet, wurden die ungewöhnlichen gallischen Gräber im Rahmen der Ausgrabungen zur Umstrukturierung der Schulanlage Josephine Baker in Dijon an der Côte-d’Or entdeckt. Zudem wurden eine gallo-römische Nekropole mit Bestattungen vorwiegend von Kleinkindern sowie archäologische Spuren gefunden, die bis in die moderne Zeit reichen.

Wie das INRAP berichtet, liegt die Grabungsstätte am südlichen Ende des ehemaligen Gartens des Cordeliers-Klosters, heute begrenzt durch die moderner Stadtmauer Rue de Tivoli. Weniger als 100 Meter nördlich der Grabung haben zwei archäologische Untersuchungen in den 1990er Jahren vor dem Bau des Parkplatzes Sainte-Anne und der Residenz Fyot Spuren von Besiedlungen aus der späten gallischen und römischen Zeit nachgewiesen.

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Sitzend bestattete Kelten-Männer – nahe Kinder-Nekropol

Die Hauptbefunde der neuen Grabung betreffen jedoch individuelle Bestattungen von sitzend beigesetzten Verstorbenen, die wahrscheinlich aus der zweiten Eisenzeit stammen.
Im Gegensatz zu einigen anderslautenden Medienberichten über die Entdeckung handelt es sich bei diesen sitzend bestatteten Personen jedoch nicht um Kinder, sondern um Erwachsene. Die in der Nähe gefundenen, rund 20 Kleinkinder-Gräber stammen hingegen aus einer gallo-römischen Nekropole aus dem 1. Jahrhundert.

In ausgehobenen Gruben wurden hingegen 13 Individuen buchstäblich beigesetzt. Diese kreisförmigen Gruben mit etwa einem Meter Durchmesser sind in regelmäßigem Abstand entlang einer 25 Meter langen, süd-nordlich ausgerichteten Linie angeordnet. Trotz starker Erosion, die einige oberflächennahen Knochen zerstört oder verschoben hat, sind die Gräber insgesamt gut erhalten.

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Sitzend auf dem Boden der Grube, den Rücken gegen die östliche Grubenwand gelehnt und mit Blick nach Westen gewandt, ruhten die Arme dieser Erwachsenen am Körper, die Hände lagen in der Nähe des Beckens oder der Oberschenkel. Ihre Beine waren stark, oft jedoch asymmetrisch angewinkelt. Außer einem schwarzen Steinarmreif (datiert auf 300 bis 200 v. Chr.) wurden keine persönlichen Beigaben gefunden. Diese Datierung bestätigt die Zugehörigkeit zur gallischen Epoche.

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Frühere Funde und Deutungsversuche

Schon in den 1990er Jahren wurden bei Grabungen im nahegelegenen Viertel Sainte-Anne zwei ähnliche Bestattungen entdeckt. „Diese Nähe lässt vermuten, dass es sich um dieselbe Besiedlung handelt, die sich von der Rue Turgot aus nach Norden erstreckte. Dort wurde ein Gebiet identifiziert, das zwischen dem Ende der gallischen Epoche und dem frühen 1. Jahrhundert n. Chr. strukturiert wurde. Es umfasste einen imposanten Wehrgraben sowie eine Straße, die von einer Zone gesäumt war, in der Tierkadaver bestattet wurden. Diese enthielt ganze Skelette von Hunden, Schafen und Schweinen, was auf einen Kultplatz aus der späten gallischen Zeit hinweisen könnte.“

Sitzend bestattete Verstorbene sind seit der Mittelsteinzeit (Mesolithikum) bekannt, jedoch während der gesamten Protohistorie eher selten. „Es ist noch zu früh, um abschließende Schlüsse zur Nutzung des Friedhofs in der Rue Turgot zu ziehen“, so die INRAP-Forschenden. „Dennoch deuten die einheitlichen Grabformen und die ähnlichen Bestattungsriten darauf hin, dass sie zur Latène-Zeit (ca. 450 bis 25 v. Chr.) gehörten. Nur etwa ein Dutzend archäologischer Stätten in Europa haben bislang rund 50 sitzende Bestattungen geliefert. Diese Gräber befinden sich oft in der Nähe aristokratischer Siedlungen oder Kultplätze, jedoch abseits von Nekropolen.“

Ein weiteres Beispiel der Sitz-Bestattung von Dijon.Copyright: Hervé Laganier, Inrap
Ein weiteres Beispiel der Sitz-Bestattung von Dijon.
Copyright: Hervé Laganier, Inrap

Weiter heißt es: „Neun dieser Stätten befinden sich in Frankreich (nördliche Gallien), drei weitere in der Schweiz. Trotz der geografischen Verstreuung weisen sie Gemeinsamkeiten auf: Die Gräber liegen an den Rändern von Siedlungen, die Bestatteten sind Erwachsene, meistens Männer. Die standardisierte Haltung erinnert an figürliche Darstellungen kniender oder sitzender Personen aus Stein oder Metall aus der Latène-Zeit und dem frühen Römischen Reich. Diese Bestattungsart könnte für eine besondere gesellschaftliche Gruppe reserviert gewesen sein – etwa für Krieger, Vorfahren oder religiöse Persönlichkeiten.“

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Eine Nekropole für Kleinkinder aus der gallo-römischen Zeit

Unabhängig von den gallischen Bestattungen wurde eine gallo-römische Nekropole aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. entdeckt. Sie enthielt 22 Gräber von Kindern unter einem Jahr. Die hier Verstorbenen wurden in rücken- oder seitenliegender Position bestattet.

Einige Gräber wiesen steinerne Umrandungen oder Hinweise auf Holzsärge auf (nachgewiesen durch erhaltene Nägel). Beigaben wie Münzen oder Keramik waren ebenfalls vorhanden. Die Gräber sind in Gruppen angeordnet, jedoch wurden einige durch spätere landwirtschaftliche Arbeiten zerstört.

Steinverkleidung einer Kindersargbestattung vor der Ausgrabung.Copyright: Astrid Couilloud, Inrap
Steinverkleidung einer Kindersargbestattung vor der Ausgrabung.
Copyright: Astrid Couilloud, Inrap
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Spuren von landwirtschaftlicher Nutzung in der Antike?

Im östlichen Bereich der Grabung wurden parallele Pflanzgruben mit quadratischem Grundriss gefunden. Diese könnten aus der gallo-römischen Zeit stammen und für den Weinbau genutzt worden sein, ähnlich wie jene in Gevrey-Chambertin (2008 nachgewiesen).

Funde aus der Neuzeit und Moderne

Diese älteren Strukturen wurden durch etwa 1,4 Meter dicke Gartenböden der Neuzeit überdeckt, die zum ehemaligen Cordeliers-Kloster gehörten. Spätere Bauarbeiten, darunter die Errichtung der Schule Turgot 1877, haben einige dieser Spuren zerstört.

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Recherchequelle: INRAP

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Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
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