Rätselhafte FRBs: Bislang fernster schneller Radioblitz nachgewiesen

Copyright: ESO/M. Kornmesser
Macquarie Park (Australien) – Bereits seit Jahren stellen extrem hochenergetische und ebenso schnelle Radiostrahlenausfrüche, sogenannte Fast Radio Bursts (FRB) Astronomen und Astronominnen vor ein Rätsel. Handelt es sich um natürliche astrophysikalische Phänomene oder um gezielte Botschaften ferner Zivilisationen? Jetzt hat ein internationales Team den bislang fernsten dieser Ausbrüche kosmischer Radiowellen entdeckt.
Wie das Team um Stuart Ryder von der Macquarie University und Ryan Shannon, Professor an der Swinburne University of Technology in Australien aktuell im Fachjournal „Science“ (DOI: 10.1126/science.adf2678) berichtet, währte der Radioblitzen weniger als eine Millisekunde. Seine Quelle konnten die Forschenden mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) in einer Galaxie lokalisieren, die so weit entfernt ist, dass ihr Licht acht Milliarden Jahre gebraucht hat, um uns zu erreichen. Zugleich war der Radioblitz auch einer der energiereichsten, die je beobachtet wurden: „In einem winzigen Bruchteil einer Sekunde gab er die äquivalente Energiemenge von 30 Jahren der Gesamtemission unserer Sonne frei“, erläutert die ESO-Pressemitteilung.
Unter der Bezeichnung „FRB 20220610A“, wurde der Radioblitz ursprünglich im Juni des letzten Jahres vom mit dem ASKAP-Radioteleskop in Australien entdeckt und übertraf den bisherigen Distanzrekord des Teams um 50 Prozent.
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„Mit dem ASKAP-Antennenfeld konnten wir genau bestimmen, woher der Ausbruch kam“, erläutert Ryder. „Dann haben wir [mit dem VLT der ESO] in Chile nach der Quellgalaxie gesucht und haben festgestellt, dass sie älter und weiter entfernt ist als jede andere bisher gefundene Radioblitz-Quelle und wahrscheinlich innerhalb einer kleinen Gruppe verschmelzender Galaxien liegt.“
Eine Analyse der Daten zeigte zudem, dass FRBs auch dazu verwendet werden können, die „fehlende“ Materie zwischen Galaxien zu messen und somit eine neue Möglichkeit bieten, das Universum astronomisch zu „wiegen“.
Hintergrund
Aktuelle Methoden zur Schätzung der Masse des Universums liefern widersprüchliche Antworten und stellen das Standardmodell der Kosmologie infrage. „Wenn wir die Menge an normaler Materie im Universum zählen – den Atomen, aus denen wir alle bestehen – stellen wir fest, dass mehr als die Hälfte von dem, was heute vorhanden sein sollte, fehlt“, sagt Ryan Shannon. „Wir vermuten, dass sich die fehlende Materie im Raum zwischen den Galaxien verbirgt, aber sie ist vielleicht so heiß und diffus, dass sie mit üblichen Techniken nicht sichtbar ist. Schnelle Radioblitze erkennen dieses ionisierte Material. Selbst in einem nahezu perfekt leeren Raum können sie alle Elektronen sehen, und das ermöglicht es uns, zu messen, wie viel Materie zwischen den Galaxien ist“, erklärt Shannon. Das Auffinden entfernter schneller Radioblitze ist entscheidend für die genaue Messung der fehlenden Materie des Universums, wie der verstorbene australische Astronom Jean-Pierre (J-P) Macquart 2020 nachgewiesen hat. „J-P hat gezeigt, dass je weiter ein schneller Radioblitz entfernt ist, desto mehr diffuse Gase er zwischen den Galaxien nachweisen kann. Dies wird jetzt als Macquart-Beziehung bezeichnet. Einige kürzlich aufgetretene schnelle Radioblitze schienen diese Beziehung zu brechen. Unsere Messungen bestätigen, dass die Macquart-Beziehung bis über die Hälfte des bekannten Universums hinausreicht“, erläutert Ryder.
(Quelle: ESO)
Obwohl immer noch nicht klar ist, wie FRB genau entstehen bestätigt die Studie auch, dass schnelle Radioblitze häufige Ereignisse im Kosmos sind. Die enormen Energiemengen, gepaart mit dieser Häufigkeit widersprechen vermutlich der Vorstellung, dass es sich um künstliche Signale handelt.
Allerdings schränken die Astronomen ein, dass das aktuelle Ergebnis die Grenze dessen darstelle, was heute mit Teleskopen erreicht werden kann. Doch schon bald könnten mit den neusten Radioteleskopanlagen und Australien und Südafrika Instrumente zur verfügung stehen, um noch ältere und fernere Ausbrüche zu erkennen, ihre Quellgalaxien zu bestimmen und die fehlende Materie des Universums zu messen und vermutlich Tausende von schnellen Radioblitzen zu entdecken – darunter auch jene, die so weit entfernt entstehen, dass aktuelle Instrumente dafür noch blind sind. Auch das sich derzeit noch im Bau befindliche Extremely Large Telescope (ExLT) der ESO, ein 39-Meter-Teleskop in der chilenischen Atacama-Wüste, wird eines der wenigen Teleskope sein, das in der Lage ist, die Quellgalaxien von Ausbrüchen zu untersuchen, die noch weiter entfernt sind als der aktuelle und neue Rekordhalter FRB 20220610A.
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Recherchequelle: ESO
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