Rekonstruiert: „Rätselsteine“ von Pumapunku ergeben zeitgenössische lokale Architektur
Los Angeles (USA) – Nicht nur Archäologen, auch Vertretern der sog. Prä-Astronautik (also jener Theorie, laut der die vor- und frühgeschichtlichen Götter fehlgedeutete, vorgeschichtliche außerirdische Besucher waren) ist das Ruinenfeld von Pumapunku im bolivianischen Andenhochland ein Begriff. Hier künden heute nur noch Fragmente von einem lang vergessenen Wissen über erstaunlich präzise Be- und Verarbeitung selbst härtester Gesteine. In Kleinstarbeit haben Archäologen nun das Ruinenfeld erfasst und die Einzelteile in 3D-Modelle übertragen, mit deren Hilfe ihnen nun die Rekonstruktion der Anlage gelungen ist. Entgegen exotischen Interpretationen des Bauwerks, zeigt diese nun, dass sich die Architektur zum lokalen und zeitgenössischen Stil der umliegenden Städte passt.
Einst ein beeindruckendes monolithisches Bauwerk unweit der präkolumbianischen Anden-Metroppole Tiwanaki, ragen heute – nach den Zerstörungen der Spanier, späterer Indios und nicht zuletzt der modernen bolivianischen Armee und Gabräubern – nur noch vereinzelte, größtenteils in Trümmern liegende Elemente des ehemaligen Tempelkomplexes von Pumapunku (dt: das Tor des Jaguar) aus dem kargen Boden. Schon die spanischen Konquistadoren beschrieben die Anlage Mitte des 16. Jahrhunderts als „unfassbar“ und den eigenen Baumeistern unmöglich.
Weltweit bekannt wurde das Ruinenfeld nicht zuletzt durch Erich von Däniken, der darin eindeutige Anzeichen für eine bis heut unerreichte vorgeschichtliche – vermutlich außerirdische – Technologie sieht.
Seit rund 150 Jahren wird Pumapunku nun immer wieder archäologisch erforscht. Die Aufzeichnungen dieser teils historischen und neuzeitlichen Untersuchungen dienten nun dem Team um den Archäologen Alexei Vranich von der University of California in Los Angeles gemeinsam mit Vermessungen und Scans vor Ort als Grundlage der bislang detailliertesten und genauesten digitalen Rekonstruktion von Pumapunku. Die Digitaldaten wiederum nutzten die Forscher dann zur Erstellung von 3D-Ausdrucken, mit deren Hilfe den Archäologen erstmals gelungen ist, die einzelnen Fragmente zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzusetzen.
Wie die Archäologen um Vranich aktuell im open-access Fachjournal „Heritage Science“ (DOI: 10.1186/s40494-018-0231-0) berichten, sei es „mittels der 3D-Ausdrucke sehr viel leichter, die einzelnen Puzzle-Teile zusammenzusetzen, als mit virtuellen Modellen.“ „Virtuelle Modelle sind deutlich weniger intuitiv und kreativ handhabbar, können sehr viel leichter manipuliert werden und unterliegen sehr viel schneller vorgefassten Meinungen und Interpretationen. Die millimetergenauen etwa 150 3D-Ausdrucke im Maßstab 4:100 stellen die Fragmente hingegen genau so dar, wie sie sind.“
Laut Vranich und Kollegen zeige das Ergebnis, das Pumapunku – im Gegensatz zu andersartigen Behauptungen – durchaus stilistisch zu den Bauten der präkolumbianischen Städte der Region passe.
– Die gewonnenen 3D-Daten haben die Archäologen online veröffentlicht, damit sie auch anderen Forschern zur Verfügung stehen.
Abschließend lässt es sich Vranich auch nicht nehmen, seine Ergebnisse als „handfesten Beweis“ gegen Vorstellungen und Behauptungen darzustellen, Pumapunku sei von außerirdischen Besuchern erschaffen worden. Dabei beruft sich der Archäologe allerdings ausschließlich auf die Behauptung einiger Prä-Astronautiker, die Architektur selbst sei mit keiner anderen bekannten irdischen Bauweise vergleichbar.
Dabei übersehen Vranich und jene Medien – die seine entsprechende Passage derzeit als Schlagzeile nutzen – jedoch, dass der Architekturstil gar nicht das Hauptargument der Prä-Astronautik ist: Schon in seinen frühen Ausführungen konzentriert sich etwa deren prominentester Vertreter, Erich von Däniken, weniger auf den architektonischen Stil (…denn selbst dieser könnte ja nicht nur in Pumapunku sondern auch den umliegenden Andenstädten von den „Besuchern“ überliefert worden sein), sondern hauptsächlich auf die tatsächlich erstaunliche Fähigkeit der Erbauer von Pumapunku zur höchstpräzisen Be- und Verarbeitung selbst der härtesten in Pumapunku verwendeten Steinarten wie Andesit bzw. Diorit. Archäologen zeigen sich hingegen zuversichtlich, auch die auf Pumapunku gefundenen Fragmente mit den zeitgenössischen Mitteln der Erbauer der Anlage erklären zu können.
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