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Rest in Pieces: Mögliches „Vampirgrab“ in Kroatien entdeckt
Andreas Müller
4 min
Die ungewöhnliche Position des Verstorbenen im Grab. Copyright: Milica Nikolic
Racesa (Kroatien) – Bei Ausgrabungen an der archäologischen Fundstätte Racesa haben kroatische Archäologen ein ungewöhnliches Grab entdeckt: Die zerstückelt und zerstreut im Sarg platzierten Körperteile deuten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Gab eines Mannes, von dem seine Mitmenschen offenbar befürchteten, ein Vampir zu sein.
Wie Dr. Natasa Sarkic und Roberto Cighetti aktuell im Tagungsband der Konferenz „Military Orders And Their Heritage 2024“ (ISBN 978-953-6064-77-9) berichten, fanden sich die Überreste des Verstorbenen, die – offenbar postmortal – absichtlich zerstückelt, umpositioniert und zusätzlich von zwei Steinen an Kopf und Füßen beschwert, dass die Forschenden vermuten, dass diese Bestattung entweder den sozialen Status des Verstorbenen widerspiegelte oder mit der Angst vor Vampirismus zusammenhing.
Die archäologische Fundstätte Racesa, vermutlich eine ehemalige Festung in der Nähe der Siedlung Bobare markiert ein Anwesen aus dem 13. bis 16. Jahrhundert, das ursprünglich dem Templer-Orden gehörte, später dem Orden der Johanniter als Hospital diente und schließlich dem lokalen Adel gehörte.
Während die meisten hier in der Nähe eines Sakralbaus bestatteten Verstorbenen im 15. bis 16. Jahrhundert in der Regel auf dem Rücken in Ost-West-Richtung, mit verschränkten Armen über den Hüften, auf dem Bauch oder ausgestreckt entlang des Körpers bestattet wurden, offenbarte sich angesichts des Grabes Nr. 157 ein gänzlich anderer Anblick: Bereits ungewöhnlich ist der Ort der Bestattung: „Obwohl noch innerhalb der Kirche, lag das Grab direkt an der Wand – dem ungünstigsten Ort, der Südwand des einstigen Kirchenschiffs in einer Schicht unter dem Kirchenboden und ohne weitere Funde.“
„Der Brustkorb des Toten lag in Bauchlage, der Kopf war vom Hals getrennt und 30 Zentimeter entfernt platziert, während noch Weichteilgewebe vorhanden war. Zwischen den Beinen wurde ein massiver Ziegelstein entdeckt, unter dem Kopf ein großer Stein.
Bei dem Toten handelte es sich um einen Mann im Alter von 40–50 Jahren, mit deutlichen Spuren schwerer körperlicher Arbeit an der Wirbelsäule und den unteren Extremitäten.
Er wies sowohl zu Lebzeiten erlittene Verletzungen als auch solche auf, die zu seinem Tod führten. Dokumentiert wurden Verletzungen an den Rippen und am Schienbein sowie eine verheilte Verletzung am Oberkiefer, die durch ein scharfes Objekt verursacht wurde. Zudem wurden zwei tödliche Verletzungen am Hinterkopf festgestellt. Die Forscherinnen und Forscher vermuten denn auch, dass der Mann an mindestens drei bewaffneten Auseinandersetzungen beteiligt war.
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Weiter berichtet die Studie: „Anfangs wurde er nach christlicher Doktrin bestattet, doch später wurden seine Überreste umpositioniert. Sein Kopf wurde vom Körper entfernt, und der Brustkorb in eine umgekehrte Position gebracht.“ Da es im christlichen Glauben essenziell war, den Verstorbenen mit dem Gesicht nach Osten zu bestatten, damit er beim zweiten Kommen Christi sehen könne, deuten die Forschenden diese Art der Bestattung als Zeichen dafür, dass entsprechend beigesetzte und behandelte Personen in der Gesellschaft als unrein oder problematisch galten. „Es kann als eine Form der Bestrafung betrachtet werden“, so Sarkic und Cighetti.
Die Autoren vermuten weiter, dass es sich um einen Soldaten oder Ritter handelt – oder eben um eine „problematische Person“, da zwischenmenschliche Gewalt in der damaligen übrigen Bevölkerung selten war.
Zeichnung der Lage des Verstorbenen Copyright/Quelle: S. K. Schendzielorz
Vor diesem Hintergrund verweisen die Forschenden auf das Phänomen der sogenannten Vampir-Bestattungen. „Nach slawischem Volksglauben verlässt die Seele des Verstorbenen nicht sofort die Welt, sondern bleibt so lange mit dem Körper verbunden, bis dieser verwest. Erst nach 40 Tagen tritt die Seele ihre Reise ins Jenseits an. Wenn jedoch eine Person gewaltsam stirbt oder als sündig galt, kann sich ihr Körper nicht zersetzen – stattdessen wird sie zu einem Vampir.“
Weiter heißt es: „Menschen, die zu Lebzeiten gegen gesellschaftliche Normen verstießen, als unehrenhaft galten oder als Außenseiter wahrgenommen wurden, hatten ein höheres Potenzial, sich in einen Vampir zu verwandeln. Ebenso konnten Ermordete zu Vampiren werden. (…) „Zudem könnte sein entstelltes Gesicht Furcht und Ablehnung hervorgerufen haben, was zu sozialer Ausgrenzung führte. All dies macht ihn zu einem idealen Kandidaten für einen ‚unreinen Geist‘ – also einen Vampir. Dies könnte die ‚Notwendigkeit‘ erklären, die Bestattung zu stören, da eine solche Handlung normalerweise vermieden wird, um schwerwiegende soziale und übernatürliche Konsequenzen zu verhindern“, schlussfolgern die Cighetti und Sarkic abschließend.
Eine um den Hals gelegte Sichel sollte offenbar beigesetzte vermeintliche Vampire beim Versuch sich zu erheben enthaupten. Das Foto zeigt eines der 2008/09 auf dem Friedhof von Drawsko im Nordwesten Polens entdeckten Skelette. Copyright/Quelle: Gregoricka, Betsinger et al. / PLoS One
Diesem angeblichen Pest-Vampir in Venedig wurde bei der Bestattung anno 1578 ein Steinquader in den Mund getrieben. Copyright: Matteo Borrini, restiumani.it
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