Sauerstoff ist nicht nur Bio- sondern auch Technologie-Marker auf fernen Planeten

Künstlerische Darstellung des Prinzips des „Sauerstoffengpasses“ (oxygen bottleneck): Erst ab einer Schwelle von 18 Prozent Sauerstoffanteil in einer Atmosphäre kann es laut Adam Frank and Amedeo Balbi und Kollegen Feuer und damit die Grundlage technologischer Entwicklung, wie wir sie von der Erde kennen, geben (Illu). Copyright/Quelle: University of Rochester illustration / Michael Osadciw
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Künstlerische Darstellung des Prinzips des „Sauerstoffengpasses“ (oxygen bottleneck): Erst ab einer Schwelle von 18 Prozent Sauerstoffanteil in einer Atmosphäre kann es laut Adam Frank and Amedeo Balbi und Kollegen Feuer und damit die Grundlage technologischer Entwicklung, wie wir sie von der Erde kennen, geben (Illu).Copyright/Quelle: University of Rochester illustration / Michael Osadciw

Künstlerische Darstellung des Prinzips des „Sauerstoffengpasses“ (oxygen bottleneck): Erst ab einer Schwelle von 18 Prozent Sauerstoffanteil in einer Atmosphäre kann es laut Adam Frank and Amedeo Balbi und Kollegen Feuer und damit die Grundlage technologischer Entwicklung, wie wir sie von der Erde kennen, geben (Illu).
Copyright/Quelle: University of Rochester illustration / Michael Osadciw

Rochester (USA) – Die Bedeutung von Sauerstoff für Leben, wie wir es von der Erde kennen, ist in der Astrobiologie schon lange bekannt. Eine neue Studie zeigt nun, dass Sauerstoff auch ein Schlüssel zur Erschließung fortschrittlicher Technologien auf planetarischer Ebene sein könnte. Sauerstoff also nicht nur ein Marker für biologische, sondern auch für technische Aktivitäten auf einem fernen Planeten?

Wie Prof. Adam Frank von der University of Rochester und Prof. Amedeo Balbi von der Università degli studi di Roma Tor Vergata aktuell im Fachjournal „Nature Astronomy“ (DOI: 10.1038/s41550-023-02112-8) zeigen, gibt es Zusammenhänge zwischen atmosphärischem Sauerstoff und dem möglichen Aufstieg fortschrittlicher Technologie auf fernen Planeten. „Wir sind bereit, Lebenszeichen auf fremden Welten zu finden“, sagt Frank. „Aber was verraten uns die Bedingungen auf einem Planeten über die Möglichkeiten für dortiges intelligentes, technologieproduzierendes Leben? (…) In unserer Arbeit untersuchen wir, ob eine atmosphärische Zusammensetzung mit der Anwesenheit fortschrittlicher Technologie vereinbar wäre“, fügt Balbi hinzu. „Wir haben festgestellt, dass die atmosphärischen Anforderungen recht streng sein können.“

Die Forschenden gehen davon aus, dass Sauerstoff über seine Notwendigkeit für Atmung und Stoffwechsel in vielzelligen Organismen hinaus entscheidend für die Entstehung von Feuer ist – und Feuer ein Markenzeichen der Vorstufen für die Entwicklung einer technologischen Zivilisation ist: „Auf der Erde erforderte die Entwicklung der Technologie einen einfachen Zugang zur Verbrennung unter freiem Himmel – dem Prozess im Kern des Feuers, bei dem etwas durch die Kombination eines Brennstoffs und eines Oxidationsmittels, normalerweise Sauerstoff, verbrannt wird. Ob beim Kochen, beim Schmieden von Metallen für Bauwerke, bei der Herstellung von Materialien für Häuser oder bei der Gewinnung von Energie durch die Verbrennung von Brennstoffen – die Verbrennung ist die treibende Kraft hinter den Industriegesellschaften.“

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Bei der Rekonstruktion der Erdgeschichte stellten die Forscher fest, dass der kontrollierte Einsatz von Feuer und die daraus resultierenden metallurgischen Fortschritte nur möglich waren, wenn der Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre 18 Prozent erreichte oder überschritt. Das bedeutet, dass nur Planeten mit erheblichen Sauerstoffkonzentrationen in der Lage sein werden, fortgeschrittene technologische Umgebungen, sog. Technosphären zu entwickeln und somit auch erkennbare Technosignaturen zu hinterlassen.

Der Sauerstoffgehalt, der für die biologische Aufrechterhaltung von komplexem Leben und Intelligenz erforderlich ist, ist nicht so hoch wie der für Technologie erforderliche Wert, erläutert der Fachartikel. Daher könne eine Spezies zwar in einer Welt ohne Sauerstoff entstehen, aber nicht zu einer technologischen Spezies werden, wie wir sie kennen. „In einer Welt, in der es keinen Sauerstoff gibt, kann man vielleicht Biologie – vielleicht sogar intelligente Lebewesen – entstehen, aber ohne eine bereitstehende Feuerquelle wird man sich nie weiterentwickeln.“, so Frank. „Höhere Technologieerfordert Brennstoff und die Fähigkeit zum Schmelzen von Metallen. Hier kommt der „Sauerstoffengpass“ ins Spiel, ein Begriff, den die Forscher geprägt haben, um die kritische Schwelle zu beschreiben, die Welten, die in der Lage sind, technologische Zivilisationen zu fördern, von solchen trennt, die dies nicht schaffen.

Im Modell der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen stellt der Sauerstoffgehalt einen Engpass dar, der die Entwicklung fortschrittlicher Technologien behindert. „Das Vorhandensein eines hohen Sauerstoffgehalts in der Atmosphäre ist wie ein Engpass, den man überwinden muss, um eine technologische Spezies zu haben“, sagt Frank. „Alles andere kann man hinkriegen, aber wenn es keinen Sauerstoff in der Atmosphäre gibt, wird es keine technologische Spezies geben.“

Die Forschung, die sich mit einem bisher unerforschten Aspekt im kosmischen Streben nach intelligentem Leben befasst, unterstreiche die Notwendigkeit, Planeten mit hohem Sauerstoffgehalt bei der Suche nach außerirdischen Technosignaturen Vorrang einzuräumen. „Planeten mit hohem Sauerstoffgehalt sollten vorrangig ins Visier genommen werden, da das Vorhandensein oder Fehlen eines hohen Sauerstoffgehalts in der Atmosphäre von Exoplaneten ein wichtiger Hinweis auf die Suche nach potenziellen Technosignaturen sein könnte“, so Frank abschließend. „Die Auswirkungen der Entdeckung intelligenten, technologischen Lebens auf einem anderen Planeten wären enorm“, fügt Balbi hinzu. „Deshalb müssen wir bei der Interpretation möglicher Entdeckungen äußerst vorsichtig sein. Unsere Studie legt nahe, dass wir potenziellen Technosignaturen von einem Planeten mit unzureichendem Luftsauerstoff skeptisch gegenüberstehen sollten.“




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Recherchequelle: University of Rochester

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