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Schon in der Bronzezeit wurde auch Kinder geschlechtsspezifisch bestattet

Mit einer neuen Methode können im Zahnschmelz geschlechtsspezifische Peptide festgestellt und so das Geschlecht bestatteter Kinder bestimmt werden. Copyright: ÖAW/Daniel Hinterramskogler
Mit einer neuen Methode können im Zahnschmelz geschlechtsspezifische Peptide festgestellt und so das Geschlecht bestatteter Kinder bestimmt werden.
Copyright: ÖAW/Daniel Hinterramskogler

Wien (Österreich) – Anhand einer neuen Methode können Archäologen über Peptide im Zahnschmelz das Geschlecht von bestatteten Kindern bestimmen. Wie diese Analyse nun zeigt, wurden schon in der Frühbronzezeit nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder schon nach ihrem biologischen Geschlecht bestattet. Allerdings scheint es auch Spielraum für die Geschlechtsidentität im Lebensverlauf gegeben zu haben – besonders für Frauen.

Wie das Archäologenteam unter der Leitung von Katharina Rebay-Salisbury vom Österreichischen Archäologischen Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaftlern (ÖAW) aktuell im „Journal of Archaeological Sciences“ (DOI: 10.1016/j.jas.2022.105549) berichtet, zeigen die Analysen anhand des frühbronzezeitlichen Gräberfeldes „Franzhausen I“ in Niederösterreich, dass „die strenge binäre Geschlechterideologie, die Menschen in männlich und weiblich einteilte, also auch für Kinder galt“.

Hintergrund
„Franzhausen I“ ist eines der größten frühbronzezeitlichen Gräberfelder in Europa, befindet sich im Bezirk St. Pölten und stammt ca. aus der Zeit 2200-1600 v. Chr. Konkret wurde das Geschlecht von 70 Kindern unter 12 Jahren identifiziert und mit geschlechtsspezifischen Bestattungspraktiken verglichen, wie sie bei Erwachsenen gelten: Frauen wurden in Hockerlage auf der rechten Körperseite liegend bestattet, mit dem Kopf nach Süden, Männer auf der linken Körperseite mit dem Kopf nach Norden.

Zugleich beobachteten die Forschenden aber auch eine Ausnahme: Ein Mädchen wurde in einer männertypischen Körperhaltung und Ausrichtung bestattet. „Daraus lässt sich folgern, dass Frauen möglicherweise etwas mehr Spielraum hatten, um Geschlechtergrenzen zu überschreiten und ihr Geschlecht im Verlauf ihres späteren Lebens zu ändern“, so Rebay-Salisbury.

Das Wechseln des Geschlechts ist aber weniger biologisch-genetisch oder gar magisch als sozial zu verstehen: „Gemeint ist, dass Frauen in der Gesellschaft Rollen übernehmen, die sonst meist Männern zukommen“, so die Wissenschaftlerin gegenüber GrenzWissenschaft-Aktuell.de (GreWi). „Ethnografisch ist belegt, dass Menschen so ihr (soziales) Geschlecht ändern konnten. Das kann u. a. auch durch Kleidung unterstrichen werden. Das genetische Geschlecht, also den Chromosomentyp, den wir testen, kann auch heute nicht verändert werden. Hormonelle Behandlungen und chirurgische Anpassungen sind wohl auch für die Bronzezeit auszuschließen.“

Typisches männliches Kindergrab (l.) eines 9-10-jährigen Jungen mit linker Körperseite in Nord-Süd-Orientierung aus „Franzhausen 1“ im Vergleich zu einem typischen weiblichen Kindergrab (5-6 Jahre) mit der rechten Körperseite in Süd-Nord-Orientierung (r.). Copyright: Bundesdenkmalamt Wien/NÖ
Typisches männliches Kindergrab (l.) eines 9-10-jährigen Jungen mit linker Körperseite in Nord-Süd-Orientierung aus „Franzhausen 1“ im Vergleich zu einem typischen weiblichen Kindergrab (5-6 Jahre) mit der rechten Körperseite in Süd-Nord-Orientierung (r.).
Copyright: Bundesdenkmalamt Wien/NÖ

Die Beobachtung korreliere auch mit den Zahlen bei Erwachsenen: „Bei 2 bis 4 Prozent der Bestatteten zeigt sich, dass sie nicht ihres biologischen Geschlechts gemäß beigesetzt wurden. Auch hier ist das überwiegend bei Frauen der Fall.“

Bisher war es schwierig, das biologische Geschlecht bei bestatteten Kindern festzustellen, weil sich erst nach der Pubertät die Skelettmorphologie geschlechterspezifisch ausbildet. Es gibt zwar DNA-Analysen, aber diese sind kostenintensiv und vom Erhaltungszustand der Knochen abhängig. „Diese neue Methode hat das Potenzial, die Anthropologie und Archäologie der Kindheit zu verändern, da geschlechtsspezifische Morbidität und Mortalität, Ernährung und Behandlung von Kindern nun in großem Umfang untersucht werden können“, so Rebay-Salisbury.

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Weitere Forschungen auf dem Gebiet der Geschlechterarchäologie sollen nun mit Hilfe der neuen peptidbasierten Methode der Geschlechtsbestimmung Erkenntnisse dazu bringen, wie Männer und Frauen in der Vergangenheit zusammenlebten und miteinander in Beziehung standen.




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Recherchequelle: ÖAW

© grenzwissenschaft-aktuell.de

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Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
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