London (Großbritannien) – Es klingt fast wie eine Charaktere aus einem Science-Fiction-Film: Aufgrund einer Gen-Mutation kann eine schottische Frau keine Schmerzen und kaum Angst empfinden und dachte bislang, dieser Zustand sei normal.
Wie die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen um James Cox vom Wolfson Institute for Biomedical Research an der University College London aktuell im „British Journal of Anaesthesia“ (DOI: 10.1016/j.bja.2019.02.019) berichten, habe die Frau ihren ungewöhnlichen Zustand selbst erst mit über 60 Jahren bemerkt.
Zwar habe sie sich im Laufe ihres Lebens einige Knochen gebrochen, Verbrennungen zugezogen und einige Operationen gehabt, habe dabei aber nie Schmerzen verspürt. Ungewöhnlich fand sie das nicht, da sie dachte, es sei normal. Tatsächlich sei es ihr und niemand anderem zuvor aufgefallen, dass sie nie Schmerzen empfunden oder nach Schmerzmitteln oder Anesthetika gefragt hatte.
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Aufgefallen ist die „Mutantin“ jüngst nach einer normalerweise schmerzvollen Handoperation, nach der die Dame in der Nachsorge keinerlei Schmerzmittel beanspruchte. Auch schon zuvor litt die Frau an Arthritis in der Hüfte, die ihr jedoch ebenfalls keine Schmerzen, jedoch starke Gelenkabnutzungen zufügte. Eine genauere Untersuchung der Patientin ergab nun, dass der Grund für die Schmerzunempfindlichkeit in der Mutation eines Genpaares liegt.
Laut der Analyse fehlt der alten Dame ein DNA-Satz im sog. FAAH-OUT-Pseudogen. Hierbei handelt es sich um degradierte Versionen voll funktionsfähiger Gene, die früher als „Junk-DNA“ betrachtet wurden, aber dennoch oft eine Rolle spielen. Zudem hatte die Frau ein einzelnes geschaltetes Nukleotid (Bausteine der DNA) in ihrem FAAH-Gen, das für ein Enzym verantwortlich ist, das als „Fettsäureamidhydrolase“ bezeichnet wird. Schon in früheren Studien konnte Forscher zeigen, dass Menschen mit kleinen Variationen im FAAH-Gen weniger Angst und weniger Schmerzen haben.
Tatsächlich berichtet die Patientin, sie habe neben ihrer Schmerzunempfindlichkeit auch sehr selten Angst, kenne keine Depressionen oder Panikszustände. Ein weiterer kurioser Effekt der Genmutation: Die Dame ist in der Lage schärfste Chilli-Schoten ohne die bekannten unangenehmen Nebenwirkungen zu verspeisen – lediglich ein „angenehmes Leuchten“ verspüre sie dabei im Mundraum.
Jetzt wollen die Wissenschaftler herausfinden, ob die Beobachtungen auch zur Behandlung von chronischen Schmerzen und Angstzuständen genutzt werden können. Bislang verliefen Versuche der medikamentösen FAAH-Unterdrückung ohne Erfolg. Zudem sind auch andere Gene – wie beispielsweise ZFHX2, das die Italienerin Letizia Marsili keine Schmerzen spüren lässt – dafür bekannt, Schmerzen unterdrücken zu können.
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