Schwämme: Und sie bewegen sich doch

Schwämme hinterlassen Spuren am Meeresboden der Tiefsee. Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass die Tiere festsitzen. Copyright: AWI OFOBS team PS101)
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Schwämme hinterlassen Spuren am Meeresboden der Tiefsee. Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass die Tiere festsitzen. Copyright: AWI OFOBS team PS101)

Schwämme hinterlassen Spuren am Meeresboden der Tiefsee. Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass die Tiere festsitzen.
Copyright: AWI OFOBS team PS101)

Bremen (Deutschland) – Bislang galten die zu den primitivsten tierischen Lebensformen gerechneten Schwämme aufgrund eines nicht vorhandenen Nervensystems noch Fortbewegungsorganen als absolut imobil. Umso erstaunter waren selbst Marinebiologen, als sie nun am Grunde der arktischen Tiefsee Bewegungspuren entdeckten, an deren Ende sich Schwämme finden.

Wie das internationale Team um die Tiefseeforscherin Antje Boetius und die Schwammforscherin Dr. Teresa Morganti vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen aktuell im Fachjournal „Current Biology“ (DOI: 10.1016/j.cub.2021.03.014) berichten, schließen sie aus den Pfaden, dass die Tiere sich doch aktiv fortbewegen könnten – wenn auch nur mit wenigen Zentimetern pro Jahr.

„Die Spuren führten in alle Richtungen, sogar bergauf. Wir schließen daraus, dass die Schwämme sich aktiv über den Meeresboden bewegt haben könnten und als Ergebnis Ihrer Bewegung Spuren hinterlassen“, berichtet die Morganti und erläutert dazu, dass das deshalb besonders spannend sei, „weil die Wissenschaft bisher davon ausgegangen war, dass die meisten Schwämme am Meeresboden festsitzen oder passiv von Meeresströmungen bewegt werden und in der Folge gegebenenfalls Hänge hinab rutschen.“

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„In der arktischen Tiefsee treten keine starken Strömungen auf, die die vorgefundenen Strukturen am Meeresboden erklären könnten,“ erläutert die Expeditionsleiterin Prof. Dr. Antje Boetius, die mit dem Tiefseebiologen Dr. Autun Purser vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- Meeresforschung (AWI) im Rahmen der Helmholtz-Max-Planck-Tiefseegruppe zusammenarbeitet.

Ein weiteres Beispiel der ganz offenbar durch den schlammigen Tiefseeboden wandernden Schwämme. Copyright: AWI OFOBS team PS101)

Ein weiteres Beispiel der ganz offenbar durch den schlammigen Tiefseeboden wandernden Schwämme.
Copyright: AWI OFOBS team PS101)

Die von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nun veröffentlichten Aufnahmen entstanden bei 87°N, am etwa 350 Kilometer vom Nordpol entfernten Karasik Seamount mit dem Forschungseisbrecher Polarstern im Jahr 2016 mit einem geschleppten Kamerasystem OFOBS (Ocean Floor Observation and Bathymetry System). „Mit dem OFOBS können wir 3D-Modelle aus der Tiefsee erstellen. Der Gipfel des Seamounts war dicht mit Schwämmen besiedelt. 69 Prozent unserer Bilder wiesen Spuren aus Schwammnadeln auf, von denen viele zu lebenden Tieren führten“, berichtet Purser.

Die Beobachtungen der wandelnden Schwämme stellt die Forschenden nun vor viele Fragen: „Warum bewegen sich die Schwämme? Und wie orientieren sie sich? Mögliche Gründe für die Fortbewegung könnten Nahrungssuche, die Vermeidung ungünstiger Umweltbedingungen oder die Verbreitung der Nachkommen sein. Gerade die Nahrungssuche spielt in nährstoffarmen Ökosystemen wie der arktischen Tiefsee eine große Rolle. Dort haben die Schwämme ohnehin eine wichtige Funktion, denn als Filtrierer können sie Partikel und gelöste organische Substanzen verwerten und sind mit Hilfe ihrer bakteriellen Symbionten intensiv am Nährstoffrecycling beteiligt.“ Außerdem bilden Schwämme mit ihren Strukturen einen Lebensraum für arktische Fische und Garnelen. Den Mechanismen der Fortbewegung ist allerdings noch völlig unklar.




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Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

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