Sind Schwarze Löcher eine Quelle von Dunkler Energie?

Die linsenförmige Galaxie „NGC 524” im Sternbild Fische ist 90 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Copyright/Quelle: ESA/Hubble
Lesezeit: ca. 4 Minuten
Die linsenförmige Galaxie „NGC 524” im Sternbild Fische ist 90 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt.Copyright/Quelle: ESA/Hubble

Die linsenförmige Galaxie „NGC 524” im Sternbild Fische ist 90 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt.
Copyright/Quelle: ESA/Hubble

Manoa (USA) – Neuste Beobachtungen legen die Vermutung nahe, dass supermassereiche Schwarze Löcher eine Quelle von Dunkler Energie sein könnten – jener bislang lediglich theoretischen beschriebenen “Substanz”, die immerhin 70 Prozent unseres ausmacht.

Wie das internationale Team aus Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus neun Ländern unter der Leitung der University of Hawai‚I, Forschenden des Imperial College London und STFC RAl Space aktuell in zwei Artikeln im Fachjournal The Astrophysical Journal und The Astrophysical Journal Letters“ (DOI: 10.3847/1538-4357/acac2e u. 10.3847/2041-8213) berichten, zeigen Messungen alter und ruhender Galaxien, dass deren zentrale supermassereiche Schwarzen Löcher schneller anwachsen als eigentlich von Einsteins Gravitationstheorie vorhergesagt und zugleich eine Verbindung zur Ausdehnung des Universum besteht. „Diese Beobachtung könnte bedeuten, dass wir unserem Bild vom Universum gar keinen neuen Faktor hinzufügen müssen, um die Dunkle Energie zu erklären: Schwarze Löcher in Kombination mit Einsteins Gravitationstheorie könnten deren Quelle sein.”

Für den Mitautor der Studie, Dr. Dave Clements vom Physik-Department des Imperial Colleges ist das ein wirklich überraschendes Ergebnis: Wir haben uns angeschaut, wie Schwarze Löcher über die Zeit hinweg anwachsen und könnten dabei die Antwort auf eines der größten Probleme in unserer derzeit geltenden Kosmologie gefunden haben.“

„Sollte sich unsere Theorie bestätigen, so wird das die gesamte Kosmologie revolutionieren, weil wir damit eine Antwort auf die Frage gefunden hätten, woher jene Dunkle Energie stammt, die Kosmologen und theoretische Physiker schon seit mehr als 20 Jahren umtreibt“, fügt Mitautor Dr. Chris Pearson von STFC RAL Space hinzu.

Hintergrund
In den 1990-er Jahren entdeckten Astrophysiker, dass sich das Universum zusehends schneller ausbreitet. Dieser Umstand ist mit den sonst gültigen bekannten Gesetzmäßigkeiten jedoch nur schwer zu erklären, da die Schwerkraft aller Objekte im Universum dessen Ausdehnung eigentlich sogar verlangsamen sollte. Um die dennoch beobachtete beschleunigte Ausdehnung unseres Universums zu erklären, haben Physiker das Konzept der sog. Dunklen Energie eingeführt, deren Kraft für diese Ausdehnung verantwortlich sein soll und die die Dinge im Universum stärker auseinandertreibt, als deren Schwerkraft diese abzubremsen in der Lage ist. Dunkle Energie kann also auch als der Schwerkraft entgegenwirkende kosmologische Konstante betrachtet werden, die das Universum davon abhält, zu kollabieren. Bislang stellten aber gerade die massenreichsten Objekte im Universum, Schwarze Löcher, ein Problem für dieses Konzept dar, weil deren Schwerkraft so gewaltig ist, dass sich ihr kaum etwas widersetzen kann. Besonders in ihrem Zentrum, wo alles in der sogenannten Singularität zusammengepresst wird.

Die neuen Beobachtungsergebnisse zu Schwarzen Löchern zeigen nun jedoch, dass diese dem Konzept nicht zwangsläufig widersprechen müssen – vorausgesetzt, Schwarze Löcher enthalten sogenannte Vakuum Energie und damit der Hauptantriebsquelle der Dunklen Energie. Im neuen Modell der Forschenden ersetzt diese nun die Singularität im Zentrum Schwarzer Löcher.

Die Evolution supermassereicher Schwarzer Löcher zeigt, dass diese ihre Größe und Masse durch das Verschlucken jener Materie, die sich dem sogenannten Ereignishorizont des Schwarzen Lochs zu sehr annähert, oder durch das Verschmelzen mit einem anderen Schwarzen Loch, anwachsen können.

Bei ihren Beobachtungen und Analysen haben die Forschenden nun untersucht, ob ein derartiges Wachstum alleine das beobachtete Wachstum der Schwarzen Löcher erklären kann. Hierzu haben sich die Physiker und Physikerinnen konkret riesige, sog. elliptische Galaxien konzentriert, da diese sehr früh im noch jungen Universum entstanden in denen mittlerweile aber keine neuen Sterne mehr entstehen, weshalb für ihre zentrales Schwarzes Loch nur eingeschränkt Materie zum Anwachsen zur Verfügung steht. Jegliches überdurchschnittliche Wachstum dortiger Schwarzen Löcher könnte also nicht mit gewöhnlichen und bekannten astrophysikalischen Prozessen erklärt werden.

www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER können Sie den täglichen kostenlosen GreWi-Newsletter bestellen +

Für ihre Studie verglichen die Forschenden weit entfernte Galaxien (also zu einem Zeitpunkt, als diese noch jung waren) mit lokalen (also näheren und damit älteren) elliptischen Galaxien. Das Ergebnis zeigt, dass deren Wachstum deutlich über den von den bislang gängigen Theorien vorhergesagten Werten liegt, wie sie durch Akkretion von Materie oder dem Verschmelzen erklärt werden könnten: „Die Schwarzen Löcher von heute sind 7 bis 20-mal größer als vor neun Milliarden Jahren.“

Weitere Messungen zum Verhältnis zwischen der Größe des Universums und der Masse an Schwarzen Löchern zeigten zudem, dass die gemessene Menge Dunkler Energie im Universum sehr gut mit der Vakuum Energie in Schwarzen Löchern erklärt werden kann, so die Forschenden.

„Es handelt sich um den ersten auf Beobachtungen basierenden Hinweis dafür, dass Schwarze Löcher tatsächlich Vakuum Energie beinhalten und dass sie mit der Ausdehnung des Universums gekoppelt sind, da sie umso mehr an Masse gewinnen, je mehr sich das Universum ausdehnt – ein Phänomen, das als „cosmological coupling“ bezeichnet wird. Sollten nun weitere Beobachtungen dies bestätigen, so würde dies unser Verständnis darüber, was Schwarze Löcher tatsächlich sind, neu definieren.“

Wir behaupten gleich zwei Dinge auf einmal“, erklärt Duncan Farrah, der Hauptautor der Studie von der University of Hawai‚i und am Imperial College abschließend. „Zum einen, dass es Beweise dafür gibt, dass die typische Erklärung für Schwarze Löcher über längere Zeiträume nicht greift; und zum anderen, dass wir hier die erste astrophysikalische Quelle für Dunkle Energie zeigen. Das bedeutet nicht, dass nicht auch schon zuvor unterschiedliche Quellen für Dunkle Energie diskutiert wurden, aber dass wir hier die erste auf Beobachtungen basierte Theorie vorschlagen, für die keine neuen Konstrukte in unser Universum eingebracht werden müssen: Schwarze Löcher selbst sind in Einsteins Gravitationstheorie die Dunkle Energie.“




WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Fernstes Schwarzes Loch feuert direkt Richtung Erde 1. Dezember 2022
Haben wir bereits Wurmlöcher entdeckt, nur noch nicht erkannt? 15. November 2022
Nur 1.600 Lichtjahre entfernt: Gaia-Observatorium offenbart das der Erde nächstgelegene Schwarze Loch 6. November 2022
Ruhendes Schwarzes Loch außerhalb unserer Galaxie entdeckt 21. Juli 2022
Astronomen könnten erstmals frei durchs All treibendes Schwarzes Loch entdeckt haben 12. Juni 2022
Event Horizon Telescope liefert erste Aufnahmen vom Schwarzen Loch im Zentrum unserer Galaxie 12. Mai 2022

Recherchequelle: RAL Space

© grenzwissenschaft-aktuell.de