So könnten Starshot-Sonden im Alpha-Centauri-System abbremsen
Interstellare Reise: Im Rahmen des Starshot-Projekts soll ein winziges Raumschiff, angetrieben von einem Photonensegel, in das Sternsystem Alpha Centauri fliegen und dort auch den erdähnlichen Planeten Proxima Centauri b passieren. Die vier roten Strahlen aus den Ecken des Segels deuten Laserpulse zur Kommunikation mit der Erde an (Illu.).
Copyright: Planetary Habitability Laboratory, University of Puerto Rico at Arecibo
Göttingen (Deutschland) – Im vergangenen Jahr stellte der Multimilliardär Juri Milner mit seiner Breakthrough-Starshot-Initiative die Vision von Kleinstraumschiffen vor, die – angetrieben von einem riesigen quadratischen Photonensegel – mit 20 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, innerhalb von nur 20 Jahren das uns benachbarte Sternsystem Alpha Centauri erreichen sollen (…GreWi berichtete). Die Frage, wie derartige Sonden, an ihrem Ziel angekommen, jedoch abbremsen sollen, blieb bislang noch ungeklärt. Jetzt haben zwei Astrophysiker eine solche Methode erstmals vorgestellt.
Wie René Heller vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und Michael Hippke vorab via ArXiv.org und aktuell in den „The Astrophysical Journal Letters“ (DOI: 10.3847/2041-8213/835/2/L32) berichten, schlagen sie vor, Strahlung und Schwerkraft der Sterne des Doppel- bzw. Dreifachsystems für eine „Vollbremsung“ der Sonden zu nutzen. Auf diese Weise ließen sich die nur wenige Gramm schweren Nano-Raumschiffe dann sogar zum Begleitstern Proxima Centauri umlenken, innerhalb dessen lebensfreundlicher Zone erst im vergangenen Jahr ein wahrscheinlich erdähnlich und lebensfreundlicher Planet entdeckt worden war (…GreWi berichtete 1, 2).
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Die angedachten Sonden sind jedoch derart schnell, dass sie eine Strecke wie die zwischen Erde und Mond in gerade einmal sechs Sekunden zurücklegen würden, erläutern die beiden Wissenschaftler.
„Das Problem: Eine solche Sonde wäre also in kurzer Zeit an den Sternen und Planeten im Alpha-Centauri-System vorbeigerast.
Die Lösung: Das Segel der Sonde muss bei seiner Ankunft so ausgerichtet sein, dass die ihm entgegenkommende Strahlung der Sterne im Alpha-Centauri-System das Gefährt maximal abbremst.“
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In ihrer Arbeit gingen die beiden Astrophysiker von einer Raumsonde aus, die insgesamt weniger als 100 Gramm wiegt und mit einem 100.000 Quadratmeter großen Segel ausgestattet ist, erläutert die Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung und führt weiter aus: „Das entspricht der Fläche von 14 Fußballfeldern. Mit der Annäherung an Alpha Centauri wächst die Bremskraft. Je stärker die Bremsung ist, desto mehr Geschwindigkeit kann bei der Ankunft abgebaut werden und desto schneller darf die Sonde bei ihrem Start im Sonnensystem sein.
Nähert sich das winzige Raumschiff dem Stern bis auf etwa vier Millionen Kilometer (entsprechend fünf Sternradien), so darf es mit einer maximalen Geschwindigkeit von 13.800 Kilometern pro Sekunde (4,6 Prozent der Lichtgeschwindigkeit) ankommen – mit höheren Geschwindigkeiten würde die Sonde am Stern vorbeirasen.
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Gleichzeitig zieht der Stern die Sonde mit seiner Schwerkraft an. Dieser Effekt ließe sich nutzen, um sie auf ihrer Bahn abzulenken; solche Swing-by-Manöver haben Raumsonden in unserem Sonnensystem vielfach ausgeführt.“
Theoretisch könnte das Nanoschiff dadurch dann allerdings statt in 20, erst in knapp 100 Jahren in eine Umlaufbahn um Alpha-Centauri einschwenken und eventuell dortige Planeten erkunden.
Danach könnte das Segel hinzu auch derart ausgerichtet werden, dass der Strahlungsdruck des Sterns Alpha Centauri A die Sonde so stark abbremst und ablenkt, dass diese schon nach wenigen Tagen Alpha Centauri B erreicht. Hier aus könnte die Sonde dann nochmals abgebremst auch in Richtung von Proxima Centauri geschleudert werden, wo sie nach weiteren 46 Jahren ankommen. Insgesamt würde die Mission in dieser Form also rund 140 Jahre benötigen.
Schaubild de möglichen Missionsverlaufs nach Hippke und Heller (Objekte nicht maßstabsgetreu).
Copyright: Planetary Habitability Laboratory, University of Puerto Rico at Arecibo
Neben der Methode zur Abbremsung im Centauri-System schlagen die Heller und Hippke den Starshot-Visionären noch eine weitere Veränderung vor: „Anstelle eines riesigen energiefressenden Lasers ließe sich auch die Sonnenstrahlung nutzen, um eine Nanosonde aus dem Planetensystem heraus zu beschleunigen. Hierfür müsste sie sich bis auf etwa fünf Sonnenradien der Sonne nähern, damit sie von dort aus den nötigen Schub erhält“, sagt Heller.
Gemeinsam mit den Starshot-Strategen überlegen die beiden Astrophysiker derzeit, ob die neue Idee Einfluss auf Starshot oder eine Folgemission haben könnte.
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