Saarbrücken (Deutschland) – Als „Sprites“, also als Kobolde, wird ein Wetterphänomen bezeichnet, das noch bis vor wenigen Jahren von vielen Wissenschaftlern als Hirngespinst abgetan wurde. Erstmals 1989 aus dem Space Shuttle heraus dokumentiert, gelangen dem Astrofotografen Dr. Sebastian Voltmer Aufnahmen dieser „roten Kobolde“ über Strasbourg.
Bei Sprites handelt es sich um blitzartige Gewitterentladungen oberhalb einer Wolke bis in Höhen von über 100 Kilometern. Diese „Kobolde“ ähneln oft einer Ansammlung von schmalen verästelten Stichflammen oder den Tentakeln einer Qualle.
Kobolde in vielen Farben
Die rote Variante, die sogenannten „Red Sprites“ zerteilen sich oft kurz nach dem Austritt aus der Wolkendecke in viele kleine Entladungskanäle und treten meistens in Höhen zwischen 40 und 100 Kilometern auf – also im Übergang zum Weltall. Erste Aufnahmen dieser roten Kobolde gelangen Astronauten des Space Shuttle 1989 und konnten dann ab 1991 gezielt während verschiedener Shuttle-Missionen dokumentiert werden. Beobachtungen während spezieller Erkundungsflüge und mit Radar vom Boden aus zeigten, dass Red Sprites stets nur über der Wolkendecke von besonders heftigen Gewittern im Bereich der Mesosphäre, also auf 55 bis 85 Kilometren Höhe auftreten. Wie genau Sprites entstehen, ist trotz zahlreicher Beobachtungen und Messungen immer noch unklar. Eine Theorie vermutet, dass sich über besonders heftigen Gewittern ein starkes Spannungsfeld aufbaut, das sich aufgrund baldiger Übersättigung an Elektronen infolge von Kollisionen mit Gamma-Strahlen aus der darüber liegenden Ionosphäre von selbst entlädt.
Sprites galten lange Zeit als Hirngespinste
Lange Zeit galten Berichte über diese Entladung oberhalb der Wolkendecke, etwa durch Piloten während des Vietnamkrieges, als Spinnerei und wurden dann doch durch meteorologische Beobachtungen und wissenschaftliche Messungen rehabilitiert und als echte Naturphänomene anerkannt. Standbilder der extrem kurzen Lichtphänomene im richtigen Moment sind zwar beeindruckend, sollten jedoch über die extrem kurze Dauer der Entladungen von nur wenigen Sekundenbruchteilen nicht hinwegtäuschen. Aus diesem Grund eigenen sich Sprites auch nur selten als Erklärungen für länger währende. UFO-Sichtungen.
Neuste Sichtung über Strasbourg und dem Saarland
Dem international bekannten Astrofotograf Dr. Sebastian Voltmer sind nun Aufnahmen roter Sprites von Saarbrücken aus gelungen, die sich über einem Gewitter über dem rund 90 Kilometer entfernten Strasbourg in Frankreich zeigten.
Zu seiner Beobachtung berichtet Voltmer gegenüber GrenzWissenschaft-aktuell.de (GreWi):
„Auf der Titelaufnahme (Sprites und Meteor) sind praktisch drei verschieden geformte Sprites zu sehen: A: Stäbchenförmig in paralleler Anordnung mit Punkten (als hätte eine Katze das Firmament aufgekratzt); B: trichterförmig aus radial verlaufenden Spritzern mit zarten Verästelungen; C: mehrere trichterförmig-organisch-verästelte Tupfer nebeneinander. Das erste Abbild (links) ist untypisch. Er zeigt keine Verästelungen. „Bisher hatte ich so einen Sprite noch nie gesehen“, erläutert Voltner. „Ich taufe die Erscheinung daher ‚Red Needle Sprites‘ (…).“
Rätsel bleiben
„In der Literatur heißt es, Sprites hätten eine Lebenszeit von etwa 5 Millisekunden. Meine Berechnung zeigt aber, dass zumindest einer von diesen Erscheinungen mindestens 8 Millisekunden andauerte. (…) Es gab viele sehr helle Blitze, die gefühlt das Potenzial zu Sekundär-Erscheinungen hatten, aber dennoch ohne Sprite daherkamen. Andere weitaus dezentere Blitze zeigten kurz nach dem Hauptblitz rote Sprites. Das Regelwerk dahinter ist noch nicht wirklich verstanden. Rätsel, denen ich definitiv nachgehe und vielleicht hat ja der ein oder andere Experte unter den Lesern Ideen zu den beschriebenen Facetten und Anomalien.“
„Zudem ist im Video (Short) bei Sekunde 14 noch etwas Merkwürdiges zu sehen: eine schräg orientierte nadelförmige kurze Erscheinung – eher weißlich/blau-violett leuchtend. Ich bin mir nicht sicher, ob man es auch einem Sprite zuordnen kann. Ein sogenannter Blue Jet, der direkt von der Gewitterzelle ausgeht, sähe ebenfalls anders aus.“
Ebenfalls verwundert zeigte sich Voltmer von meist pinkfarbenen Punkten, die kurz vor oder nach einem hellen Blitz irgendwo im Bild auftauchten. „Das erinnert mich an „Cosmics“, die man aus der Astrofotografie kennt. Hierbei handelt es sich um Bildstörungen, die durch energiereiche Teilchen aus dem Kosmos (Höhenstrahlung) beim Beschuss des Bildsensors entstehen. Wenn es mit Entladungen des Gewitters zu tun haben sollte, könnte man dieses Phänomen vielleicht als „Lightnic“ bezeichnen, einer Kombination aus „Lightning“ (Blitz) und den besagten“Cosmics“.
Die seltenen Aufnahmen teilt Sebastian Voltmer über seine Kanäle auf Youtube, Instagram und TikTok, wo dem Astro-Influencer mittlerweile jeweils über 117.000 Menschen folgen.
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