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Steinzeit-Genome: Europäer stammen von Migranten aus der Ägäis ab

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Der sog. fruchtbare Halbmond (schattiert) vor dem Hintergrund einer politischen Karte. Angezeigt sind die archäologischen Fundorte der neolithischen Periode im Iran (blau), aus denen prähistorische Genome gewonnen wurden, sowie Fundorte aus der nördlichen Ägäis (rot), deren Bewohner die Vorfahren der ersten europäischen Bauern waren, die aber nicht mit der iranischen Gruppe verwandt waren.

Copyright: Joachim Burger, JGU

Mainz (Deutschland) – In einer Studie haben internationale Genetiker prähistorische Genome der weltweit ersten Bauern analysiert. Das Ergebnis überrascht selbst die Forscher: Neolithische Zagros-Siedler waren zwar die Vorfahren heutiger Menschen in Südasien, nicht aber die, der ersten Bauern in Europa. Deren und damit die Vorfahren der Europäer waren ägäische Bauern, die vor etwa 8.000 Jahren nach Europa migrierten.

„Eine der ersten steinzeitlichen Kulturen, die Ackerbau betrieben, lebte im Zagrosgebirge, einer Region im heutigen Iran, die im östlichen Teil des Fruchtbaren Halbmondes liegt“, erläutert die Pressemitteilung der Johannes Gutenberg Universität (JGU) zu Mainz. Allerdings gehört diese bislang unbekannte Bauernpopulation nicht zu den Vorfahren der ersten Bauern Europas und ebenso wenig zu den Ahnen moderner Europäer. Stattdessen zählen diese Steinzeitmenschen aus dem Zagrosgebirge zu den Vorfahren der meisten modernen Südasiaten.

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Wie das Team um die Mainzer Palaeogenetikerin Farnaz Broushaki aktuell um Fachjournal „Science“ (DOI: 10.1126/science.aaf7943) berichtet, zeigen sich vor allem Ähnlichkeiten der Zagros-Population mit der heutigen Bevölkerung Pakistans und Afghanistans, ganz besonders aber zu iranischen Zoroastriern.

„Sesshaftigkeit, Ackerbau und Viehzucht kamen vor über 10.000 Jahren zum ersten Mal in einer Region zwischen Südostanatolien, Iran, Irak und Syrien auf, einer Region, die als der Fruchtbare Halbmond bezeichnet wird“, erläutern die Forscher und führen weiter aus: „Der Übergang von einem Lebensstil als Jäger und Sammler zu Sesshaftigkeit und Landwirtschaft wurde als solch radikale Veränderung der menschlichen Lebensform betrachtet, dass der Begriff ’neolithische Revolution‘ dafür geprägt wurde. Etwa 2.000 Jahre später taucht die neue jungsteinzeitliche Lebensweise in Südosteuropa und kurz darauf auch in Zentraleuropa und im europäischen Mittelmeerraum auf.“

Dass die frühen Bauern aus dem Zagrosgebirge nicht auch die Vorfahren der ersten europäischen Bauern und auch nicht der heutigen Europäer sind, war selbst für die Studienautoren eine Überraschung: „Wir waren sehr erstaunt über diesen Befund“, erklärt Broushaki. „Erst vor Kurzem hat unser Team herausgefunden, dass die ersten europäischen Bauern eine nahezu ununterbrochene Ahnenkette bis zu den ersten Siedlern Nordwestanatoliens aufweisen. Jetzt sieht es ganz danach aus, dass diese Kette irgendwo im östlichen Anatolien abgerissen ist.“

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Ein etwa 10.000 Jahre alter Schädel von der neolithischen Stätte Tepe Abdul Hossein

Copyright: Mit freundlicher Genehmigung von Fereidoun Biglari, Iranisches Nationalmuseum

Gemäß der kürzlich veröffentlichten Ägäis-Studie gelangten neolithische Siedler aus der Gegend um das nördliche Griechenland und das Marmarameer entlang einer Balkanroute nach Mitteleuropa. Etwa zur gleichen Zeit erreichten prähistorische Bauern aus dem ägäischen Raum auch über das Mittelmeer die iberische Halbinsel. Die Kolonisatoren brachten die sesshafte Lebensweise, landwirtschaftliche Praktiken und domestizierte Tiere und Pflanzen nach Europa.

Jetzt zeige sich, dass eine der weltweit ältesten Bauernkulturen eine genetisch eigene Gruppe darstellt und nur ganz entfernt mit den ersten Bauern Westanatoliens und Europas in Beziehung steht. „Es ist interessant, dass genetisch so unterschiedliche Menschen, die sehr wahrscheinlich anders aussahen und eine andere Sprache hatten, die landwirtschaftliche Wirtschafts- und Lebensform in zwei verschiedenen Regionen Anatoliens und des Nahen Ostens entwickelten beziehungsweise annahmen“, sagt Prof. Dr. Joachim Burger, Seniorautor der Studie, mit einem Hinweis, dass sich die prähistorischen Bewohner des Zagrosgebirges vor über 50.000 Jahren von anderen Menschen Eurasiens abspalteten.

„Ex oriente lux“ (lat. Aus dem Osten (kommt) das Licht) treffe demnach in kultureller, nicht aber in genetischer Hinsicht zu: „Die neolithische Lebensform entsprang dem Fruchtbaren Halbmond, vielleicht sind ein paar neolithische Pioniere auch von dort aus gestartet, aber die Mehrheit der frühen Iraner ist nicht nach Westen gezogen, wie manche meinen“, erklärt der Archäozoologe Marjan Mashkour vom Centre national de la recherche scientifique (CNRS).

Die Jungsteinzeitpopulation aus dem Zagrosgebirge ist demnach nach Osten gewandert. Die Wissenschaftler stellten anhand der Genomanalysen fest, dass diese Menschen die wichtigsten Vorfahren der heutigen Südasiaten sind. Viele Genomsegmente finden sich heutzutage bei Afghanen und Pakistani. Am ähnlichsten ist die 10.000 Jahre alte Erbsubstanz der Iraner aus dem Zagrosgebirge jedoch den Genen der modernen Zoroastriern aus dem Iran. „Diese religiöse Gruppe hat sich vielleicht weniger mit späteren Siedlungswellen vermischt und daher das genetische Erbe stärker bewahrt“, vermutet Broushaki.

Insgesamt deuten die zahlreichen Studien der Mainzer Palaeogenetiker darauf hin, dass zumindest zwei hoch unterschiedliche Gruppen die weltweit ersten Landwirte hervorbrachten: Die Zagros-Population im östlichen Fruchtbaren Halbmond, Vorfahren der meisten modernen Südasiaten, und die ägäischen Bauern, die vor etwa 8.000 Jahren nach Europa migrierten.

„Der Ursprung der Landbewirtschaftung und Viehhaltung ist genetisch gesehen komplexer als wir dachten“, so die Forscher abschließend. „Anstatt von einem einzelnen neolithischen Zentrum zu sprechen, sollten wir daher besser die Idee einer ‚föderalen‘ neolithischen Kernzone aufgreifen“, fasst Burger zusammen.

WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Warum wir Europäer heute so aussehen, wie wir aussehen 14. März 2014
Genetiker: „Sarrazin hat grundlegende genetische Zusammenhänge falsch verstanden“ 3. September 2010

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Andreas Müller
Autor und Publizist
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(Kornkreisforscher)

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