Studie beleuchtet die komplexe Organisation von Ameisenkolonien
Bern (Schweiz) – Eine aktuelle Studie zu räuberischen Ameisen erklärt, wie schon kleine Unterschiede zwischen Einzeltieren die kollektive Organisation der Kolonie verändern.
Wie das Team um Yuko Ulrich von der Universität Lausanne im Fachjournal „PLOS Biologie“ (DOI: 10.1371/journal.pbio.3001269) erläutert, leben soziale Insekten in völlig autonom organisierten Kolonien. Indem die Forschenden die demografische, genetische und morphologische Struktur von Ameisenvölkern untersuchten, konnten sie zeigen, dass und wie sich diese auf die kollektive Organisation auswirkt.
Als Modell für die Studie diente dabei die klonale Räuberameise (Ooceraea biroi). Diese asiatische Ameisenart eignet sich für Studien besonders, weil das Alter der Einzeltiere sowie der genetische und morphologische Aufbau der Kolonien leicht kontrolliert werden können.
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Wie die Forschenden zeigen können, wird die Organisation in einer homogenen Kolonie angepasst, sobald Tiere dazukommen, die sich vom Rest der Kolonie unterscheiden: „Bei Größenunterschieden erhöht sich die Arbeitsteilung in der Kolonie, während genetische Unterschiede sie reduzieren. Tatsächlich führt jede Heterogenität zu ganz bestimmten Veränderungen im Verhalten der Kolonie“.
Tatsächlich überraschten die Ergebnisse auch die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, da sie teilweise im Widerspruch zu gängigen Theorien über soziale Gruppen stehen: „Bis anhin ist man davon ausgegangen, dass das individuelle Verhalten von der Toleranzschwelle gegenüber Reizen bestimmt ist“, sagt Yuko Ulrich. Um dieses Prinzip zu erklären, zieht die Wissenschaftlerin eine Parallele zum Menschen: „In einer Familie reagieren einige Individuen viel schneller als andere auf einen Haufen schmutziges Geschirr. Sie werden daher häufiger den Abwasch machen. Das Resultat ist eine Arbeitsteilung.“ Mit diesem Prinzip lassen sich aber die Beobachtungen der Forschenden nicht erklären.
Um diese dann doch zu erklären, mussten die Forschenden das theoretische Modell so erweitern, dass es nicht nur die Reiztoleranz, sondern auch die Effizienz jeder Ameise bei der Ausführung einer Aufgabe und die Gesamtarbeitslast in der Kolonie berücksichtigt.
Nun müsse das Modell zwar noch getestet werden, aber schon jetzt eröffne es neue Möglichkeiten: „Es verändert das Verständnis für andere komplexe biologische Systeme, in denen eine große Anzahl heterogener Individuen interagiert. Dadurch werden präzisere Vorhersagen über das Verhalten solcher Systeme möglich.“
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Insgesamt arbeiten die Forschenden mit 120 Ameisenkolonien (homogen und heterogen), die in durchsichtigen Petrischalen aufgezogen wurden. Um das Verhalten jeder einzelnen Ameise fortwährend beobachten zu können, entwickelte das Team um Ulrich ein automatisiertes Tracking-System: „Es ist das erste Mal, dass ein so groß angelegtes System in einer Ameisenstudie eingesetzt wurde. Ohne diese Art von Software wäre die Nachverfolgung unmöglich gewesen.“ Jedes Experiment dauerte etwa einen Monat. Pro Kolonie wurden etwa 7000 Bilder aufgenommen. Jede Ameise wurde mit einer Farbkombination bemalt (s. Abb.), anhand derer die Software die Individuen eindeutig identifizieren kann. So war und ist es möglich, die Bewegungen jedes einzelnen Tieres aufzeichnen und einen Index der Arbeitsteilung zu erstellen, der dann nicht die Tätigkeit jedes Tieres abbildet, sondern Hinweise auf seine Rolle gibt. „Wenn sich eine Ameise oft in der Nähe des Nestes aufhält, ist es wahrscheinlich, dass sie sich um die Larven kümmert. Eine Ameise, die sich viel bewegt, ist eher für die Nahrungssuche zuständig“, erklärt die Wissenschaftlerin abschließend.
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Recherchequelle: SNF
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