Leicester (Großbritannien) – Lange Zeit von vielen Wissenschaftlern belächelt und in Frage gestellt, wird das sogenannte luzide Träumen (Klarträumen) – eine Praktik, bei der Menschen lernen, sich bewusst zu werden, dass sie träumen und auf diese Weise Kontrolle über die Erzählung eines Traums erlangen – zunehmend erforscht und von Psychologen auch auf ihren Nutzen als alternative Ansätze zur Behandlung von psychischen Störungen in Betracht gezogen. Eine aktuelle Studie widmet sich den Möglichkeiten des luziden Träumens in Kombination mit dem Einsatz virtueller Realität (VR) zur Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen in Folge von Kriegs- und Kampferfahrungen.
Bekannt ist die Kombination der beiden Techniken bzw. Technologien unter anderem aus Science-Fiction-Filmen wie „Avatar“ und „Inception“ als einfallsreiche Beispiele dafür, wie Klarträumen und VR dazu beitragen können, einen bestimmten Teil der Bevölkerung zu behandeln: Soldaten, die von einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) betroffen sind.
Tatsächlich waren es unter anderem die in diesen Filmen dargestellten High-Tech- und imaginären Realitäten, die die unabhängige Forscherin Susan Smith zu ihrer aktuell im Fachjournal „Transcultural Psychiatry“ (DOI: 10.1177 / 1363461520901638) veröffentlichten Studie inspiriert hatten.
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„Mein anfängliches akademisches Interesse begann mit der Betrachtung von Behinderung und dem verwundeten Kriegshelden in Science-Fiction, was meine Forschung dann zu den medizinischen Geisteswissenschaften und der Psychiatrie führte“, berichtet Smith gegenüber MedicalXpress. „In meiner jüngsten Studie verfolge ich einen kritisch-medizinisch-geisteswissenschaftlichen Ansatz mit dem Hauptziel, das Bewusstsein für das Heilungspotential der transkulturellen Psychiatrie zur Behandlung von PTBS zu schärfen und gleichzeitig die inhärente Tendenz des Krieges zu kritisieren, die durch die militärisch finanzierte Medizin in der westlichen Gesellschaft untermauert wird.
Hintergrund
Als typische Anzeichen für luzides Träumen gelten das Wissen darum, dass man gerade träumt. Das Lösen aus der eigentlich für normale Träume typischen Ich-Perspektive und das Gefühl, den Traum selbst bzw. dessen Verlauf und Handlung selbst kontrollieren zu können. Tatsächlich zeigten auch die Aufzeichnungen der Hirnaktivität bei diesen Personen vermehrt charakteristische Muster im sog. Gamma-Frequenzband.Darüber hinaus hat die Praktik des Klarträumens in vielen Kulturen eine schon jahrtausendealte Tradition. Schon der antik-griechische Philosoph Aristoteles bemerkte in seinem Werk „Über Träume“: „Oft nämlich sagt einem, wenn man schläft, etwas in seinem Bewusstsein: Was dir da erscheint, ist nur ein Traum.“ Im Buddhismus strebt das sogenannte Traumyoga die geistige Klarheit während sonst unbewusster Phasen an. Andere Forscher sehen im luziden Träumen auch eine Methode zum Kontakt entweder mit Verstorbenen (Transkommunikation) oder Wesen aus anderen Dimensionen und somit zum Erlangen von „fremdem Wissen“.
Die neue Studie basiert auf ihren früheren Arbeiten zu den Themen Behinderung, Rehabilitation und Militärmedizin sowie auf deren Darstellung in Science-Fiction-Geschichten. In ihren Überlegungen kombiniert die Forscherin theoretische Konstrukte und Ideen, die in verschiedenen Disziplinen verwurzelt sind, darunter Psychologie, Psychiatrie und Medienwissenschaft.
„Populäre Science-Fiction-Filme wie ‚Avatar‘ und ‚Inception‘ bieten ein kulturelles Register, um sich vorzustellen, wie alternative Behandlungen wie luzides Träumen oder virtuelle Welten Soldaten befähigen können, langfristige kampfbedingte psychische Erkrankungen zu überwinden“, erklärte Smith.
Hintergrund
Um störende Albträume besser bewältigen zu können, zeigt „Inception“, ein bekannter Science-Fiction-Film unter der Regie von Christopher Nolan, der 2010 veröffentlicht wurde, eine Realität, in der Experten die Gedanken der Menschen ändern können, indem sie ihre Träume mit einer Technologie eingeben, die der virtuellen Realität (VR) vage ähnelt. In „Avatar“, einem Film von James Cameron, der 2009 veröffentlicht wurde, wird das Bewusstsein eines behinderten Soldaten in einen gentechnisch veränderten Körper übertragen, der während eines Krieges als sein Avatar fungiert.
In ihrer Studie diskutiert Smith das Potenzial, ähnliche Techniken einzusetzen, um von PTBS betroffenen Kriegsveteranen zu helfen, und lehrt sie, ihr Unbewusstes und Bewusstes zu manipulieren. Während ihre Arbeit hauptsächlich auf Theorien und Spekulationen basiert, zeigt sie einige der möglichen Vorteile auf, die diese Techniken in psychotherapeutischen Situationen haben könnten. Ihre Überlegungen könnten somit den Weg für weitere transkulturelle Psychiatrie-Studien ebnen, die darauf abzielen, innovative therapeutische Ansätze zu entwickeln, die die Verwendung von klarem Träumen, VR oder anderen Techniken, die jenen in Science-Fiction-Filmen ähneln, integrieren.
Zum Thema
„Mein Beitrag legt nahe, dass eine kritische Auseinandersetzung mit Rehabilitationsmedizin sowie Militärpsychologie und -psychiatrie für die Auseinandersetzung mit der Kriegskultur der westlichen Gesellschaft, die den amerikanischen Soldaten weiterhin als rettbar und unbesiegbar darstellt, von wesentlicher Bedeutung ist“, so Smith gegenüber Medicalxpress.com abschließend. „In meiner zukünftigen Arbeit plane ich, dieses Thema weiter zu untersuchen, indem ich aktuelle Medienberichte über den Roboterpsychiater / virtuellen Therapeuten analysiere, der derzeit in der Militärmedizin erprobt wird, um die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von Soldaten zu bewerten, die vom aktiven Dienst in das zivile Leben zurückkehren.“
WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Klarträume und Metakognition: Hirnforscher entdecken Gemeinsamkeiten zwischen Traum und Wachzustand 21. Januar 2015
Luzides Träumen: Elektrische Impulse führen gezielt Klarträume herbei 17. Mai 2014
Quellen: Medicalxpress.com, Transcultural Psychiatry
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