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Studie ergründet Bauchbestattungen im Mittelalter

Eine mittelalterliche Baucbestattung, Fundort Berlin Petriplatz Copyright/Quelle: Landesdenkmalamt Berlin, Claudia Maria Melisch / Alterauge et al., PloS One 2020
Eine mittelalterliche Baucbestattung, Fundort Berlin Petriplatz
Copyright/Quelle: Landesdenkmalamt Berlin, Claudia Maria Melisch / Alterauge et al., PloS One 2020

Bern (Schweiz) – Immer wieder stoßen Archäologen auf mittelalterlichen Friedhöfen – hauptsächlich in damals deutschsprachigen Gebieten – auf Skelette, die in Bauchlage, also mit dem Gesicht nach unten, beigesetzt wurden. In einer neuen Studie bewerten Forensiker die Gründe für die ungewöhnlichen Bestattungen neu.

Wie das Forensikerteam um Amelie Alterauge von der Universität Bern im Fachjournal „PLoS One“ (DOI: 10.1371/journal.pone.0238439) berichtet, haben sie 95 solcher Gräber in Deutschland, der Schweiz und Österreich untersucht und sie nach geografischer Verteilung, Datierung, Grabmerkmalen, Beigaben, Körperpositionen, Alter und Geschlecht geordnet.

Das Ergebnis der Untersuchungen zeigt, dass sich auch die Praktik derartiger Bauchbestattungen im Lauf der Zeit ebenso veränderte, wie die Gründe für die ungewöhnliche Grablegungen selbst.

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Die Forschenden vermuten, dass die meisten der derart begesetzten Toten vermutlich auf Bitten ihrer Angehörigen so bestattet wurden. Besonder die frühmittellaterlichen Gräber weisen daraufhin, dass es sich bei den Toten offenbar um wohlhabende oder hochstehende Personen gehandelt haben muss, wurden sie doch trotz der ungewöhnlichen Grablegung an besonderen Orten der Friedhöfe oder gar in Kapellen beigesetzt.

Ein Bauchbestattung nahe Schüpfen, Schweiz. Copyright/Quelle: Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Daniel Breu / Alterauge et al., PloS One 2020
Ein Bauchbestattung nahe Schüpfen, Schweiz.
Copyright/Quelle: Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Daniel Breu / Alterauge et al., PloS One 2020

Während zu Beginn des Mittelalters diese Art der Bestattung vermutlich also noch als Zeichen der Demut vor Gott betrachtet wurde, veränderte sich die Tradition mit dem späten Mittelalter. Nun – bis hinein in die frühe Neuzeit – im 13. und 14. Jahrhundert, fanden die Bauchlagenbestattungen immer weiter von auserwählten Beisetzungsorten statt, verblieben aber immer noch auf und in dem geweihten Areal der Friedhöfe, wurden zugleich aber zahlreicher.

Letzterer Umstand deutet laut den Autoren der Studie daraufhin, dass frühere Annahmen, es handele sich hierbei grundsätzlich um postmortale Bestrafungsrituale, nur bedingt greifen. Zumindest waren die so gesühnten Straftaten offenbar nicht schwerwiegend genug, um den Toten die Beisetzung auf dem Friedhof selbst zu verwehren.

Stattdessen stellen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest, dass der Anstieg an Bauchbestattungen mit der zunehmenden Verbreitung von Geschichten über Untote, Wiedergänger und Nachzehrer – kurz Vampire – einhergehen.

„Der Nachzehrer verspeist zunächst sich selbst, inklusive seines Leichentuches und macht dabei schmatzende Geräusche“, so die Autoren. „Verdachtsfälle für Nachzehrer waren auch ein Zeichen epidemischer Krankheiten: Immer, wenn eine bestimmte Personengruppe nach und nach starb, galt der Erstverstorbene als Grund auch für den Tod der ihm folgenden Gruppe.“

Zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert wütete in Europa dann zudem die Pest. Die Forschenden glauben, dass der damit einhergehende Anstieg epidemischer Erkrankungen und Todesfälle auch den Anstieg der Bauchlagenbestattungen erklären kann – nicht zuletzt auch, weil immer mehr Menschen öffentlich direkt mit Tod und der teils sichtbaren Verwesung der Körper konfrontiert wurden.

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„Die schnelle Ausbreitung epidemischer Krankheiten, im Mittelalter zunächst die Pest, später dann Typhus, Syphilis und Cholera, verstärkte auch die Angst der Menschen vor dem Tod“, erläutern die Forschenden um Alterauge. „Und das nicht nur, weil die Menschen Angst hatten, sich anzustecken. Die Menschen waren zusehends auch mit Toten und verwesenden Körpern selbst konfrontiert. Die Vorstellung wiedererwachender Leichen, wurde ganz sicher von Beobachtungen der Nebenwirkungen des Verwesungsprozesses beeinflusst, wenn Leichname sich kurzzeitig mechanisch bewegten oder Schmatzgeräusche von sich gaben.“ Zu diesen Zeiten könnte die Bauchlage also verhindert haben sollen, dass die Toten zurückkehren und weitere Lebende infizieren.

In weiteren Schritten wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun eine mögliche Verbindung zu epidemischen Krankheiten noch genauer und mittels DNA-Analysen untersuchen. Auf diese Weise erhoffen sich die Forschenden nicht nur Hinweise auf die Krankheiten selbst, an denen die Bauchbeigesetzten starben, sondern auch über deren Nahrungsgewohnheiten. Auch letztere könnten dazu beitragen, festzustellen, ob und wie ein derart Beigesetzter sich von der restlichen Population seiner Zeit unterschied.




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Quelle: PLoS One

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Andreas Müller
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