Pasadena (USA) – Von vielen Tierarten ist mittlerweile bekannt, dass sie das irdische Magnetfeld wahrnehmen und sich mit dessen Hilfe orientieren können. Lange Zeit zweifelten Wissenschaftler daran, dass auch der Mensch diese Fähigkeit besitzt. Jetzt bestätigt eine aktuelle Studie frühere Beobachtungen und schlussfolgert: Auch wir Menschen haben – wenn auch meist nur unbewusst – einen Magnetsinn.
Wie das Team um Prof. Joseph Kirschvink vom California Institute of Technology (Caltech) gemeinsam mit japanischen Kollegen der University of Tokyo aktuell im Fachjournal „eNeuro“ (DOI: 10.1523/ENEURO.0483-18.2019), berichten, haben sie in ihren Experimenten einen sechs-seitigen Aluminiumkäfig konstruiert, um so jegliche elektromagnetische Interferenzen von außen abzuschirmen. Zudem verliefen innerhalb der Wände dieses Käfigs Magnetspulen, die magnetische Felder von der Stärke des Erdmagnetfeldes leiten konnten.
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Probanden sollten sich sodann auf einen hölzernen Stuhl im Innern dieses – zudem abgedunkelten – Würfelkäfigs genau Richtung Norden blickend setzten, während mittels EEG ihre Gehirnwellenaktivität gemessen wurde.
Während in einigen Durchgängen die zugeschalteten Magnetfelder nur in einer Richtung verließen, rotierten sie in anderen Fällen oder die sie erzeugende Maschine wurde zwar aktiviert, erzeugte aber keine Magnetfelder, wodurch der Proband ausschließlich dem natürlichen irdischen Magnetfeld ausgesetzt war.
Anhand der Experimente mit 34 erwachsenen Teilnehmern konnten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zeigen, dass bestimmte Szenarios einen Rückgang der Alpha-Hirnwellen bei den Probanden herbeiführten, wie er mit der Informationsverarbeitung im Gehirn in Verbindung gebracht wird. „Dieser Zustand stellte sich immer dann ein, wenn das angewandte Magnetfeld gen Norden ausgerichtet und dann nach oben oder unten verlagert wurde, oder wenn es zunächst nach untern und zugleich Richtung Norden ausgerichtet und gegen den Uhrzeigersinn rotiert wurde“, erklären die Forscher und erläutern hierzu: „Dies gleicht einem Menschen in der nördlichen Hemisphäre, der mit dem Kopf nickt oder seinen Kopf entsprechend nach rechts dreht.“
Diese Reaktionen zeigen demnach, dass auch wir Menschen solche Veränderungen unserer magnetischen Umgebung wahrnehmen können. Allerdings sei die Stärke dieser Wahrnehmung bei unterschiedlichen Teilnehmern auch unterschiedlich stark ausgeprägt.
Da der Versuchsaufbau elektrische Induktion oder einfach nur Messartefakte als Erklärung ausschließe, legen die Ergebnisse nahe, wie auch das menschliche magnetorezeptorische System aussehen könnte.
Dieses könnte etwa dem System von Vögeln gleichen, in dem Moleküle mit ungepaarten Elektronen auf das Erdmagnetfeld reagieren und es so den Tieren ermöglichen zu erkennen, ob sie sich in Richtung eines Pols oder des Äquators bewegen – nicht aber, ob sie gen Norden oder Süden ziehen. Das menschliche System, so vermuten die Wissenschaftler, könne hingegen Nord von Süd unterscheiden, weshalb sie eher einen Mechanismus favorisieren, der spezielle eisenkristallhaltige Zellen beinhaltet, die wie die Nadel eines Kompass rotieren und so Poren in den Zellen öffnen oder schließen und so die entsprechenden Magnet-Signale an das Hirn leiten.
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Tatsächlich haben schon zuvor Forscher um Professor Stuart A. Gilder und Professor Christoph Schmitz an der Ludwig-Maximilians-Universität München solche magnetischen Kristalle im menschlichen Gehirn asymmetrisch zwischen der linken und rechten Gehirnhälfte verteilt nachweisen können, wie sie vor allem im Kleinhirn und Hirnstamm zu finden sind und auf einen Magnetsinn des Menschen hindeuten (…GreWi berichtete).
Obwohl es bislang noch keine Hinweise dafür gebe, dass dieses System und der von vielen anderen Phänomenen überlagerte schwache Magnetsinn das Verhalten von Menschen beeinflusse, wollen die Wissenschaftler um Kirschvink in weiteren Experimenten genau dieser Frage noch weiter auf den Grund gehen.
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