Studie identifiziert die frühesten Bauern Europas auf dem Balkan

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Bern (Schweiz) – Anhand der präzisen Datierung von Pfahlbauten am Ufer des Ohridsees im südwestlichen Balkan in die Mitte des 5. Jahrtausends v. Chr. haben Schweizer Forschende hier vermutlich die Wiege der europäischen Landwirtschaft ausgemacht.
Wie das Team um Professor Albert Hafner von der Universität Bern aktuell im „Journal of Archaeological Science“ (DOI: 10.1016/j.jasrep.2021.103107) berichtet, spielte die Region um den ältesten See Europas entsprechend auch bei der Ausbreitung der Landwirtschaft eine Schlüsselrolle.
Tatsächlich sind die die Holzpfähle im Uferwasser des Ohridsees ein Glücksfall für die Archäologie, da sich die Fundamente hier unter Ausschluss von Sauerstoff hervorragend erhalten haben, da sie sie nicht durch Bakterien oder Pilze zersetzt wurden.
„Das so präservierte Holz eignet sich ausgezeichnet für dendrochronologische Untersuchungen, der Datierung anhand von Jahrringen“, erläutern die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. „In Kombination mit der Radiokarbondatierung lässt sich das Alter des Holzes genau bestimmen, und damit der Zeitpunkt, zu dem die Siedlungen gebaut wurden. Nun wurde diese Methode erstmals außerhalb des Alpenraums angewandt.“
Im Rahmen des internationalen Großprojekts „EXPLO“ wurden bislang rund 800 Pfähle an der Ostküste des Ohridsees datiert. Die Ergebnisse und daraus gewonnenen Erkenntnisse belegen, dass der Siedlungsbau in der Bucht von Ploča Mičovgrad in der Nähe der nordmazedonischen Stadt Ohrid über Jahrtausenden hinweg in verschiedenen Phasen verlief: „Von der Jungsteinzeit (Mitte des 5. Jahrtausend v. Chr.) bis in die Bronzezeit (2. Jahrtausend v. Chr.). Bislang ging man davon aus, es handle sich um eine Siedlung aus der Zeit um 1000 v. Chr. Diese intensive Bautätigkeit erklärt die außergewöhnliche Dichte von Holzpfählen an der Fundstelle. Die Siedlungen wurden gewissermaßen übereinander gebaut.“
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Die präzisen Datierungen der unterschiedlichen Siedlungsphasen stellen nun wichtige zeitliche Referenzpunkte für eine Chronologie der Prähistorie im südwestlichen Balkan dar. Die präzise zeitliche Einordung wiederum eröffnete nun ungeahnte Interpretationsmöglichkeiten für die gefundenen Spuren der frühen Besiedlung des Ohridsees: „So verbirgt sich unter dem heutigen Seegrund eine sogenannte Kulturschicht. Sie besteht vorwiegend aus organischem Material und ist bis zu 1,7 Meter dick. Darin finden sich unter anderem Überreste von geerntetem Getreide, Wildpflanzen und Tieren, die Rückschlüsse auf die Entwicklung der Landwirtschaft geben können. Im Balkan waren die neu zugezogenen Bauern mit vergleichsweise kühlen und feuchten Klimabedingungen konfrontiert, was sie zu einer entsprechenden Anpassung der landwirtschaftlichen Praktiken zwang. Die Wechselwirkungen zwischen dieser revolutionären Innovation und der Umwelt sind weitgehend unbekannt“.
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Die Pfahlbauten im Alpenbogen sowie die Fundorte im Balkan sind weltweit die einzigen Überreste von Siedlungen aus der Jungsteinzeit mit exzellenter organischer Erhaltung. Die frühen Funde sind besonders interessant, da das Gebiet in der Ausbreitung der Landwirtschaft eine geografische Schlüsselrolle einnimmt: „Hier lebten die ersten Bauern und Bäuerinnen Europas. Vor mehr als 8’000 Jahren gelangten frühe Viehzüchter und Ackerbauern aus Anatolien zunächst in den ägäischen Raum, insbesondere Nordgriechenland, und danach via Süditalien und den Balkan nach Mitteleuropa.“
Laut Hafner zeigen die Untersuchungen nicht zuletzt das große Potenzial für künftige Forschung zu den prähistorischen Siedlungen in der Region. Der Stellenwert der Siedlungen am Ohridsee sei groß: „Seit 2011 zählen die Pfahlbauten rund um die Alpen zum UNESCO-Welterbe, die Feuchtbodensiedlungen im südwestlichen Balkan sind nicht weniger bedeutend.“ Die Region biete eine mit dem Raum rund um die Alpen vergleichbare Situation: Im heutigen Albanien, Nordgriechenland und Nord-Mazedonien haben sich in zahlreichen Seen prähistorische Siedlungsrelikte erhalten. Allerdings sind die Fundplätze im Balkanraum mit wenigen Ausnahmen bisher kaum untersucht worden.
Langfristig verfolgen die Berner Forschenden noch weitere Ziele. „Wir möchten mithelfen, dass der Stellenwert dieser Feuchtlandsiedlungen vor Ort erkannt wird und diese Kulturgüter besser geschützt werden“, erklärt Hafner.
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Recherchequelle: Universität Bern
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