Studie: Lebensfreundliche Zone für komplexes Leben ist deutlich kleiner
Riverside (USA) – Eine neue Studie kommt zu dem Schluss, dass Wissenschaftler bei der Suche nach außerirdischem Leben jenseits der Erde bisherige Vorstellungen von der Freundlichkeit von Planeten gegenüber komplexem Leben überdenken müssen – zumindest, wenn es um Vorstellungen von Leben nach irdischem Vorbild geht.
Wie das Team um Edward Schwieterman von der University of California in Riverside (UCR) aktuell im „The Astrophysical Journal“ (DOI: 10.3847/1538-4357/ab1d52) berichtet, haben sie die Frage nach der Ansammlung giftiger Gase in der Atmosphäre der meisten Planeten untersucht, wie sie diese potentiellen Lebensräume zumindest für das uns bekannte komplexe Leben, ungeeignet machen würden.
Bislang konzentrierte sich ein Großteil der Suche nach außerirdischem Leben auf das, was Wissenschaftler als die „habitable Zone“ bezeichnen. Dieser Begriff definiert, jene Region, innerhalb derer ein Planet seinen Stern umkreisen muss, damit aufgrund gemäßigter Oberflächentemperauren flüssiges Wasser – und damit die Grundlage zumindest des irdischen Lebens – existieren kann.
„Allerdings gilt diese einfache Beschreibung nur für einzellige Mikroben – aber nicht für komplexe Lebewesen wie Tiere, zu denen alles gehört – von einfachen Schwämmen bis hin zu Menschen“, gibt Schwieterman zu bedenken und führt dazu weiter aus: „Unsere Arbeit zeigt, dass die Berücksichtigung des vorhergesagten Gehalts an bestimmten giftigen Gasen diese ‚sichere Zone‘ für komplexes Leben um mindestens die Hälfte einschränkt – und in einigen Fällen sogar ganz eliminiert.“
Damit handelt es sich um die erste Studie überhaupt, die die physiologischen Grenzen des Lebens auf der Erde berücksichtigt, um die Verteilung des komplexen Lebens anderswo im Universum vorherzusagen.
„Stellen Sie sich eine ‚bewohnbare Zone für komplexes Leben‘ vor, die als sichere Zone definiert ist, in der es plausibel wäre, reiche Ökosysteme zu finden, wie wir sie heute auf der Erde vorfinden“, erklärt Mitautor Timothy Lyons. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass komplexe Ökosysteme wie unsere in den meisten Regionen der bewohnbaren Zone nicht existieren können, zumindest so diese traditionell definiert wird.“
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Mit Hilfe von Computermodellen zur Untersuchung des atmosphärischen Klimas und der Photochemie auf verschiedenen Planeten, untersuchte das Team zunächst Kohlendioxid (CO2): „Jeder Taucher weiß, dass zu viel von diesem Gas im Körper tödlich sein kann. Planeten, die zu weit von ihrem Wirtsstern entfernt sind, benötigen Kohlendioxid – ein starkes Treibhausgas -, um die Temperaturen über dem Gefrierpunkt zu halten. Die Erde eingeschlossen. Um flüssiges Wasser am äußeren Rand der konventionellen bewohnbaren Zone zu erhalten, würde ein Planet zehntausende Male mehr Kohlendioxid benötigen als heute auf der Erde“, erläutert Schwieterman. „Das geht weit über die Werte hinaus, von denen bekannt ist, dass sie für das menschliche und tierische Leben auf der Erde giftig sind.“
Die neue Studie kommt zu dem Schluss, dass die Kohlendioxid-Toxizität allein das einfache Tierleben (nach irdischem Vorbild) auf nicht mehr als die Hälfte der traditionellen habitablen Zone beschränkt. Für Menschen und andere Tiere höherer Ordnung, die empfindlicher sind, schrumpfe damit die „Sicherheitszone“ auf weniger als ein Drittel dieser Fläche.
Darüber hinaus gebe es für bestimmte Sterne überhaupt keine „sichere Zone“, einschließlich der beiden nächsten Nachbarn der Sonne, Proxima Centauri und TRAPPIST-1 auf deren bereits entdeckten erdgroßen Felsplaneten Wissenschaftler auf Leben hoffen.
„Die Art und Intensität der ultravioletten Strahlung, die diese kühleren, schwächeren Sterne abgeben, kann zu hohen Konzentrationen von Kohlenmonoxid (CO) führen, einem weiteren tödlichen Gas. Kohlenmonoxid bindet im tierischen Blut an Hämoglobin – jene Verbindung, die Sauerstoff durch den Körper transportiert. „Schon geringe Mengen können aufgrund von Sauerstoffmangel zum Absterben der Körperzellen führen“, so die Forscher.
Kohlenmonoxid kann sich auf der Erde nicht ansammeln, da unsere heißere, hellere Sonne chemische Reaktionen in der Atmosphäre hervorruft, die es schnell zerstören. Obwohl das Team kürzlich zu dem Schluss kam, dass mikrobielle Biosphären möglicherweise auf einem Planeten mit reichlich Kohlenmonoxid gedeihen können, betonte Schwieterman, dass „dies sicherlich keine guten Orte für menschliches oder tierisches Leben sein werden, wie wir es auf der Erde kennen“.
Bislang haben Wissenschaftler fast 4.000 Planeten um ferne Sterne, sogenannte Exoplaneten, entdeckt und als solche bestätigt. Aufgrund der enormen Distanzen zwischen der Erde und diesen Welten, kann jedoch keiner dieser Planeten derzeit direkt vor Ort untersucht werden.
Der uns nächstgelegene Planet wäre „Proxima Centauri b“, für dessen Erreichen wir mit derzeitigen Antrieben aber immer noch 54.400 Jahre benötigen würden. Die Verwendung von Teleskopen zur Erfassung der Häufigkeit bestimmter Gase in ihrer Atmosphäre ist hingegen eine Möglichkeit, die Eigenschaften dieser Planeten schon heute oder zumindest mittelfristig zu untersuchen.
„Unsere Entdeckungen bieten eine Möglichkeit zu entscheiden, welche dieser unzähligen Planeten wir genauer beobachten sollten“, erläutert Christopher Reinhard, ein ehemaliger UCR-Doktorand, der jetzt Assistenzprofessor am Georgia Institute of Technology ist und Mitautor dieser Studie ist. „Würden wir entsprechend hohe Kohlendioxid- oder Kohlenmomoxid-Gehalte in der Atmosphäre eines fernen Planeten finden, wüssten wir zumindest, dass es dort vermutlich kein erdähnliches, komplexes Leben gibt.“
Zuvor hatte das Team bereits untersucht, wie häufig Sauerstoff in den Atmosphären verschiedener Planeten vorkommt, da er für das komplexe Leben auf der Erde unerlässlich ist und aus der Ferne nachgewiesen werden kann. Anders als die Erde beherbergt kein Planet in unserem Sonnensystem Leben, das das kann.
Anders als die Erde beherbergt kein Planet in unserem Sonnensystem Leben, das aus der Ferne charakterisiert werden kann. Wenn anderswo im Sonnensystem Leben existiert, erklärt Schwieterman, liegt es tief unter einer felsigen oder eisigen Oberfläche. Somit können Exoplaneten unsere beste Hoffnung sein, bewohnbare Welten zu finden, die unseren eigenen ähneln.“
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