Studie liefert Erklärung für „Feenkreise im Seegras“ vor den Scilly-Inseln

Zwei Seegras-Kreise mit Durchmessern von 5-6 Metern im Seegrasbett vor vor Old Grimsby Harbour auf der zweitgrößten Scilly-Insel Tresco im September 2014. Copyright: R. M. Warwick
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Zwei Seegras-Kreise mit Durchmessern von 5-6 Metern im Seegrasbett vor vor Old Grimsby Harbour auf der zweitgrößten Scilly-Insel Tresco im September 2014. Copyright: R. M. Warwick

Zwei Seegras-Kreise mit Durchmessern von 5-6 Metern im Seegrasbett vor vor Old Grimsby Harbour auf der zweitgrößten Scilly-Insel Tresco im September 2014.
Copyright: R. M. Warwick

Plymouth (Großbritannien) – Mit den sommerlichen Kornkreisen haben sie nichts gemein, – wenn überhaupt, dann vielleicht etwas mit den sogenannten „Feenkreisen“ in den Wüstengrasländern in Namibia und Australien. Der Frage, was für die seltsamen Kreise im und aus Seegras verantwortlich ist, wie sie sich unter anderem vor den britischen Scilly-Inseln zu finden sind, ist eine aktuelle Studie eines Meeresökologen auf den Grund gegangen.

Bei den Seegras-Kreisen vor den Scilli-Inseln handelt es sich entweder um kreisförmige Lücken in sonst geschlossenen Seegraswiesen oder um im Kreisen bzw. Ringen wachsendes Seegras auf sonst freiem Meeresboden.

Erstmal beobachtet und auch beschrieben wurden die Seegras-Kreise vor Scilly bereits Mitte der 1950-er Jahre. Neben den Scilly-Inseln vor der vor der Südwestspitze Englands sind solche Kreise auch von der Küste Dänemarks, dem Mittelmeer und North Carolinas in den USA bekannt. Betroffen sind unterschiedliche Seegrasarten, darunter Halodule wrightii, Posidonia oceanica und Zostera marina. Während vor den Scilly-Inseln beide Arten der Seegras-Kreise in Zostera marina zu finden sind, finden sich im Mittelmeer hauptsächlich kreisrunde Löcher in sonst geschlossenen Wiesen aus Posidonia oceanica. Vor Dänemark erscheint das Phänomen in Zostera marina in eher unregelmäßig geformten Ringen, während vor der Küste North Carolinas Halodule wrightii wie zu einem Leopardenfellmuster geformt erscheint.

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Während schon früher unterschiedliche Hypothesen aufgestellt wurden, wonach es sich bei den „Feenkreisen im Seegras“ um das Ergebnis von Seegraswachstum auf alten archäologischen Strukturen, Mauerresten, Ruinen oder in Bombenkratern handeln könnte, zeigten Untersuchungen, dass diese Erklärungen nicht zutreffend sind.

In einer aktuellen Studie, die kürzlich im „Journal of the Marine Biological Association of the United Kingdom“ (JMBA; DOI: 10.1017/S0025315422000273) veröffentlicht wurde, liefert der britische Meeresökologe Dr. Richard Warwick vom Plymouth Marine Laboratory  (PML) nun für die Kreisformationen vor Scilly zweierlei Erklärungen.

Zum einen hält er jene kreisrunden freien Stellen in sonst geschlossenen Seegraswiesen meist für das Ergebnis von hier angelegten Booten, die – etwa durch Anker und Motoren – die Pflanzen in annähern rund Flächen stören, schädigen oder gar entfernen.

Luftbild der Seegraswiesen vor der Higher Town Bay auf St. Martin‘s im August 2021. Copyright/Quelle: Dominic Heydon, reproduced with permission by R. M. Warwick

Luftbild der Seegraswiesen vor der Higher Town Bay auf St. Martin‘s im August 2021.
Copyright/Quelle: Dominic Heydon, reproduced with permission by R. M. Warwick

Die einzelnen Kreise bzw. Ringe aus Seegras (Zostera marina), wie sie auch in der Titelabbildung (o.) zu sehen sind, sieht Warwick als das Ergebnis des saisonalen Wachstums der Pflanzen.

Hintergrund
Neben der sexuellen Fortpflanzung durch Samen, mit denen Seegräser neue Lebensräume erreichen können, vermehren sich Seegräser im Gegensatz zu den meisten Pflanzen an Land meist asexuell, indem sie Sprosshalme, sogenannte Rhizome, im Sediment horizontal ausbreiten und aus Knoten in diesen Halmen neue Blätter treiben. Wenn Rhizome von der Pflanze getrennt werden, etwa durch Absterben von Zellen, so bilden sich zwar individuelle, aber genetisch identische neue Pflanzen.

Laut Warwick beginnt dieses sogenannte klonale Wachstum eines Seegraskreises in dessen Zentrum, breitet sich nach außen aus und hinterlässt so nach und nach ein immer größer werdendes Zentrum abgestorbener und nach und nach verschwindender Pflanzen.

Statt also, wie dies wiederum andere Hypothesen zuvor vermutet hatten, durch externe Vergiftung, Düngung oder Ähnlichem abzusterben, sterben die inneren Seegräser schlicht und einfach aufgrund ihres fortschreitenden Alters. Auf diese Weise dehnt sich der Kreis bzw. Ring zudem auch nach außen aus, vergrößert nach und nach seinen Durchmesser. Diesen saisonalen Wachstumsprozess der Kreisform konnte Warwick auch nachweisen.




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Recherchequellen: JMBA, eigene Recherchen grenzwissenschaft-aktuell.de

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