Studie offenbart „biochemische Aura“ des Menschen
Mainz (Deutschland) – Die Vorstellung von einer „Aura“, einem im gewöhnlichen Sehspektrum unsichtbaren Feld um unseren Körper, wird meist ins spirituell-esoterische Denken verortet. Tatsächlich besitzt unser Körper aber auch unterschiedliche, rein physikalisch messbare Felder, die der Vorstellung einer Aura recht nahekommen. In einer aktuellen Studie zeigen Biochemiker nun ein Oxidationsfeld, durch das wir diverse Moleküle an unsere Umgebung abgeben und damit sogar die Chemie von uns umgebender Raumluft verändern können – eine Art biochemischer Aura.
Wie das Team um Nora Zannoni und Jonathan Williams vom Max-Planck-Institut für Chemie aktuell im Fachjournal „Science“ (DOI: 10.1126/science.abn0340) berichtet, verbringen wir Menschen typischerweise 90 Prozent unserer Zeit in Innenräumen. „Dort sind wir von einem unsichtbaren Molekülcocktail umgeben: Wände, Böden und Möbel gasen aus, beim Kochen oder Putzen entweichen chemische Stoffe in die Luft und je nach Umgebung gelangen auch Schadstoffe von außen nach innen. Allerdings nehmen wir diesen Molekülcoktail nicht nur auf, sondern geben selbst beim Atmen und über die Haut diverse Moleküle an die Umgebung ab.“
In ihrer Studie haben sich die Mainzer Forschenden gemeinsam mit Kollegen aus Dänemark, der Schweiz und den USA der Frage gewidmet, wie diese Chemikalien dann auch wieder verschwinden.
Auch in der Atmosphäre finden ähnliche Prozesse statt. Diese reinigt sich jedoch in gewissem Umfang von selbst, durch Regen und durch chemische Oxidation. „Verantwortlich für letzteres sind maßgeblich Hydroxyl-(OH)-Radikale“, erläutert die Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts und führt dazu weiter aus: „Diese sehr reaktionsfreudigen Moleküle werden auch als Waschmittel der Atmosphäre bezeichnet. Sie entstehen hauptsächlich durch die Wechselwirkung von UV-Licht der Sonne mit Ozon und Wasserdampf. In Innenräumen wird die Luft hingegen weit weniger von direktem Sonnenlicht beeinflusst, insbesondere da UV-Strahlen durch Glasfenster weitgehend herausgefiltert werden.“
Wissenschaftler nahmen bislang an, dass Ozon, wie es auch in Gebäuden meist in geringen Konzentrationen vorkommt, indem es von außen eindringt, das wichtigste Oxidationsmittel in Innenräumen sei. Im Vergleich zu Ozon können allerdings OH-Radikale viel stärker oxidieren. Tatsächlich entstehen in Innenräumen alleine durch die Anwesenheit von Menschen hohe Mengen dieser OH-Radikalen sowie an Ozon.
„Dass wir Menschen nicht nur eine Quelle reaktionsfreudiger Chemikalien sind, sondern dass wir diese auch selbst umwandeln können, war für uns sehr überraschend“, sagt die Erstautorin. „Die Stärke und Form des Oxidationsfeldes hängt davon ab, wie viel Ozon vorhanden ist und wie der Raum belüftet ist“, ergänzt die Wissenschaftlerin, die jetzt am Institut für Atmosphärische Wissenschaften und Klima in Bologna, Italien arbeitet. „Die Werte, die die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen feststellten, waren sogar mit den OH-Konzentrationen im Freien am Tag vergleichbar.“
Die Ursache des Oxidationsfeldes liegt laut der Studie darin, dass Ozon mit Ölen und Fetten auf unserer Haut reagiert, besonders mit der ungesättigten Fettsäure Squalen, die etwa 10 Prozent des Talgs ausmacht und als Antioxidans unsere Haut schützt und geschmeidig hält. „Bei dieser Reaktion wird eine Vielzahl von chemischen Stoffen freigesetzt, die Doppelbindungen enthalten und dadurch in der Luft mit Ozon weiter reagieren, wodurch erhebliche Mengen von OH-Radikalen entstehen.“
Die Forschenden um Zannoni hatten diese Abbauprodukte von Squalen mit Hilfe von Gas-Chromatografen und einem Massenspektrometer einzeln charakterisiert und quantifiziert. Die OH-Konzentration wiederum wurde über die OH-Reaktivität bestimmt.
Für ihre Experimente war die Gruppe an die Technische Universität Dänemark (DTU) nach Kopenhagen gereist. In einer speziellen Klimakammer (s. Abb.) hielten sich vier Testpersonen unter standardisierten Bedingungen auf. Über eine Rohrleitung wurde Ozon in einer für Menschen unkritischen Menge der Luft beigemischt (35 ppm). Das Team bestimmte während des Versuchs die OH-Werte vor und während des Aufenthalts der Freiwilligen. Die Werte waren sogar mit den OH-Konzentrationen vergleichbar, wie sie an einem typischen Tag im Freien entstehen. Um zu verstehen, wie sich das Oxidationsfeld räumlich und zeitlich beispielsweise bei verschiedenen Lüftungsbedingungen verhält, haben die Forschenden kinetische und Strömungsdynamikmodelle mit den Messergebnissen gespeist. Die Modelle zeigen, dass sich starke räumliche OH-Gradienten bildeten.
www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER können Sie den täglichen und kostenlosen GreWi-Newsletter bestellen +
„Wir müssen die Chemie in Innenräumen überdenken, denn die Oxidationsfelder, die wir selbst erzeugen, verändern auch viele Chemikalien in unserer direkten Umgebung“, sagt Projektleiter Jonathan Williams. „Das OH-Radikal kann viel mehr chemische Verbindungen oxidieren als Ozon, wodurch eine Vielzahl von Produkten direkt in unserer Atemzone entsteht, deren Auswirkungen auf unsere Gesundheit noch unbekannt sind. Die Oxidationsfelder wirken sich sicher auch auf die chemischen Signale aus, die wir aussenden und empfangen. Sie erklären möglicherweise auch, warum unser Geruchssinn generell empfindlicher auf Moleküle reagiert, die schneller mit OH reagieren.“
GreWi-Dossier: „Auren“ des Menschen
Wissenschaftler präsentieren Emotionskarte des menschlichen Körpers 2. Januar 2014
Erstaunliche Entdeckung: Auch Menschen können infrarotes Licht sehen 3. Dezember 2014
Forscher erklären Aurasichtigkeit mit Synästhesie 9. Mai 2012
Forscher fotografieren biolumineszente „Aura“ des Menschen 23. Juli 2009
Die neuen Erkenntnisse haben auch eine ganz praktische Bedeutung für unsere Gesundheit: „Gegenwärtig werden die chemischen Emissionen vieler Materialien und Einrichtungsgegenstände unter Laborbedingungen isoliert geprüft, bevor sie für den Verkauf freigegeben werden“, so die Forschenden abschließend. „Es wäre jedoch ratsam, auch Tests in Anwesenheit von Personen durchzuführen, so der Atmosphärenchemiker Williams. Denn Oxidationsprozesse können unter anderem zur Bildung Atemwegs-reizender Stoffe wie Oxopentanal (4-OPA) und kleiner Partikel in unmittelbarer Nähe der Atemwege führen, was besonders bei vorerkrankten Menschen und Kindern eine Rolle spielen kann.“
Recherchequelle: Max-Planck-Institut für Chemie
© grenzwissenschaft-aktuell.de