Studie zeigt: Menschenaffen reagieren auf Kamerafallen
Leipzig (Deutschland) – Anhand der Aufnahmen von sog. Kamerafallen können Verhaltensforscher zeigen, dass freilebende Menschenaffen neue Objekte in ihrer Umgebung bemerken. Die Beobachtung könnte auch aus kryptozoologischer Sicht interessant sein.
Wie das internationale Forschungsteam vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig aktuell im Fachjournal „Current Biology“ (DOI: 10.1016/j.cub.2019.02.024) berichtet, haben sie Videoaufzeichnungen aus Kamerafallen analysiert, die sie in den Lebensräumen von Menschenaffen in ganz Afrika aufgestellt hatten, um so herauszufinden, wie die Tiere auf diese unbekannten Objekte reagieren würden.
Laut den Forscherinnen und Forschern unterscheiden sich die Reaktionen je nach Menschenaffenart und sogar zwischen Individuen derselben Art – hatten jedoch alle eins gemeinsam: Die Menschenaffen bemerken die Kameras.
„Unser Ziel war es, die Reaktionen von Schimpansen, Bonobos und Gorillas auf unbekannte Objekte in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten, da in der vergleichenden Psychologie häufig Experimente mit neuen Objekten gemacht werden, und wir herausfinden wollten, ob die drei Menschenaffenarten unterschiedlich darauf reagieren“, sagt Ammie Kalan, Primatologin am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „Besonders überrascht waren wir über die unterschiedlichen Reaktionen, die wir bei Schimpansen und Bonobos beobachtet haben. Als nahe verwandte Arten sind sie einander genetisch sehr ähnlich. Wir erwarteten also, dass sie auch ähnlich auf die Kameras reagieren würden – aber das war nicht der Fall.“
[video_player type=“youtube“ youtube_show_title_bar=“Y“ style=“1″ dimensions=“560×315″ width=“560″ height=“315″ align=“center“ margin_top=“0″ margin_bottom=“20″ ipad_color=“black“]aHR0cHM6Ly93d3cueW91dHViZS5jb20vd2F0Y2g/dj02ei1oM1JNczAzdw==[/video_player]
„Die Schimpansen interessierten sich generell eher weniger für die Kamerafallen – sie schienen ihre Anwesenheit kaum zu bemerken und fühlten sich im Allgemeinen nicht von ihnen gestört“, sagt Kalan. „Die Bonobos hingegen fühlten sich von den Kamerafallen gestört; sie näherten sich ihnen nur zögerlich oder hielten sich sogar absichtlich von ihnen fern.“
www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER können Sie den täglichen und kostenlosen GreWi-Newsletter bestellen +
Auch Tiere derselben Art reagierten unterschiedlich auf die Kameras. „Menschenaffen, die in Gebieten leben, wo Menschen präsent sind – wie zum Beispiel in der Nähe von Forschungsstationen – können für unbekannte Gegenstände desensibilisiert werden und finden diese dann nicht mehr so interessant. Ein anderes Tier derselben Art, das weniger häufig mit fremden oder neuen Gegenständen Kontakt hatte, findet diese dann möglicherweise interessanter.“
Hintergrund: Kamerafallen und Bigfoot
Wenn auch nicht Inhalt der aktuellen Studie, so könnte deren Ergebnis doch auch von Interesse für die Kryptozoologie und hier speziell für die Suche nach dem Yeti, Bigfoot, Sasquatch & Co sein, denn auch hier hoffen Forscher – bislang jedoch leider vergebens – auf einen Fotobeweis mit Hilfe von Kamerafallen. Zwar gibt es bereits zahlreiche Aufnahmen, die einen der bislang noch nicht wissenschaftlich eindeutig nachgewiesenen aufrechtgehenden Großprimaten zeigen könnten. Eindeutig ist jedoch keines der Beispiele.
Während Skeptiker diesen Umstand meist als Beleg dafür deuten, dass es die „Waldmenschen“ schlichtweg nicht gibt, offenbarte eine Studie 2014 Schwachstellen zahlreicher Wildtierkameras in Form der Emissionen der elektronischen Instrumente und die Fähigkeit unterschiedlicher Tiere, diese wahrnehmen zu können.
„Es gibt Fälle, in denen Forscher davon berichten, dass Tiere auf die Kamerafallen direkt reagieren“, so Paul D. Meek von der University of Canberra damals im Fachjournal „PLoS One“. „Für die Forschung ist dies jedoch ein meist unerwünschter Effekt und es ist wichtig zu wissen, warum und von was genau die Tiere gestört werden.“ In ihrer Studie hatten die Forscher 12 Modelle von Kamerafallen auf akustische Emissionen im für Menschen hörbaren und im Ultraschallbereich, sowie auf visuelle Emissionen im sichtbaren und infraroten Lichtspektrum untersucht und dabei festgestellt, dass „nahezu alle Kamerafallen Töne und Lichtsignale von sich geben, die von einer Vielzahl von Säugetieren wahrgenommen werden können“, (…GreWi berichtete).
Die Frage, warum Bigfoot & Co nur so selten oder sogar gar nicht in Kamerafallen tappen, wird natürlich auch innerhalb der Gemeinde der Kryptozoologen seit Jahren diskutiert. Allgemeiner Konsens unter den Bigfoot-Forschern ist, dass es sich um sehr intelligente und wachsame Wesen handelt, die selbst gut getarnte Kamerafallen erkennen und wohlmöglich aufgrund ihrer sensiblen Sensorik schon von Weitem wahrnehmen können und entsprechende Orte meiden (…GreWi berichtete).
Die aktuelle Studie der Leipziger Verhaltensforscher bestätigt zumindest den ersten Teil dieser Annahme in Bezug auf die der Wissenschaft bekannten Großprimaten.
Auch das Alter der Tiere spielte eine Rolle. „Jüngere Menschenaffen erforschen die Kamerafallen intensiver, indem sie sie über längere Zeiträume hinweg anstarren“, sagt Kalan. „Wie Menschenkinder nehmen auch junge Menschenaffen viele Informationen auf, um mehr über ihre Umgebung zu erfahren. Ihre Neugier hilft ihnen dabei.“
Die große Bandbreite der von den Menschenaffen gezeigten Reaktionen und die komplexen Unterschiede sowohl zwischen den Arten als auch innerhalb einer einzigen Art verdeutlichen, dass Wissenschaftler zukünftig vorab in Betracht ziehen müssen, wie Tiere auf unbekannte Aufzeichnungsgeräte in ihren natürlichen Lebensräumen reagieren. „Wenn wir Beobachtungsdaten sammeln, könnte es durchaus problematisch sein, dass sich das Verhalten der Tiere angesichts der Aufzeichnungsgeräte je nach Art oder Individuum verändert“, so die Wissenschaftlerin und führt weiter aus. „Um diesen Effekt einzudämmen, sollte es Vorbereitungsphasen geben, in der sich die Wildtiere an die neuen Objekte gewöhnen können.“
Trotz dieser möglichen Komplikation ist der Einsatz von Kamerafallen zur Beobachtung von Wildtierpopulationen nach wie vor eine der nützlichsten Möglichkeiten. „Unser Wissen ist in der Regel dadurch begrenzt, dass wir nur wenige Tiergruppen oder -populationen genauer beobachtend untersuchen können. Die Verwendung von Technologien wie Kamerafallen löst dieses Problem effektiv“, so Kalan abschließend. „Auch im Hinblick auf die Erforschung der Verhaltensflexibilität der Tiere könnte es interessant sein, ihre Reaktionen auf diese neuen Technologien zu untersuchen. Daher würde ich mir wünschen, dass mehr Forschende im Rahmen des Biomonitoring auch das Verhalten der Tiere neuen Objekten gegenüber näher betrachten.“
WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Warum gehen Bigfoot & Co nicht in Kamerafallen? Studie offenbart visuelle und akustische Schwachstellen von Wildtierkameras 30. Oktober 2014
© grenzwissenschaft-aktuell.de