Theory of Mind: Auch Raben können sich in die Sichtweise von Artgenossen hineinversetzen

Lesezeit: ca. 2 Minuten

02041
Kolkrabe (Corvus corax)

Copyright: Jana Müller, Universität Wien

Wien (Österreich) – Als „Theory of Mind“ bezeichnen Bewusstseinsforscher die Fähigkeit, sich in die Sichtweisen anderer hineinversetzen zu können. In einer aktuellen Studie kommen Wiener Kognitionsbiologen zu der Schlussfolgerung, dass nicht nur Menschen, sondern auch Raben genau diese Fähigkeit besitzen.

Wie Thomas Bugnyar und Stephan Reber von der Universität Wien gemeinsam mit dem Philosophen Cameron Buckner von der University of Houston aktuell im Fachjournal „Nature Communications“ (DOI: 10.1038/ncomm10506) berichten, konnten sie in ihren Experimenten nun erstmals belegen, dass sich Raben tatsächlich vorstellen, was andere Raben sehen können. Das Team leistet damit einen wichtigen Beitrag in der aktuellen Debatte, ob außer Menschen auch Tiere zu einer „Theory of Mind“ fähig sind.

www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER können Sie den täglichen GreWi-Newsletter bestellen +

Schon seit Jahren sind Forscher darum bemüht, die „Theory of Mind“ bei Tieren wie Schimpansen und Rabenvögeln nachzuweisen. „Das Problem all dieser Arbeiten war aber bislang, dass sich die Tiere an der Kopf- oder Augenbewegung von Artgenossen orientieren konnten“, erläutert die Pressemitteilung der Wiener Universität.

In ihrer aktuellen Studie konnten die Forscher diesen Einwand nun jedoch erstmals entkräften und testeten die Fähigkeit von Raben, sich in andere hineinzuversetzen, indem sie deren Konkurrenz um verstecktes Futter nutzten: „In einem ersten Schritt wiesen sie nach, dass Raben Futter nur dann gut versteckten, wenn dominante Artgenossen im Nachbarraum sichtbar und gleichzeitig hörbar waren. In einem zweiten Schritt wurde den Raben ein Guckloch gezeigt, dass ihnen erlaubte, in den Nachbarraum zu spähen. Falls dieses Guckloch in der Folge offen war und die Raben vom Nachbarraum Laute von anderen Raben hörten, versteckten sie ihr Futter in der gleichen Weise, als ob ihre Artgenossen sichtbar waren. Da die Anwesenheit von Artgenossen beim offenen Guckloch über Playback simuliert wurde, konnten die Raben definitiv nicht das Verhalten von Artgenossen beurteilen. Trotzdem agierten sie, als ob sie beobachtet werden.“

Zum Thema

Für die Forscher zeigt das Ergebnis ihrer Studie, „dass die Raben ihr Futter nur dann gut verstecken, wenn sie andere Raben im benachbarten Raum hören und wenn ein Guckloch zu diesem Raum offen ist. Da die Raben in diesem Fall keine Artgenossen sehen können, sie aber trotzdem reagieren, als ob sie gesehen werden, kann ihr Verhalten nur über ein Verständnis der Sichtweise der anderen (Raben) erklärt werden“, erläutert Thomas Bugnyar.

„Die Ergebnisse legen nahe, dass Raben die akustische Information über die Anwesenheit anderer Raben mit ihrer eigenen Erfahrung, dass man durch das Guckloch schauen kann, geistig verbinden können, was mit einer der gängigen Hypothesen übereinstimmt, wie ‚Theory of Mind‘ funktionieren könnte“, erläutert Bugnyar abschließend.

WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Forscher entdecken Zähl-Neuronen im Gehirn von Krähen 10. Juni 2015
Biologen beobachten erstmals Augen-Kommunikation bei Dohlen 13. Februar 2014
Video: Krähe löst 8-stufige Denkaufgabe 11. Februar 2014
Erstmals hirnphysiologische Grundlagen der Intelligenz von Krähen erforscht 28. November 2013
Auch Krähen erkennen verdeckte Ursachen 22. September 2012
Studie zeigt: Auch Raben verwenden Gesten 30. November 2011

© grenzwissenschaft-aktuell.de