Trauminkubation: MIT testet Gerät zur Manipulation von Trauminhalten

Der Datenhandschuh des Dormio-Geräts. Copyright: MIT
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Der Datenhandschuh des Dormio-Geräts. Copyright: MIT

Der Datenhandschuh des Dormio-Geräts.
Copyright: MIT

Cambridge (USA) – Mit einem sich noch im Experimenterstadium befindenden Gerät, haben US-Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT) eine Technologie und dazugehöriges Protokoll entwickelt, mit dem der Inhalt von Träumen im Schlaf manipuliert, bzw. gezielt ausgelöst werden soll.

Wie das Team unter der Leitung des Neurowissenschaftlers Adam Haar Horowitz aktuell im Fachjournal „Consciousness and Cognition“ (DOI: 10.1016/j.concog.2020.102938) berichtet, sollen bei den Schlafenden mithilfe des Geräts, des Protokolls und indem sie sich an bestimmte Hinweise erinnern lassen, gezielte Traumthemen und -erlebnisse ausgelöst werden.

In einer neuen Studie beschreibt ein Team unter der Leitung des Neurowissenschaftlers Adam Haar Horowitz vom MIT, wie ein tragbares elektronisches Gerät namens „Dormio“ das ermöglicht, was die Forscher als „gezielte Trauminkubation“ (TDI) während der ersten, fließend einsetzen Schlafphase, in der der Schläfer erlebt ein Grenzbewusstseinszustand namens Hypnagogie durchläuft, bezeichnen.

Hintergrund
Als Hypnagogie bezeichnen Schlafforscher einen Bewusstseinszustand, der beim Einschlafen auftreten kann. In diesem hypnagogen Zustand können visuelle, auditive und taktile Halluzinationen erlebt werden, unter Umständen, ohne sich bewegen zu können (Schlafparalyse). Obwohl der Person dabei bewusst ist, dass sie halluziniert, kann sie in den meisten Fällen nicht darauf reagieren. Der Übergang vom Wachsein zum hypnagogen Zustand vollzieht sich fließend. Auch wenn das Wachdenken vorwiegend abstrakt ist, wird es im Hintergrund vom „anschaulichen“ Denken begleitet. Die nach Außen gerichtete Aufmerksamkeit ist reduziert, das abstrakte Denken aber nicht völlig abgeschaltet. Die Gedanken reihen sich lockerer und ungezielter aneinander, mehr analog als logisch verknüpft. Hypnagoge Wahrnehmungen sind vorwiegend visueller Natur. Ebenfalls häufig sind auditive Wahrnehmungen, bei denen z. B. mit fremder Stimme gesprochene Wörter oder Sätze vernommen werden. Hörphänomene werden als „konform“ bezeichnet, wenn sie mit den gleichzeitigen Bildern sinnvoll verbunden sind. Andernfalls gelten sie als „autonom“. Auch haptische Eindrücke können sich zusammen mit Bildern oder alleine einstellen. Taktile hypnagoge Phänomene oder die Wahrnehmung von Bewegung sind hingegen weitaus seltener. Der Zustand der Hypnagogie hat viele Aspekte mit den fließenden, traumähnlichen Empfindungen während des REM-Schlafes gemein – aber mit einem wichtigen Unterschied: Menschen können während dieses Zwischenzustands beim Übergang vom Wachsein zum Schlafen (und umgekehrt) immer noch Audio hören und verarbeiten. Und hier sehen Forscher die entscheidende sensorische Hintertür zur gezielte Trauminkubation.

„Es ist, als würde man den Schalter für wandernde Gedanken bis zu einem immersiven Zustand aufdrehen, (Anm. GreWi: einen Zustand also, in dem das in Gedanken Erlebte realer zu werden scheint, als die Realwelt und sich der Betrachter zunehmend mit der fiktiven Scheinwelt identifiziert)“, erläutert Horowitz. „Mit neuen Empfindungen wie dem Schweben und Fallen des Körpers, gedrückt und gezogen werden, wobei die Gedanken schnell außer Kontrolle geraten.“

Wenn eine Person nun mit dem Dormio-Handschuh einschläft werden über eine zugehörige App Audio-Schlüsselsequenzen abgespielt – Anweisungen, die die Schafenden daran erinnern und auffordern, beispielsweise an einen Baum zu denken. Zugleich suchen die Dormio-Sensoren nach physiologischen Hinweisen und Signalen dafür, dass die Person eingeschlafen ist. Zu diesem Zeitpunkt weckt das System den Schläfer kurz und fordert dazu auf, zu sagen, was ihnen beim Ein-Schlafen durch den Kopf ging, wobei dieser verbale kurze Traumbericht ebenfalls von der Dormio-App aufgezeichnet wird. Nach dieser kurzen Unterbrechung schläft der bzw. die Träumende dann erneut für kurze Zeit, allerdings (so zumindest die Theorie) unter dem Einfluss einer Reihe von wiederholten Träumen, Erwachen und Aufforderungen wieder ein, die sich alle um einen Zustand gerichteter Hypnagogie drehen.

„Die gezielte Trauminkubation ist ein Protokoll zur Reaktivierung von Erinnerungen während des Schlafes“, erklären die Forscher und Forscherinnen. „Dies geschieht auf eine Weise, die zur Einbeziehung des gezielten Gedächtnisses oder verwandter Erinnerungen in Trauminhalte führt.“

Das Ziel der aktuellen Studie ist es, die Fähigkeit des Dormio-Geräts zu bewerten, die Periode des Schlafbeginns zu identifizieren und den Inhalt des hypnagogischen Traumberichts durch verbale Aufforderungen vor dem Schlaf erfolgreich zu manipulieren, so die Autoren.

Während das Prototypensystem noch verfeinert wird, deuten die ersten experimentellen Ergebnisse schon jetzt darauf hin, dass es Träume erfolgreich beeinflusst und deren Inhalt in erheblichem Maße dokumentieren kann: „Als Dormio die Teilnehmer aufforderte, vor und während des angepeilten Schlafzustands an einen Baum zu denken, erwähnten 67 Prozent der von der App gesammelten Traumberichte Hinweise auf einen Baum beim Aufwachen aus einem hypnagogischen Zustand.“ Im Gegensatz dazu enthielten Traumberichte einer Kontrollgruppe, die nur aufgefordert wurden, ihre Gedanken zu beobachten, keine Hinweise auf Bäume.

Allerdings soll Dormio nicht nur dabei helfen, Träume zu steuern und gezielte Trauminhalte herbeizuführen, das Dormio-System und das dazugehörige Trauminkubationsprotokoll soll auch für verschiedene Lerntechniken verwendet werden können, die mit schlafbasierte Gedächtniskonsolidierung arbeiten. Zudem könnte es ein Hilfsmittel zur Unterstützung von Kreativität und Problemlösung dienen, indem die Schlafenden bzw. Träumenden dazu veranlasst werden, sich bewusst an ihre Träume zu erinnern. „Dies ist angesichts historischer Persönlichkeiten wie Mary Shelley oder Salvador Dalí, die sich kreativ von ihren Träumen inspirieren ließen, nicht überraschend. Der Unterschied besteht darin, dass wir diese kreativ nützlichen Träume gezielt auslösen“, so Horowitz abschließend.




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Quelle: MIT

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