Washington (USA) – Nachdem ein Computerlogarithmus 2018 das Signal in den Daten des NASA-Weltraumteleskops „Kepler“ bereits als „falsch“ markiert und aussortiert hatte, hat eine erneute Überprüfung der Datensätze festgestellt, dass es sich doch um ein echtes Planetensignal handelt. Der Planet könnte sogar der bislang erdähnlichste Planet sein, der mit dem Planetensucher-Teleskop entdeckt wurde.
Wie die Forscher um Andrew Vanderburg von der University of Texas aktuell im Fachjournal „The Astrophysical Journal Letters“ (DOI: 10.3847/2041-8213/ab84e5) berichten, umkreist der Planet „Kepler-1649c“ seinen Stern „Kepler-1649“ – 300 Lichtjahre von der Erde entfernt – innerhalb dessen habitabler, also lebensfreundlicher Zone. Diese Zone markiert jenen Abstandsbereich um einen Stern, innerhalb derer ein Planet seinen Stern umkreisen muss, damit aufgrund gemäßigter Temperaturen Wasser in flüssiger Form – und damit die Grundlage zumindest des irdischen Lebens – existieren kann.
„Von allen der mit Kepler gefundenen Exoplaneten ist diese ferne Welt der Erde in Größe und geschätzter Temperatur am ähnlichsten“, berichten die NASA-Astronomen und führen dazu weiter aus: „Diese Welt ist nur 1,06-mal größer als unser eigener Planet. Außerdem beträgt die Menge an Sternenlicht, die sie von ihrem Wirtsstern empfängt, 75% der Menge an Licht, die die Erde von unserer Sonne erhält – was bedeutet, dass die Temperatur des Exoplaneten auch der unseres Planeten ähnlich sein kann.“
Allerdings umkreist der Planet im Gegensatz zur Erde einen roten Zwergstern. Obwohl in diesem System bislang noch keine beobachtet wurden, ist diese Art von Stern für erhöhte Aktivität und Ausbrüche bekannt, wie sie potenzielles Leben auf derartigen Welten aufgrund der erhöhten Strahlung gefährden oder gar verhindern könnte.
„Diese faszinierende, ferne Welt gibt uns noch größere Hoffnung, dass eine zweite Erde zwischen den Sternen liegt und darauf wartet, gefunden zu werden“, sagt Thomas Zurbuchen, stellvertretender Administrator der Direktion für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington. Auch und gerade vom Kepler-Nachfolger, dem „Transit Exoplanet Survey Satellite“ (TESS), erwarten Planetenwissenschaftler vielversprechende Entdeckungen.
Über Kepler-1649c ist derzeit aber auch noch vieles unbekannt. Darunter etwa die Zusammensetzung seiner Atmosphäre, die wiederum die Temperatur auf dem Planeten beeinflussen könnte. Aktuelle Berechnungen der Größe des Planeten weisen erhebliche Fehlerpotenziale auf.
Felsige Planeten, die rote Zwerge umkreisen, sind für Astrobiologen von besonderem Interesse. Um beurteilen zu können, ob Leben, wie wir es kennen, auf dem Planeten existieren könnte, braucht es noch einige weitere Faktoren.
Doch während bereits andere Exoplaneten bekannt sind, deren Größe näher an der Erde liegt – wie etwa „TRAPPIST-1f“ oder auch „Teegarden c“ – und wiederum andere, wie TRAPPIST-1d und TOI 700d, deren Temperatur erdähnlicher ist, so gibt bislang aber keinen anderen Exoplaneten, der in beiden Werten gemeinsam derart nah an der Erde liegt und der ebenfalls seinen Stern in dessen lebensfreundlicher Zone umkreist.
„Von all den fälschlicherweise zuvor als falsch identifizierten Kepler-Planeten, die wir bei unserer Überprüfung entdeckt haben, ist dieser besonders aufregend – nicht nur, weil er sich in der bewohnbaren Zone und in der Größe der Erde befindet, sondern auch, weil er mit benachbarten Planeten interagieren könnte“, erklärt Andrew Vanderburg.
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Kepler-1649c umkreist seinen kleinen roten Zwergstern so eng, dass ein Jahr nur 19,5 Erdentagen entspricht. Das System besitzt noch mindestens einen weiteren felsigen Planeten von ungefähr der gleichen Größe. Dieser umkreist seinen Stern aber in etwa der halben Entfernung von Kepler-1649c – ähnlich wie die Venus unsere Sonne in etwa der halben Erddistanz umkreist. Rote Zwergsterne gehören zu den häufigsten Sternetypen in der Galaxie, was bedeutet, dass Planeten wie dieser häufiger vorkommen könnten als bisher angenommen.
Kepler-1649c ist damit nicht nur eine der besten Übereinstimmungen mit der Erde in Bezug auf Größe und Energie, die von seinem Stern empfangen wird, sondern bietet auch einen völlig neuen Blick auf seinen Heimatsystem: Während der der äußere Planet seinen Stern viermal umkreist, umrunden der innere Planet den Stern fast genau neun Mal. Die Tatsache, dass ihre Umlaufbahnen in einem so stabilen Verhältnis übereinstimmen, zeigt, dass das System selbst extrem stabil ist und wahrscheinlich lange in dieser Form überdauern wird.
Derart fast perfekte Periodenverhältnisse werden häufig durch ein Phänomen verursacht, das als „Orbitalresonanz“ bezeichnet wird. Allerdings ist ein Verhältnis von 9:4 unter Planetensystemen relativ einzigartig. Normalerweise haben Resonanzen die Form von Verhältnissen wie 2:1 oder 3:2. Obwohl noch nicht bestätigt, könnte die Seltenheit dieses Verhältnisses auf die Anwesenheit eines dritten, mittleren Planeten hinweisen, mit dem sich sowohl der innere als auch der äußere Planet synchron drehen und eine Resonanz von 3:2 erzeugen könnte.
Bislang blieb die Suche nach einen solchen dritten Planeten allerdings erfolglos. Dies könnte jedoch daran liegen, dass der Planet zu klein ist, um von Kepler entdeckt zu werden, oder daran, dass er eine Umlaufbahnneigung besitzt, die es unmöglich macht, ihn mit Keplers Transitmethode zu finden.
In jedem Fall liefert dieses System ein weiteres Beispiel für einen erdgroßen Planeten in der lebensfreundlichen Zone eines roten Zwergsterns. Diese kleinen und dunklen Sterne erfordern, dass Planeten sie extrem nah umkreisen, um sich innerhalb der habitablen Zone zu befinden. Obwohl dieses einzelne Beispiel nur eines von vielen ist, gibt es zunehmend Hinweise darauf, dass solche Planeten um Rote Zwerge häufig vorkommen.
„Je mehr Daten wir erhalten, desto mehr Anzeichen deuten darauf hin, dass potentiell lebensfreundliche und erdgroße Exoplaneten in der Umgebung dieser Arten von Sternen häufig vorkommen“, sagt Vanderburg. „Mit Roten Zwergen fast überall in unserer Galaxie und diesen kleinen, möglicherweise lebensfreundlichen und felsigen Planeten um sie herum, steht die Chance, dass einer von ihnen nicht anders ist als unsere Erde, ein wenig besser aus.“
Quelle: NASA
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